Was bei der Lohnrunde in der Metallverarbeitungs- und Maschinenbauindustrie herauskommt, gilt traditionell auch für den Bergbau, für Eisen- und Stahlhersteller sowie die Fahrzeugindustrie.

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Wien – Die Inflationsentwicklung hilft in der diesjährigen Metaller-Herbstlohnrunde eher den Arbeitgebern. Anders als in früheren Jahren erwarten die Wirtschaftsforscher keine akuten Ausschläge der Teuerungsrate, sondern in den kommenden drei bis vier Monaten ein Verharren auf sehr hohem Niveau. So schwierig es sein mag, die hohe, auf Gas- und Ölpreissteigerungen basierende importierte Inflation in den Erzeugerpreisen unterzubringen – den Unternehmern kommt dies nun entgegen.

Beim ritualisierten Eskalationsszenario der für 200.000 Metallarbeiter und Industrieangestellte zuständigen Gewerkschaften Pro-Ge und GPA verhält es sich nicht anders. Der Auftragseingang lief bis vor kurzem extrem gut, die Auftragsbücher der Industrie sind voll. Aber die Zukunftsaussichten sind denkbar schlecht, der Konjunktureinbruch ist programmiert.

Vor diesem Hintergrund dürfte die Ankündigung von Warnstreiks, wie sie in der Metallindustrie nach der zweiten Verhandlungsrunde am Montag mit einem aus ihrer Sicht ungenügenden Angebot noch diese Woche zu erwarten ist, bei den Unternehmern kaum Unruhe auslösen. Denn gedrosselt wird die Produktion aufgrund der hohen Gaspreise da und dort ohnehin schon, da komme es auf eine Betriebsversammlung oder einen Warnstreik auch nicht mehr an, sagt der Chef eines Metallverarbeitungsunternehmens dem STANDARD.

Inflationsabgeltung

Den Hinweis von Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), die staatlichen Energie- und Antiteuerungshilfspakete trügen konkret zur Inflationsabgeltung bei und seien zu berücksichtigen, hören Gewerkschafter äußerst ungern. Ihre zentrale Forderung ist die Abgeltung des Verbraucherpreisindex (VPI) (seit der Lohnrunde des Vorjahres) von 6,3 Prozent zuzüglich eines Anteils am Produktivitätsfortschritt durch die Arbeitgeber – und da fährt die Eisenbahn drüber.

Das Modell greife bei importierter Inflation, die durch den schwachen Euro zusätzlich angeheizt wird, nicht. Dieses Geld sei längst für Öl und Gas ins Ausland geflossen, mahnt ein mit Lohnverhandlungen vertrauter Ökonom, der nicht genannt werden will. Wenn es die Gewerkschaft ernst meinte mit ihrer Forderung nach Abgeltung der Inflation, müsste sie die staatlichen Hilfen einrechnen – bis hin zur Abschaffung der kalten Progression, durch die den Arbeitnehmern ein hoher Abschluss zum Teil weggesteuert würde.

Dieses Gegenrechnen gilt im Übrigen für beide Seiten. Denn nicht nur unselbstständig Erwerbstätige und Privathaushalte bekommen staatliche Hilfszahlungen von Energiekostenausgleich über Klima- und Antiteuerungsbonus bis zur Valorisierung von Sozialleistungen. Auch die Industrie bekommt Energiekosten- und Teuerungszuschüsse, und dies nicht zu knapp.

Wirtschaftshilfen

Die Palette an Hilfszahlungen reicht von einer Strompreiskompensation für Unternehmen, Zuschüssen für energieintensive Betriebe, dem Entfall von Erneuerbaren-Förderpauschale und Förderbeitrag über die Senkung der Energieabgaben bis zu der Verschiebung der CO2-Bepreisung und der Senkung der Lohnnebenkosten (Unfallversicherungsbeitrag, Familienlastenausgleichsfonds). Wiewohl nicht jedes Unternehmen und jede Branche jede einzelne Subvention in Anspruch nehmen kann, in Summe werden so 3,6 Milliarden Euro an Arbeitgeber ausgeschüttet. Die Senkung der Körperschaftssteuer im Wege der Steuerreform ist darin noch gar nicht berücksichtigt.

Der Lohn- und Einkommensexperte des Wifo, Benjamin Bittschi, sieht das Einrechnen der staatlichen Antiteuerungsmaßnahmen in die Lohnrunde kritisch: "Die Antiteuerungsmaßnahmen basieren auf Steuereinnahmen oder Schulden. Einen Teil dieser Maßnahmen würden sich die Beschäftigten somit selbst bezahlen." Und: Teile dieser Pakete kämen den Unternehmen zugute, sagt der Wifo-Experte mit Verweis auf die Senkung der Körperschaftssteuer oder den Handel, der von höheren Konsumausgaben profitiert.

Kerninflation

Würde man die um Energiekosten reduzierte Kerninflation als Basis für die Lohnverhandlungen heranziehen, wäre die Teuerung in dem für die Metaller maßgeblichen Zeitraum (September 2021 bis August 2022) grob geschätzt um zwei Prozentpunkte geringer. Das erklärt das Angebot der Arbeitgeber von 4,1 Prozent, das von den Gewerkschaftern am prompt als "Kriegserklärung" aufgefasst wurde. Dass nur die Ist-Löhne erhöht werden sollten, erklärt die Industrie mit der von der Gewerkschaft geforderten Angleichung der Lohn- und Gehaltssysteme von Arbeitern und Angestellten. Man habe sich bereit erklärt, die Systematik der Einstufungen in KV-Tabellen zu verhandeln und neu zu regeln. Deshalb habe man keine Veränderungen der Mindestlöhne angeboten, solange ein neues System und die daraus folgenden Auswirkungen nicht feststehen, hieß es seitens des Fachverbands Metalltechnische Industrie.

Der traditionelle Streikbeschluss des ÖGB auf Vorrat ist in Ausarbeitung. (Luise Ungerboeck, 18.10.2022)