Drohnen können für Überwachung der Infrastruktur und als Lieferanten eingesetzt werden.
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Ich gestehe: Ich bin ein Gadgeteer. Digitale Gerätschaften aller Art lösen Kaufimpulse aus, die ich nur mühevoll gelernt habe zu bändigen. Nur von einem Gadget habe ich mich trotz früherer Anwandlungen ferngehalten: einer Drohne. Teils war es die Frivolität der winzigen Fluggeräte, die zum Ausspionieren der Nachbarn ebenso geeignet sind wie für furchtbare Kriege, die mich von einem Kauf abhielt. Vor allem war es aber die Besorgnis eines Boomers, ungeübt in der Handhabung von Spielekonsolen, dass eine Drohne in meinen Händen zum baldigen Absturz und Totalschaden verurteilt sei.

Bis dieses Jahr die eine auf den Markt kam mit ihren unwiderstehlichen Eigenschaften. Ein Leichtgewicht von 249 Gramm, von Bedeutung, weil für Drohnen unter dem Gewicht eines Butterpackerls kein Pilotenschein erforderlich ist. Die Fähigkeit zur automatischen Rückkehr, die auch dann ausgelöst wird, wenn der Strom zur Neige geht oder der Funkkontakt zur Steuerung verloren wird. Sensoren, die Zusammenstöße verhindern. Und eine Kamera, die hochauflösende Bilder und Videos macht. Das alles in einem Paket unter 1000 Euro, quasi ein Schnäppchen.

Unter 250 Gramm keine Registrierung

Seither bin ich einer von rund 35.000 bei der Austro Control registrierten Drohnenbetreibern. Legt man die Zahl auf die EU um, so fliegen Daumen mal Pi weit mehr als eine Millionen Drohnen in Europas Luftraum. Dabei sind Fluggeräte nicht mitgerechnet, für die es keiner Registrierung bedarf – unter 250 Gramm und ohne Kamera. Rund fünf Millionen Drohnen wurden 2020 weltweit verkauft, bis 2030 sollen es bereits doppelt so viele sein.

In großer Mehrheit sind derzeit noch Konsumenten für dieses Wachstum verantwortlich. Der Anflug auf das glückliche Hochzeitspaar im Gegenlicht, das Selfievideo von der Radtour, der Schwenk über die Landschaft: Nicht nur für Amateurlichtbildner geht davon ein besonderer Reiz aus. Viele professionelle Kameraleute führen in ihrer Ausstattung längst Drohnen mit. Kaum noch eine Krimiserie, die ohne Luftaufnahmen auskommt. Skisportfans werden sich daran erinnern, wie Marcel Hirscher vor einigen Jahren nur knapp dem Absturz einer Drohne beim Slalom in Madonna di Campiglio entkam – inzwischen werden Drohnen bei zahlreichen Sportevents für Übertragungen eingesetzt. Und "Drone Racing" ist längst eine eigene Sportkategorie geworden.

Als Schwarm öffnen Drohnen völlig neue Möglichkeiten der optischen Darstellung. 2012 hatten die "Spaxels" des Ars Electronica Future Lab ihre Premiere und führten ein Lichterballett über Linz auf. Dabei fliegen hundert Drohnen autonom und im Verbund, um als Lichtpunkte – Pixel – eines gigantischen, bewegten Drohnenschwarms eine Performance am Nachthimmel zu geben. Seither gaben die Linzer Spaxels Aufführungen von London bis Rio de Janeiro und lieferten Erfahrungen für die weitere Entwicklung von Drohnen als fliegenden Robotern.

Zunehmend werden Drohnen auch industrielle Hauptrollen übernehmen und nicht nur der Bespaßung des Publikums dienen. Logistik – die Zustellung von Waren – in geografisch schwierigen Gebieten ist ein vielversprechender Einsatzbereich. Schon 2016 belieferte Amazon den ersten Kunden in Cambridge mit einem Sackerl Popcorn und einem Fire-TV-Stick mittels Drohne, "hunderte" weitere Kunden sollten folgen. Aber nach einer Reihe von Abstürzen musste das Projekt "Prime Air" zurück ins Labor. Sechs Jahre später sind die technischen Probleme der Zustellung noch immer nicht gelöst, weitere Testkunden soll es noch 2022 in Kalifornien geben. Auch ein Versuch der Deutschen Post und ihres Paketdienstes DHL zur Belieferung einer Apotheke auf einer Insel im Wattenmeer wurde trotz erfolgreicher Tests im Vorjahr wieder eingestellt. Offenbar waren die jeweils erforderlichen Genehmigungen von Flugsicherung, Nationalparkverwaltung und anderen Stellen für den Betrieb zu kompliziert.

Auftrag der Überwachung

Ein vielversprechender Anwendungsbereich ist in der Überwachung und Wartung von Infrastruktur. Beim britischen Netzbetreiber UK National Grid sollen künftig Drohnen in Verbindung mit künstlicher Intelligenz Strommasten kontrollieren. Derzeit werden Masten fast ausschließlich durch kletternde Techniker überwacht, was große Gefahren birgt und komplizierte Abschaltungen erfordert. Gelegentlich werden Hubschrauber eingesetzt, was jedoch aufgrund der großen Distanz nur Bilder in schlechter Qualität liefert und obendrein teuer und umweltbelastend ist. Wartungsmaßnahmen werden darum nicht aufgrund individuell diagnostizierter Schwächen vorgenommen, sondern automatisch in regelmäßigen Intervallen. So werden auch alle Masten gewartet, die in tadellosem Zustand sind. Drohnen können hingegen dafür sorgen, dass nur dort gewartet wird, wo dies nötig ist.

