Am Pinzgauer Kitzsteinhorn setzt man auch auf Alternativen zum Liftbetrieb wie beispielsweise auf das Tourengehen.

Foto: Thomas Neuhold

Für Fachleute, Einheimische und mit den alpinen Gegebenheiten Vertraute kam die Entscheidung der steirischen Planai-Hochwurzen-Bahnen nicht überraschend: Der Sommer 2022 – mit Regen, Hitze und Saharasand – hat dem durch den Klimawandel ohnehin bereits stark abgemagerten Schladminger und dem Hallstätter Gletscher derart zugesetzt, dass in der Herbst/Winter-Saison 2022/23 kein Liftbetrieb möglich ist.

Klimaexpertinnen und Gletscherforscher sagen ja schon seit einigen Jahren das Ende der Dachstein-Gletscher voraus. Und auch in der Bergsteigerszene wurde das Thema diesen Sommer über diskutiert: Durch den starken Gletscherrückgang sind riesige Gletscherspalten beziehungsweise Randklüfte entstanden. Die einst mäßig schwierige Dachstein-Besteigung wurde zu einer ernsten Angelegenheit, technisch weniger Versierten wurde dringend das Engagement eines Bergführers oder einer Bergführerin empfohlen.

Keine neue Eiszeit

Es fehlen bis zu fünf Meter Schnee. "Wir müssten die Stützen um fünf Meter versetzen und die Gletscherspalten an den Pisten schließen", erklärt Georg Bliem, Geschäftsführer der Planai-Hochwurzen-Bahnen. Die beiden Gletscher liegen zwar auf oberösterreichischem Gebiet, sind aber von der steirischen Seite her mit einer Seilbahn auf den Hunerkogel (2687 Meter) erschlossen. Das Skigebiet besteht aus drei Schleppliften sowie einem Doppelsessellift.

Der Gletscher am Dachstein wird bald Geschichte sein, wie die Vergleichsfotos eindrucksvoll zeigen.
Foto: APA/Blue Sky Wetteranalysen

Besonders den Stützen der Schlepplifte habe die Schmelze zugesetzt, wird Bliem von der Austria Presse Agentur zitiert. Sie müssten versetzt werden, "das ist ein riesen Aufwand und wir haben keine Garantie, dass es nicht nächstes Jahr wieder zu machen ist." Auf den Pisten komme der Fels an einigen Stellen durch, und selbst die Lifttrasse verläuft nun über Fels. "Das müssten wir wegsprengen, aber das ist kein Thema für uns", sagt Liftchef Bliem.

Dass das Skigebiet auf dem Dachsteingletscher revitalisiert wird, daran glaubt derzeit bei den Bahnbetreibern niemand. Es werde wohl "keine neue Eiszeit" kommen, meint Bliem.

Schmelzwasserbäche

Die Klimakrise im Allgemeinen und den schneearmen Winter 2021/22 im Besonderen spüren auch alle anderen Gletscherskigebiete. So musste vergangenen Juli sogar das Schweizer Zermatt den Sommerbetrieb einstellen. Und hier ist man verglichen mit dem Dachstein doch "um einen Stock" höher, das Pistengebiet reicht fast bis an die Viertausendergrenze hinauf. Regen bis auf 4000 Meter Seehöhe machte den Betrieb allerdings unmöglich.

In Österreich lief der Sommerbetrieb nur mehr am Hintertuxer Gletscher. Werbung war das aber keine: Im Netz kursierte – ein etwas älteres – Video, das zeigte, wie man mit den Skiern entlang von Schmelzwasserbächen den Gletscher hinunterrutschen musste.

Gletscher noch am Leben

Am Kitzsteinhorn im Salzburger Pinzgau hat man den Sommerbetrieb schon vor vielen Jahren eingestellt. Saisonstart war heuer am zweiten Oktoberwochenende. Der Neuschnee im September habe gute Bedingungen geschaffen, sagt Norbert Karlsböck. Der ehemalige Bürgermeister (SPÖ) von Kaprun ist seit knapp zehn Jahren Vorstand der Gletscherbahnen Kaprun AG.

