Wird das 2015 in Paris vereinbarte Klimaziel noch einzuhalten sein? Viele Studien der letzten Jahre haben sich mit verschiedenen Aspekten dieser Frage beschäftigt, nur wenige kommen zu optimistischen Resultaten. Unbestritten ist, dass es immer schwieriger wird, den globalen Temperaturanstieg bei zwei Grad Celsius gegenüber den vorindustriellen Werten zu stoppen. Für eine Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius dürfte der Zug ohnehin schon abgefahren sein.

Im Vorjahr im Fachjournal "Nature Climate Change" präsentierte Zahlen lassen den Verdacht aufkommen, dass das mittlerweile auch für das Zwei-Grad-Celsius-Ziel gilt. Selbst das freundlichste der dort vorgestellten Szenarien – nämlich eines, bei dem alle Staaten ihre jeweiligen Klimaziele bis 2030 einhalten – führte bis 2100 zu einer Erwärmung um mehr als zwei Grad Celsius.

Die Ozeane nehmen den Großteil der Erderwärmung auf und mildern dadurch die Folgen des Klimawandels etwas ab.
Foto: APA/AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Immenser Wärmespeicher

Aber nicht nur die Erwärmung der Erdatmosphäre spielt eine Rolle in der Frage, wohin es mit unserem Heimatplanet in den nächsten 80 Jahren gehen wird. Die Temperaturentwicklung der Ozeane, von der Oberfläche bis in die Tiefseezonen, hat einen noch viel entscheidenderen Einfluss auf das künftige Klimageschehen.

Dass die Folgen der Klimaerwärmung insgesamt nicht noch viel dramatischer ausfallen, ist dem gigantischen Wärmepuffer zu verdanken, den die Weltmeere darstellen: Über 90 Prozent der zusätzlichen Wärme wurden bisher von den Meeren aufgenommen. In den letzten dreißig Jahren wurden von den Meeren allerdings etwa viereinhalbmal so viel Wärme absorbiert wie in den dreißig Jahren davor.

Der Hauptanteil der Energiemenge gelangte in den Atlantik und den Südozean – beides Meere, die die Antarktis umgeben. Die Wärmeausdehnung der Ozeane trägt fast doppelt so viel zum jährlichen Anstieg des Meeresspiegels bei wie die schmelzenden Gletscher Grönlands.

Erwärmung seit den 1950er-Jahren

Wie es derzeit um die Ozeane steht und in welche Richtung sie sich wahrscheinlich noch entwickeln werden, hat nun ein internationales Forschungsteam in einer Überblicksstudie im Fachjournal "Nature Reviews Earth & Environments" zusammengefasst. Die Autoren sammelten dafür Daten von einer Vielzahl von autonomen und manuell platzierten Temperatursensoren rund um den Globus. Auf Basis dieser vielen Tausend Temperaturmessungen konnten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter ein klareres Bild vom Wärmegehalt der Ozeane bis zurück in die 1950er-Jahre nachzeichnen.

Der Ozean rund um die Antarktis erwärmt sich schneller als die meisten anderen Meere der Erde.
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Vor dem Hintergrund jüngster Studien kam das Team um Lijing Cheng von der Chinese Academy of Sciences, Peking, zu dem Schluss, dass sich die obersten 2.000 Meter spätestens seit den 1950er-Jahren zu erwärmen begannen. Zunächst geschah der Temperaturanstieg noch langsam, doch die Entwicklung nahm sehr schnell Fahrt auf: Inzwischen erwärmen sich die Ozeane bis zu einer Tiefe von 2.000 Metern mehr als doppelt so schnell wie in der Zeit zwischen 1960 und 2010. Heute nimmt dieser Teil der Weltmeere jährlich rund zehn Zettajoule an Energie auf, das entspricht dem Hundertfachen des jährlichen Energieverbrauchs der USA.

Noch ist nichts verloren

Auf Basis dieser Zahlen gelang es den Forschenden außerdem, einen Blick in mehrere mögliche Zukunftsvarianten zu werfen. Die wichtigste Erkenntnis dabei ist, dass der prognostizierte Entwicklungspfad nicht unabänderlich ist: Sollten wir es schaffen, das Zwei-Grad-Celsius-Ziel einzuhalten, könnte rund um das Jahr 2030 zumindest die Beschleunigung der Meereserwärmung angehalten werden.

Andere, weniger günstige Szenarien malen eine deutlich düsterere Zukunft aus. Demnach würde sich beim Verpassen der vereinbarten Klimaziele die Erwärmungsrate der Weltmeere im Laufe der nächsten Jahrzehnte weiter beschleunigen; in den 2090er-Jahren könnte sich das Tempo, mit dem die Temperatur der Ozeane steigt, im Vergleich zu aktuellen Werten vervierfacht haben.

Atlantik und Südozean erwärmen sich schneller

Hierbei handelt es sich freilich um globale Durchschnittswerte, in der Realität werden sich einige ozeanische Regionen schneller erwärmen als andere. So dürften der Atlantik und der Südozean und die südlichen Ozeane auch weiterhin viel schneller Wärme aufnehmen als der Pazifische und der Indische Ozean. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts wird der Pazifik aufgrund seines großen Volumens zum größten Wärmespeicher des Planeten werden.

Werden die Ozeane immer wärmer, steigen auch Anzahl und Heftigkeit künftiger Wirbelstürme, warnen die Forschenden. Das Bild zeigt den Hurrikan Ian am 26. September 2022 über dem Golf von Mexiko.
Foto: IMAGO/Geos Noaa/Noaa

Die aufgeheizten Weltmeere werden schwere Folgen für die weitere Entwicklung des Erdklimas haben, schreiben die Forschenden. Nicht nur auf das Leben im Meer wird sich das auswirken, die Erwärmung der Meere wird das Wettergeschehen des gesamten Planeten beeinflussen: Wärmere Ozeane führen zu häufigeren und mächtigeren Stürmen, ergiebigeren Regenfällen und in weiterer Folge auch zu größeren Überschwemmungen, während andere Regionen der Landfläche weiter austrocknen.

Die letzten Jahre haben mit zunehmenden Hitzewellen, Überschwemmungen, Waldbränden und zerstörerischen Wirbelstürmen einen Vorgeschmack geliefert, meinen Lijing Cheng und sein Team. Sollte sich der Temperaturanstieg der Meere nicht einbremsen lassen, wäre dies aber nichts im Vergleich zu dem, was in den kommenden Dekaden auf uns zukommen wird. (tberg, 19.10.2022)