Eigentlich hatte sich Niko Bogianzidis eine andere "Nachred" gewünscht. Schließlich hatte der Wolkersdorfer mit seinen drei Freunden ein Jahr Himmel und Hölle bemüht. Erfolgreich: Sogar aus Jamaika kamen im Juli 2016 Ragga-Soundsysteme nach Falkenstein. Zu Rise & Shine, dem mehrtägigen Musikfestival, das Bogianzidis im 500-Seelen-Ort im Weinviertel seit 2011 veranstaltete. An drei Julitagen, mit täglich bis zu 2.000 Gäste. Über Acts, Spirit und Stimmung gab es da danach viel zu erzählen.

Nur tat das niemand. "Das einzige Thema waren die Klos", erinnert sich der heute 36-Jährige. "Sogar die Musiker redeten nur davon. Erst waren wir da echt sauer." Doch dann ging Christian Schöner, Reinhard Krenn, Philipp Wildberger und Bogianzidis ein Licht auf: Statt des Festivals kommerzialisierten sie das, worüber alle sprachen. Die Klos. Ihre Klos. "Mit denen haben wir wohl etwas richtig gemacht."

50 Angestellte und zwei Millionen Euro Umsatz hat Öklo heute, eine Idee von Niko Bogianzidis und drei Freunden.
Foto: Christian Fischer

Die vier wollten mit ihrem Festival alles richtig machen. Nachhaltig. Regional becatert, ökologisch korrekt. Das ging – mit einer Ausnahme: der unvermeidlichen Batterie an Chemiemietklos. Die Freunde wollten das nicht hinnehmen. Und bastelten aus Sperrholzplatten, einem Sieb, einem Fass und Sägemehl das erste "Öklo". Vereinfacht gesagt, trennt das Sieb Fest von Flüssig – und das Sägemehl deckt olfaktorisch und optisch die Hinterlassenschaft ab. Fertig. Und dank der Fässer sind diese Klos im Handling sogar einfacher als die Chemieplastikalternativen.

Prestigelos, aber nachhaltig

Heute wundert sich Bogianzidis, dass nicht schon viel früher jemand – gewerblich – auf die Idee kam. Oder sie nachmacht: Die alteingesessenen Mietkloanbieter überlassen dem Start-up das prestigeträchtige Öko-Segment beim Bedienen des prestigelosesten, unvermeidbarsten Bedürfnisses der Welt nahezu unangefochten. Zwei Millionen setzen die Biohäuslbauer mittlerweile jährlich um. Mit 600 Toiletten und 50 Angestellten. Es gibt barrierefreie Öklos, Ö-rinale und Duschen. "Was Events halt brauchen", sagt Bogianzidis. Er ist Gesicht und Stimme des weiterhin vierblättrigen Gründerkloblattes.

Damit sind die Öklos heute kein Nischenplayer mehr. Doch just als das Werkel zu flutschen begann, kam Corona: Wo es keine Events gibt, braucht man keine Mietklos. Doch die Öklos entdeckten – auch weil Hans Peter Haselsteiner als Investor aufgesprungen war – den Baumarkt: "Mobilklos müssen nahe der Straße stehen, weil man sie vom Lkw aus auspumpen muss. Oder man schwingt das volle, schwabbelnde Häusl mit dem Kran über die Baustelle. Bei uns kommt einer mit einem Fass auf der Sackrodel bis in den U-Bahn-Stollen: Die Arbeiter lieben uns."

SPERRHOLZ, ein Fass und Sägemehl – mehr braucht es nicht für die ökologische Toilette, die bei Events eine Alternative zum Chemieklo ist.

Foto: Christian Fischer

5.000 Mietklos österreichweit

Eh fein. Aber: Wie groß ist diese Häuslszene, der Mietklomarkt eigentlich tatsächlich? Mit objektivem Überblick, Branchenzahlen oder gar einem Mobilabort-Ranking können die Wolkersdorfer nicht helfen: Auf ihrer Homepage listen sie 40 Mitbewerber – inklusive Kontaktadressen – auf. Doch stimmt die Schätzung von "österreichweit etwa 5000 Mietklos" auch? Dass sie mittlerweile zu Österreichs drei größten Leihabtrittanbietern zählen, vermutet man bei Öklo, "genau wissen wir es aber nicht". Denn im Umgang mit den Newcomern folgt die etablierte Leihlatrinenlobby dem ungeschriebenen Benimmcode, dass man weder offenlegt, was in der eigenen Schüssel alles liegt, noch von Klokabine zu Klokabine mit Leuten tratscht, die man nicht seit Jahren genau kennt.

