Grafik: Oana Rotariu / Der Standard

Lange wird über die Klimaziele verhandelt, an Kompromissen gefeilscht – und bereits jetzt sieht es ganz danach aus, als würde Österreich sie verfehlen. Das zeigen die Berechnungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), welches die Treibhausgasemissionen in seine vierteljährliche Konjunkturprognose aufgenommen hat.

Dort ist zu lesen: In diesem Jahr dürften die Treibhausgasemissionen um 2,2 Prozent zurückgehen, im Jahr 2023 um zwei Prozent. Um aber bis 2040 klimaneutral zu sein, wären jedes Jahr Reduktionen von über vier Millionen Tonnen CO2 nötig – für dieses Jahr wären das sechs Prozent, erklärt der Wifo-Ökonom Mark Sommer. Fällt die Reduktionen in einem Jahr niedriger aus, müssen die verpassten Prozente in den Folgejahren zusätzlich zu den dann nötigen Einsparungen aufgeholt werden.

"Ohne radikale Veränderungen wird es kaum möglich sein, die Ziele zu erreichen", sagt dazu Angela Köppl, ebenfalls Ökonomin am Wifo. Einige Schritte würden bereits gesetzt: So sei das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ein wichtiges Puzzle. Aber es brauche viel mehr, um die nötige Reduktion zu schaffen. Heizsysteme müssten ausgetauscht, das Mobilitätssystem verändert und Schritte in Richtung einer Kreislaufwirtschaft gesetzt werden.

"Und vor allem muss das alles schnell gehen. Je länger wir warten, desto mehr muss in ein paar Jahren passieren", so Köppl.

Forderungen nach dem Kurswechsel werden seit langem gestellt – bekommen sie mehr Nachdruck, wenn nun festgestellt wird, dass die Lücke zwischen den Zielen und den Emissionen immer größer wird? Eine Antwort soll das Klimaschutzgesetz liefern, doch dieses liegt seit bereits fast zwei Jahren auf Eis.

EU-Kommission setzt auf Emissionshandel

Allerdings hat sich Österreich auch im Rahmen der EU verbindliche Ziele gesteckt. Zusammen soll die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden, bis 2030 sollen die Emissionen um 55 Prozent fallen.

Das Hauptinstrument, mit dem die EU-Kommission das erreichen will, ist das Emissionshandelssystem, auf Englisch abgekürzt ETS. Unternehmen, die in dieses System fallen, brauchen Zertifikate für das CO2, das sie ausstoßen. Eine bestimmte Menge von Zertifikaten bekommen sie umsonst. Blasen sie jedoch mehr Emissionen in die Atmosphäre, müssen sie zusätzliche Zertifikate kaufen.

Über die Jahre reduziert die EU-Kommission diese Zertifikate immer weiter – damit steigen ihre Preise und damit der Anreiz für Unternehmen, weniger zu emittieren. Bisher gilt dieses System für die Industrie, die Energiewirtschaft und innereuropäische Flüge.

Kommt der zweite Emissionshandel für Verkehr und Gebäude?

Alle anderen Emissionen sind in der sogenannten Lastenteilung erfasst, vor allem geht es dabei um Verkehr und Gebäude. Das Gesetz differenziert, wie viel jeder einzelne Mitgliedsstaat dazu beitragen muss, bis 2030 die minus 55 Prozent zu erreichen – die Ausgangspunkte sind schließlich sehr unterschiedlich.

Weil aber in den meisten Mitgliedstaaten bisher wenig passiert ist, um die Emissionen in diesen Bereichen zu drosseln, schlug die Kommission im Juli 2021 vor, einen zweiten Emissionshandel für Verkehr und Gebäude einzurichten.

Diesen Vorschlag machte sie als Teil des sogenannten "Fit for 55"-Pakets: Einem Bündel an Gesetzen, das die Klimapolitik der EU an das neue 55-Prozent-Ziel anpassen soll. Die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament laufen – zum zweiten Emissionshandel ist bisher keine Einigung in Sicht.

"Wir würden den zweiten Emissionshandel sehr sinnvoll finden", so Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt. Der CO2-Preis allein sei zu wenig, doch ohne Preissignal würde die nötige Umstellung kaum gelingen, meint er.

Zertifikatehandel unter den Mitgliedstaaten

Greift all das nicht, können die Staaten unter der Lastenteilung ihre Emissionen miteinander handeln. Für Staaten wie Bulgarien, die ein niedrigeres Ziel für 2030 bekommen, soll das auch einen Anreiz schaffen, mehr zu reduzieren und ihren Überschuss und Einsparungen dann an andere für viel Geld zu verkaufen. "Diese Zertifikate dürften sehr gefragt und sehr teuer werden", sagt Lichtblau.

Schafft ein Staat den Zertifikatsausgleich nicht, dann bleibt der Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof – voraussichtlich mit Strafen in Milliardenhöhe.

(Alicia Prager, 19.10.2022)