Auf dem Kitzsteinhorn werde man jedenfalls weiterhin Ski fahren können, verspricht Karlsböck. Während der Dachstein ein isolierter Gletscher sei, der aufgrund der Topografie kaum Möglichkeiten für künstliche Beschneiungsanlagen habe, könne man am Kitzsteinhorn beschneien und so auch die Gletscherränder schützen. Aktuell sei der Gletscher noch am Leben, "er bewegt sich noch" und sei an manchen Stellen bis zu 80 Meter dick, sagt Karlsböck im STANDARD-Gespräch. Auch die Liftanlagen seien nicht in Gefahr, man habe frühzeitig mit einer Anpassungsstrategie begonnen und die Stützen auf Fels fundiert.

Fiebermesser im Fels

Wesentliches Element in diesem Anpassungsprozess am Kitz ist die wissenschaftliche Begleitung. Das private Salzburger Forschungsinstitut Georesearch hat auf dem Kitzsteinhorn ein riesiges Freiluftlaboratorium eingerichtet. "Für uns ein Glücksfall, weil wir dort bereits die Infrastruktur für Betrieb und Transport der Geräte vorfinden sowie einen ganzjährigen Zugang haben", sagt Markus Keuschnig. Der Geomorphologe ist Gründer und Chef der Forschungsfirma.

Die Wissenschafter und Wissenschafterinnen beobachten beispielsweise mit bis zu 30 Meter tiefen Bohrlöchern die Temperaturentwicklung im Permafrostboden. "Das sind große Fieberthermometer", sagt Keuschnig. Aber auch in der Fläche wird geforscht. So werden Spannungsfelder im Felsuntergrund erzeugt, der sich ändernde Widerstand gibt Auskunft über den Eisanteil im Untergrund.

Die Symbiose von Forschern und Gletscherbahnen funktioniert: Die einen können unter Idealbedingungen wissenschaftlich arbeiten, die anderen haben durch die Wissenschaft Daten zur Verfügung, die einen Planungshorizont über Dekaden ermöglichen.

Schneesicherheit

Gletscherbahnenchef Karlsböck beschreibt den Anpassungs- und Transformationsprozess für die kommenden Jahrzehnte mit den Worten "vom Gletscherskigebiet zum Höhenskigebiet". Denn auch wenn am Kitz das Schmiedingerkees langsam verschwinde, "die Höhe und damit die Schneesicherheit bleibt".

Zudem setze man auf alternative Angebote. So wurde in den vergangenen Jahren das Skitourengehen am Kitzsteinhorn immer beliebter, auch aktuell würden sich bereits hunderte Tourenbegeisterte am Kitz tummeln.

Und Karlsböck kündigt an, 2023 den Skibetrieb aus Energiespargründen und zum Schutz des Gletschers bereits Ende Mai einzustellen; "sieben Wochen früher als bisher." Der Sommerbetrieb ohne Ski werde ebenfalls immer wichtiger.

Skitouren und Wanderwege

In diese Richtung wird wohl auch die Reise am Dachstein gehen. Wahrscheinlich ist, dass die Liftstützen abgebaut werden. Positiver Nebeneffekt: Der Platz für Langlaufloipen wird größer, die soll es weiterhin geben. Auch Skitouren sind ein Thema. Die klassischen Skitourenüberquerungen werden ebenfalls weiterhin möglich sein. Auch der Eispalast soll weiterhin geöffnet bleiben. Dazu sind Angebote wie etwa neue Winterwanderwege geplant, die ohne Lifte auskommen.

Für die allermeisten Pistenskifahrer und Pistenskifahrerinnen dürfte sich übrigens ohnehin wenig ändern. Schon bisher wurde der Dachstein aufgrund des besseren Angebotes auf der Planai hauptsächlich im Herbst von Profis für Ausbildung und Training genützt. (Thomas Neuhold, 18.10.2022)