Siebenmal, sagt Bogianzidis, habe Öklo schon um Aufnahme in den Verband österreichischer Toilettenvermieter (VÖTV) angesucht. "Leider wurde dies mehrheitlich abgelehnt", steht in den schriftlichen Absagen. Für "etwaige fachliche Auskünfte" stehe man aber "natürlich" zur Verfügung. Pumpern aber Branchenfremde an die Klotür, kommt entweder keine Antwort – oder es heißt: "Beseeeetzt".

Wichtig: Sauberkeit

Von den vom STANDARD – teils mehrfach – kontaktierten Unternehmen reagierte lediglich eines: Branchenplatzhirsch Toi Toi richtete – schriftlich – aus, dass man "eine Interviewanfrage erst im kommenden Jahr in Betracht ziehen" könne. Die nachgereichte Bitte um VÖTV-Ansprechpartner blieb unbeantwortet. Obwohl der VÖTV laut Vereinsregisterauszug vom 30. September 2022 bei Toi Toi daheim ist. So bleibt unklar, was der Verband treibt und bespricht. Eventer und Veranstalter unken von Preisabsprachen und Revieraufteilungen – was der VÖTV wohl schroff zurückweisen würde. Nur antwortet er halt nicht.

Sollte es derlei Klo-Kumpanei tatsächlich geben, wären die Öklos aber eh nicht dabei: Ein klassisches "Dixi" kostet pro Woche meist zwischen 150 und 180 Euro, Sägespantoiletten beginnen bei 250 Euro. Das rechne sich trotzdem, sagt Bogianzidis: "Toiletten sind – speziell für Frauen – ein zentraler Faktor. Mit ihnen steht und fällt die Verweildauer und damit Konsumationsintensität bei Events." Veranstalter, die ihr Publikum gerne wiedersehen wollen, wissen, dass da nicht nur das Line-up zählt: Was der Campingplatz, die Garderoben, die An- und Abreiselogistik können, ob es weibliches Securitypersonal, An- und Abreiselogistik, vegane Speisen und Marken- statt Billigstgetränken gibt, sei wichtig. Und die Toiletten: "Sauberkeit – aber auch, ob Frauen sich dort unwohl, ausgeliefert, fühlen."

Der Klobeton

Seit der US-Soldat Fred Edwards 1973 in Deutschland das von ihm "Dixi" genannte Mobilklo erfand, hat kaum jemand die mobile Bedürfnisanstalt neu zu denken versucht. Obwohl der Klogang in allen Epochen und Gesellschaften dokumentiert, untersucht und dokumentiert wurde, "hinterfragt in der Branche niemand, ob es wirklich schlau ist, dann alles in den Kanal zu pumpen".

In Wolkersdorf tut man genau das: In der Öklo-Zentrale liegen ein paar graue, unspektakuläre, an Waschbetonplatten erinnernde Brocken. Sie sind geruchsfrei. Bogianzidis schmunzelt. "Wenn Baustoffe zertifiziert sind und der Härtegrad passt, riecht keiner dran oder fragt, woraus Lärmschutzwand, Parkbank oder Blumentrog sind." Der Beton der Öklos sei im Zertifizierungsverfahren. Ähnlich verhalte es sich mit den weißen Kugeln in einem Glas: "Wenn man Fest und Flüssig trennt, kann man aus dem Urin Struvit gewinnen – Dünger." Und wo Holz zu rar zum Verheizen ist, wird seit ewig Tierdung verbrannt: "Man könnte Kackepellets machen." Und das bei Gärtnern heute gehypte "Terra Preta" haben die Bewohner Amazoniens "erfunden", als sie – vereinfacht gesagt – glosende Holzreste in Fäkaliengruben warfen, um Waldbrände zu vermeiden.

Foto: Christian Fischer

Hierzulande ist es aber ein No-Go, aus menschlichen Fäkalien Kompost zu machen. Forschen aber ist erlaubt. Hinterfragen auch: "Wir reden von Kreislaufwirtschaft, lassen aber Ressourcen, die täglich anfallen, ungenutzt und verschwenden dabei Unmengen an Wasser", stellt der Mann mit der Rastamütze in den Raum und schmunzelt. Wer ihm und seinen Freunden 2016 prophezeit hätte, je leidenschaftlich über das Potenzial von Kacke zu reden, den hätten die vier wohl lachend dorthin geschickt, wohin sogar der Kaiser zu Fuß geht.

Nur stand der nie vor einer Batterie chemisch stinkender Festivalplastikhäusln – und fragte sich, ob man dieses menschlichste aller Alltagsprobleme nicht auch anders lösen könnte. (Tom Rottenberg, 19.10.22)