Foto: IMAGO/ZUMA Wire/Just Stop Oil

PRO: Mittel zum Zweck

von Verena Mischitz

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was passieren müsste, damit die Klimakrise ernst genommen wird? Und könnte Tomatensuppe dabei helfen?

Seit Jahrzehnten wird die Erderhitzung und ihre Auswirkungen von Politik, Medien und Vertretern der fossilen Industrie verharmlost und heruntergespielt, Klimaschutzmaßnahmen werden blockiert und die Erwärmung weiterbefeuert. Der Klimaforscher Michael E. Mann nennt dieses Festhalten am Status quo In-Aktivismus. Dagegen wirkt die Aktion von Just Stop Oil fast lächerlich. Groß ist die Empörung trotzdem.

Ob das Beschmieren berühmter Gemälde ein effektiver Weg ist, um auf die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aufmerksam zu machen, darüber kann man diskutieren. Fest steht: Alle Protestformen, die in den letzten Jahren eingesetzt wurden, brachten nicht die gewünschte Wirkung. Wir sind immer noch auf dem Weg Richtung Kollaps.

Egal? So scheint es, wenn man auf die aktuelle Klimapolitik blickt. Österreich hat seit über eineinhalb Jahren kein Klimaschutzgesetz. Die Emissionen steigen weiter, hierzulande und global. Mit den zunehmenden Auswirkungen müssen wir leben. Ein beschmierter – aber unversehrt gebliebener – van Gogh war nur ein verzweifelter Versuch, darauf aufmerksam zu machen, was alles auf dem Spiel steht – ein Mittel zum Zweck. Denn wenn wir so weitermachen wie bisher, wird am Ende mehr kaputtgehen als ein geliebtes Kunstwerk. (Verena Mischitz, 17.10.2022)

KONTRA: Ein Bärendienst

von Stefan Weiss

Protest und ziviler Ungehorsam sind für die Behebung gesellschaftlicher Missstände unerlässlich. Dazu gehören auch aufsehenerregende Aktionen, die die Dringlichkeit des Themas aus dem Brei alltäglicher Berichterstattung herausheben. Wie radikal Protest sein soll, wird aber zu Recht auch unter Sympathisierenden kontrovers diskutiert. Der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung mag der Prediger Martin Luther King dienlicher gewesen sein, als es Black Panther und Malcolm X waren; die 68er-Generation hat durch ihr Engagement in Politik und Medien sicher mehr bewirkt, als es militante Irrläufer des Linksterrorismus taten.

Im gegenwärtigen Fall eines Suppenwurfs auf ein Van-Gogh-Gemälde, um gegen die Förderung von Erdöl zu protestieren, setzten die Aktivistinnen offenbar auf den medialen Schock, den diese Aktion auslösen würde. Dass das Gemälde durch Glas geschützt war, kalkulierten sie mit ein, nur drang diese nicht unerhebliche Information zu spät zu den Medien durch. Der Empörungsreflex, wonach hier ein van Gogh dem Klimaprotest geopfert worden sei, war da längst ausgelöst. Jede nachgeschobene kalmierende Information geht im Trubel unter.

Aktivismus, der mit Empörungskultur im Netz spielt, ist problematisch. Zu groß ist die Gefahr, dass sich dabei nur die halbe Wahrheit durchsetzt und Polarisierung befeuert wird. Dem Protestanliegen ist damit ein Bärendienst erwiesen. (Stefan Weiss, 17.10.2022)