Wenn der Verfassungsgerichtshof von sich aus ein Prüfverfahren einleitet, hat er meist massive Bedenken gegen ein Gesetz.

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Mehr als zwei Jahre nach ihrer Gründung kommt die Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag) nicht zur Ruhe. Nachdem der Rechnungshof im Sommer massive Kritik an der Auszahlung der Corona-Hilfen geübt hat, äußert nun der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Bedenken.

Laut einem Beschluss, den das Höchstgericht am Freitag veröffentlicht hat, werden die Richterinnen und Richter "von Amts wegen" – also von sich aus – prüfen, ob die Abwicklung der Hilfen über einen privaten Rechtsträger wie die Cofag zulässig ist. Leitet der VfGH ein Verfahren "von Amts wegen" ein, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er das fragliche Gesetz aufhebt. Die endgültige Entscheidung ist aber freilich noch offen.

Ist die Cofag effizient?

Zur Erinnerung: Um Betrieben in der Pandemie zu helfen, gründete der Staat 2020 per Gesetz ein eigenes, ausgegliedertes Unternehmen, das im Eigentum des Bundes steht – die Cofag. Aus Sicht des Höchstgerichts sind die Corona-Hilfen faktisch eine Aufgabe der staatlichen Hoheitsverwaltung. Es sei fraglich, ob deren Auszahlung durch ein Unternehmen dem "Effizienzgebot" entspricht. Demnach muss der Staat wirtschaftlich, sparsam und zweckmäßig agieren. Ähnliche Kritik übte auch der Rechnungshof in einem Rohbericht, der Anfang August bekannt wurde.

Dazu kommt, dass Unternehmen laut Gesetz keinen Rechtsanspruch auf finanzielle Unterstützung haben. Die Cofag-Förderungen gelten allerdings als Ersatz für die ehemalig vorgesehenen Entschädigungen im Epidemiegesetz, auf die Unternehmen sehr wohl einen Rechtsanspruch hatten. Die Neuregelung dürfte laut Höchstgericht daher gegen das Grundrecht auf Eigentum verstoßen, heißt es in dem Beschluss. Unternehmen können sich vor Gericht zwar darauf berufen, Leistungen ohne Diskriminierung zu erhalten, das allein reiche aber nicht aus.

Grundsatzentscheidung

Der VfGH stützt zudem eine fundamentale Kritik der Opposition: Durch die Übertragung der Förderungen an die Cofag "scheinen der Nationalrat und der Bundesrat nicht die Möglichkeit zu haben", direkt zu überprüfen, was mit den staatlichen Geldern passiere. Dass der Finanzminister dem Nationalrat einen monatlichen Bericht vorlegen muss, dürfte daran nichts ändern, schreiben die Höchstrichterinnen und Höchstrichter.

"Der VfGH spricht hier ein Problem an, das es immer schon gab", erklärt Peter Bußjäger, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Innsbruck. "Nämlich, dass es in der Privatwirtschaftsverwaltung keinen wirklichen Rechtsschutz gibt." Bleibt der VfGH bei seiner Kritik, hätte das laut Bußjäger auf bereits bezahlte Corona-Hilfen keine Auswirkungen, für die künftige Abwicklung von Förderungen allerdings "gewaltige Konsequenzen".

"Der VfGH hat offenbar vor, in dieser Frage eine Grundsatzentscheidung zu treffen", sagt Bußjäger. Die endgültige Entscheidung sei damit zwar keinesfalls vorweggenommen; von Amts wegen leite der VfGH aber nur dann Prüfungen ein, wenn er "massive Bedenken" an einem Gesetz hat. Die Bundesregierung hat nun die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben. Danach nimmt das Höchstgericht Beratungen auf.

Bereits einmal geprüft

Der VfGH hat die Cofag bereits vergangenes Jahr geprüft. Anlass war ein sogenannter Drittelantrag der Oppositionsparteien im Parlament. 85 Nationalratsabgeordnete der SPÖ, der FPÖ und der Neos hatten vor dem Höchstgericht beanstandet, dass die Abwicklung der Covid-19-Hilfen verfassungswidrig ist. Die Hauptkritik war damals, dass das Gesetz nicht präzise genug sei und dem Finanzminister zu viel Spielraum überlasse. Diese Bedenken teilte der VfGH nicht, er war aber aus formellen Gründen an den Antrag gebunden. Anlass des aktuellen Beschlusses war nun ein Antrag der Wiener Lokalbahnen, der sich gegen die Förderrichtlinien für den Fixkostenzuschuss wendet.

Auch der Rechnungshof übte in einem Rohbericht, der Anfang August bekannt wurde, scharfe Kritik an der Abwicklung der Corona-Hilfen durch die Cofag. So habe das Finanzministerium etwa den Zuschussbedarf an die Branchenzugehörigkeit geknüpft und damit zum Teil Kosten bevorschusst, die nicht oder kaum angefallen sind. Die stete Erhöhung der Förderinstrumente und Anträge habe zudem zu Fehleranfälligkeiten geführt. Kritisiert hat der Rechnungshof nicht zuletzt die Besetzung der Geschäftsführung mit einem ehemaligen Kabinettsmitarbeiter. (Jakob Pflügl, 18.10.2022)