Es gibt Namen in der Tierwelt, die bedauerlich wenig Passion für die Viecherln erkennen lassen. Die Holzwespen-Schlupfwespe ist so ein Beispiel. Okay, der Name leitet sich davon ab, dass sich der Nachwuchs einer Schlupfwespe parasitär von der Larve einer Holzwespe ernährt. Aber die eigentlich sensationelle Leistung wird namentlich nicht gewürdigt: Diese Insekten sind die Bohrmeisterinnen unter den Hautflüglern.
Noch nicht alle entdeckt
Weltweit sind mindestens 30.000 Schlupfwespenarten bekannt, und es werden immer noch neue entdeckt. Die Holzwespen-Schlupfwespe (Rhyssa persuasoria) ist mit bis zu dreieinhalb Zentimeter Körperlänge eine der größten heimischen Vertreterinnen, und sie hat auch einen der längsten Bohrer. Bei uns im Garten sind momentan kleinere Exemplare unterwegs. Vor allem in der herbstlichen Nachmittagssonne suchen sie im mit dicker Rinde bekleideten Stamm einer alten Birke, in der Buntspechte schon tiefe Spuren hinterlassen haben, nach Bohrstellen.
Legebohrer am Hinterleib
Die Bohrer sind Legebohrer zum Deponieren von Eiern, also nur bei weiblichen Exemplaren ausgebildet. In Ruhestellung verbirgt sich der einer Kanüle ähnliche Ovipositor in einer dünnen Hülle, der gesamte Apparat sitzt am Hinterleib und ragt weit über diesen hinaus. Er kann nicht eingezogen werden. Wenn die Schlupfwespe im Holz eine Larve der Holzwespe riecht oder hört, verwandelt sie sich in eine Bohrinsel.
Anstrengende Ei-Ablage
Der Akt des Bohrens muss ziemlich anstrengend sein, die Schlupfwespe stützt sich mit Beinen und Fühlern ab, krümmt ihren Körper nach unten und dreht sich dabei ständig um die eigene Achse. Der Legestachel selbst wird ziemlich gerade ins Holz getrieben. Faszinierend! So eine Bohrung kann gut zwanzig Minuten dauern, wie ich beobachten konnte. Garantie für eine erfolgreiche Mission gibt es nicht. Wenn die Larve der Holzwespe Glück hat, geht der Stich daneben. (Michael Simoner, 19.10.2022)