Netzbetreiber wollen Drohnen auch zur Netzüberwachung verwenden.
Foto: IMAGO/mix1 - Matthias Baran

Auch in anderen Ländern werden Drohnen derzeit für den Einsatz in der Überwachung von Infrastruktur "ausgebildet": In Norwegen kündigte der Stromnetzbetreiber Agder Energi Nett bereits im Vorjahr an, Drohnen künftig zur Netzüberwachung einzusetzen. Anders als beim britischen Projekt inspizieren die Drohnen hier nicht individuelle Masten, sondern überfliegen entlang der Leitungen das Netz, um nach Stürmen und im Winter herabgefallene Äste zu melden. Drei schwedische Energieversorger haben inzwischen Überwachungsverträge mit dem Drohnen-Unternehmen Airpelago unterzeichnet.

In Österreich meldete vor kurzem der Pipeline-Betreiber Gas Connect seinen ersten erfolgreichen Testversuch mit dem heimischen Drohnenunternehmen Bladescape. Künftig soll das 900 Kilometer lange Pipeline-Netz mittels automatisiert fliegender Drohnen anstatt durch Hubschrauber kontrolliert werden. Auch für die Asfinag wird Bladescape in den nächsten Jahren tätig werden, von der Kontrolle von Brücken bis zu Aufklärungsflügen bei Unfällen oder Unwetter.

Viele offene Regulierungsfragen

Allen Projekten gemeinsam ist die ungelöste Thematik der Luftraumüberwachung beim Drohneneinsatz. Während sich die Technologie schnell entwickelt, hinkt die Regulierung in den meisten Staaten den neuen Anforderungen nach. Pilotprojekte beruhen meist auf Ausnahmegenehmigungen und können nicht in die Praxis umgesetzt werden. Aufgrund dieser bürokratischen Hürden entwickeln mehrere Start-ups ihre Systeme in afrikanischen Ländern, die keine entsprechenden Bestimmungen haben.

Regulatorisch leichter haben es da geschlossene Industrieparks, die selbst über den Einsatz entscheiden können. Auf dem riesigen Areal des Hamburger Hafens ist die Drohnenzukunft bereits Realität. Über 10.000 Fußballfelder hätten auf dem Gelände des drittgrößten europäischen Hafens (nach Rotterdam und Amsterdam) Platz. Wirklich zu überblicken ist das Geschehen auf diesem Areal nur aus der Vogelperspektive. Automatisierte Drohnen inspizieren unter anderem Containerbrücken und Asphaltflächen und erkennen dank künstlicher Intelligenz Schäden und Abnutzungen an den Anlagen.

Die hochauflösenden Bilder werden live übertragen: So kann die Hafenaufsicht auch reagieren, wenn sich Menschen gesperrten Gefahrenbereichen nähern, ohne sofort die gesamte Logistikkette zum Stillstand zu bringen.

Neben ihrer Aufgabe als Wächter des Hafenareals übernehmen die Drohnen logistische Aufgaben. Sie beschleunigen den Frachtverkehr, indem sie Pakete und Dokumente wie Frachtpapiere befördern. Die besondere Herausforderung des Flugverkehrs über dem Hamburger Hafen: Bis zu 100 Drohnen können gleichzeitig unterwegs sein, ohne sich in die Quere zu kommen.

Heimische Marke an vorderster Front

Ermöglicht wird dies durch künstliche Intelligenz zur Steuerung und ein eigenes Mobilfunknetz für den Hafen, ein sogenanntes Campusnetz. Steuerungssignale haben stets Priorität vor anderem Datenverkehr, etwa der Übertragung von Bilddaten. Bevor neue Drohnen in Dienst genommen werden, werden sie an einem zweiten Standort für ihre verantwortungsvollen Aufgaben vorbereitet. Dort werden sie erprobt und eingerichtet, ehe sie komplett flugfähig und einsatzbereit sind.

Ein heimischer Player will bei dieser rasanten Entwicklung von "Unmanned Aircraft Systems" – Drohnen – an vorderster Front mitspielen: der Luftfahrtzulieferer FACC in Oberösterreich. Im Vorjahr zeigte der Hersteller bei der Pariser Technologiemesse Vivatech das autonom fliegende Lufttaxi Ehang 216, das gemeinsam mit dem chinesischen Unternehmen Ehang entwickelt wurde. Zwei Personen finden in dem fünfeinhalb Meter langen, elektrisch betriebenem Vehikel Platz, das vor allem in urbanen Räumen eingesetzt werden soll. Vorerst ist der Betrieb in Europa entweder im Test oder mit einem Piloten möglich. In Europa wird die Taxidrohne von FACC gebaut, das auch für die Zulassung des Fluggeräts sorgen soll – jenseits von Testflügen in der Europäischen Union wahrscheinlich noch ein langwieriger Weg.

Aber FACC hat nicht nur die Beförderung von Menschen bei der Drohnenentwicklung im Auge, sondern will Fluggeräte für Kunden und Partner auch für andere Einsatzzwecke bauen. Vor kurzem gab das Unternehmen eine Partnerschaft mit dem kalifornischen Drohnen-Start-up Archer bekannt, "über vier weitere müssen wir noch Stillschweigen bewahren", sagt FACC-Sprecher Andreas Perotti. Bis 2030 soll das Geschäft mit Drohnen und Satelliten bereits ein Fünftel des Umsatzes ausmachen. (Helmut Spudich, 24.10.2022)