Nach ukrainischen Angaben sind die Drohnen schwer zu erspähen, aber laut und damit von weitem hörbar.

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Auch am Dienstag kam es in der Ukraine wieder zu russischen Angriffen auf die kritische Infrastruktur. In Kiew etwa wurde ein Wärmekraftwerk ins Visier genommen. "Die Ukraine steht unter dem Beschuss der Besatzer", schrieb Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Telegram. "Sie tun weiterhin das, was sie am besten können – Zivilisten terrorisieren und töten." Einmal mehr nannte Selenskyj Russland einen "terroristischen Staat", mit Kremlchef Wladimir Putin gebe es keinen "Raum für Verhandlungen".

Unterdessen haben die deutschen Geheimdienstchefs Putin mit dem Überfall der Ukraine de facto einen Angriff auf den kompletten Westen vorgeworfen, wie der "Spiegel" berichtet. Sein Handeln sei eine "Kriegserklärung an die gesamte freiheitliche demokratische Welt", sagte etwa Bruno Kahl, Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Angriff auf Energienetz

Seit mittlerweile eineinhalb Wochen führt Russland in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine massive Luftschläge im ganzen Land durch. Dabei sind mehr als 70 Menschen getötet und mehr als 240 verletzt worden, wie ein Sprecher der Zivilschutzbehörde mitteilte. Beschädigt worden seien zudem insgesamt mehr als 380 Gebäude, darunter rund 240 Wohnhäuser.

Laut Wolodymyr Selenskyj richteten die russischen Angriffe der vergangenen Tage schwere Schäden in der Energieinfrastruktur an. 30 Prozent der ukrainischen Kraftwerke seien seit dem 10. Oktober zerstört worden, twitterte der Präsident. Auch britische Militärexperten vermuteten, dass sich Russlands jüngste Angriffswelle vor allem gegen das Energienetz der Ukraine richte. "Es ist höchstwahrscheinlich ein zentrales Ziel dieser Aktion, weitreichenden Schaden am Energienetz der Ukraine anzurichten", stand am Dienstag im täglichen Bericht der Geheimdienste.

Dabei, heißt es von ukrainischer Seite, werden bevorzugt sogenannte Kamikaze-Drohnen eingesetzt. Und auch wenn Teheran dies seit Tagen dementiert, gilt es doch als gesichert, dass der Iran Russland diese Drohnen geliefert hat.

Iranische Einheiten in der Ukraine

Das Weiße Haus etwa bezichtigt Teheran ganz konkret der Lüge in dieser Frage. In den USA geht man davon aus, dass eine erste entsprechende Lieferung bereits im August erfolgte. Die EU sucht seit Montag offiziell nach entsprechenden Belegen und würde im Fall der Fälle weitere Sanktionen gegen den Iran folgen lassen. Auch zahlreiche Experten gehen von einem iranischen Ursprung der von Russland eingesetzten Drohnen aus. Der US-Thinktank Institute for the Study of the War (ISW) berichtet gar, Einheiten der iranischen Revolutionsgarde befänden sich in den besetzten Gebieten im Osten der Ukraine, um den russischen Truppen den Umgang mit den Drohnen beizubringen. Einem aktuellen Reuters-Bericht zufolge bestätigen diplomatische Quellen im Iran nun zumindest, dass man Russland weitere Drohnen und Raketen versprochen habe.

Die Kamikaze-Drohne, so sie wirklich aus dem Iran stammt, hat die offizielle Typenbezeichnung Shahed-136, in Russland firmiert sie unter dem Namen Geran-2. Medienberichten zufolge wurden Hunderte von ihnen an Russland geliefert, der ukrainische Generalstab sprach zuletzt von 2.400 Stück. Anderen Berichten zufolge soll bereits ein Vertrag für Drohnen der nächsten Generation, die eine größere Zerstörungskraft besitzen, unterzeichnet worden sein.

Laut und heimlich

Diese Drohnen tauchten im Ukraine-Krieg das erste Mal im August im Nordosten der Ukraine auf. Sie sind sogenannte Deltaflügler, besitzen also eine dreieckige Form, sind rund 200 Kilogramm schwer und haben an der Spitze einen Sprengkopf. Sie können bis zu 185 km/h schnell fliegen und haben eine Reichweite von etwa 2.500 Kilometern. Und mit rund 20.000 Euro pro Stück sind sie im Vergleich zu Raketen sehr billig.

"Die Shahed-Drohnen sind sehr schwer zu entdecken, da sie sehr niedrig fliegen", sagte die ukrainische Militärsprecherin Natalia Humeniuk, als die Drohnen zum ersten Mal gesichtet wurden. "Aber sie machen viel Lärm, wie eine Kettensäge." Deshalb seien die Drohnen schon von weitem zu hören.

Experten zufolge wird ihr Einsatz, auch wenn er intensiviert werden sollte, nicht von kriegsentscheidender Bedeutung sein. Ihre Zerstörungskraft ist geringer als die von Raketen, dafür können sie präziser gesteuert werden, um etwa Infrastrukturziele anzugreifen. Auch kann damit die ukrainische Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt werden. Am Montag berichtete Kiews Bürgermeister Witali Klitschko, dass eine Drohne ein Wohngebäude in der Hauptstadt zerstört habe.

Weitere Luftabwehrsysteme

Die ukrainischen Streitkräfte haben mittlerweile darauf reagiert und ihre Flugabwehr an die Drohnen angepasst, etwa mit Anti-Drohnen-Gewehren wie dem Sky Wiper EDM4S. Jüngst erst verkündete Kiew, 37 Drohnen abgeschossen zu haben. Doch werden oft mehrere von ihnen als Schwarm auf ein Ziel angesetzt, in der Hoffnung, dass einige treffen. Damit die Ukraine auf weitere Luftangriffe mit Raketen oder Drohnen besser vorbereitet ist, liefern unter anderem Deutschland und die USA weitere Luftabwehrsysteme.

Der verstärkte Einsatz von Drohnen wird in der Ukraine und im Westen auch als Zeichen der Schwäche Russlands interpretiert. So sollen dessen Raketenarsenale bereits zu einem Großteil geleert sein, weshalb man nun auf die unbemannten Luftfahrzeuge setze.

Österreichisches Drohnen-Hightech

Einiges deutet darauf hin, dass auch Drohnen österreichischer Provenienz im Ukraine-Krieg eingesetzt werden. Genauer gesagt: deren Motoren.

So berichtete das Onlinemedium Exxpress im März, dass in Bayraktar-Drohnen, welche die ukrainische Seite verwendet, Motoren der Firma Rotax aus Gunskirchen verbaut seien.

Nun tauchen ähnliche Informationen in Bezug auf angeblich iranische Drohnen auf, welche Russland gegen die Ukraine einsetzt. Der Motor dieser Shahed-129-Drohnen ist laut der Fachzeitschrift Aviation Week der Rotax 914 desselben österreichischen Unternehmens. Rotax war kurzfristig für keine Stellungnahme erreichbar. (Kim Son Hoang, joge, fmo, 18.10.2022)