Es geht um die Milch. Soll das Produkt der Kuh in den Kaffee? Oder doch besser eine pflanzliche Alternative? Diese (Glaubens-)Frage wird immer noch heftig diskutiert.

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Der Soja-Latte, der Cappuccino mit Hafermilch oder der Americano mit Mandelmilch – pflanzliche Alternativen zur Milch sind nicht mehr wegzudenken aus dem täglichen Leben. Nicht nur junge, hippe Klimaschützerinnen, Veganer oder Menschen mit Laktoseintoleranz greifen danach. Es kommt auch vor, dass ältere Herren den Kaffee mit Hafermilch bestellen – weil sie ihn dann besser vertragen. Und es gibt genug Kinder, die überhaupt keine Milch mehr trinken.

Die Pflanzendrinks erregen dabei immer noch die Gemüter – Milch darf man sie nicht nennen, diese Bezeichnung ist geschützt und dem Produkt der Kuh vorbehalten. Als Alternative für Veganer, die außerdem klimaschonender ist, haben die meisten sie inzwischen akzeptiert. Doch geht es darum, wie gesund der Milchersatz ist, driften die Meinungen weit auseinander. Immerhin war Kuhmilch lange ein elementares Grundnahrungsmittel, das mit hohem Kalzium- und Vitamin D-Gehalt die Nährstoffversorgung sicherte in Zeiten, als die Supermarktregale nicht immer wohlgefüllt waren. Vor allem für Kinder war sie essenziell für ein gesundes Wachstum.

Kuhmilch versus Pflanzendrink

Drei wesentliche Unterschiede gibt es zwischen dem Produkt der Kuh und dem milchigen Saft, der wahlweise aus Hafer, Sojabohnen, Mandeln, Erbsen, Reis oder anderem gemacht wird, weiß Diätologin und Ernährungsexpertin Yasmin Eder: "Kuhmilch enthält bereits alle Nährstoffe in natürlicher Form und besteht auch nur aus einer Zutat. Die pflanzlichen Alternativen beinhalten dagegen, abgesehen vom Grundprodukt und Wasser, weitere Zusätze wie Verdickungsmittel, Emulgatoren, Salz oder Vitamine."

Ein großer Unterschied ist auch der Eiweißgehalt. In der Regel enthalten viele pflanzlichen Alternativen kaum bis nur wenig Eiweiß. Es ist aber ein wichtiger Bestandteil in unserer täglichen Ernährung. Ausnahme sind da Pflanzendrinks aus Erbsen oder Soja, ihr Proteingehalt ist sehr gut. Schließlich ist in Kuhmilch Laktose natürlich enthalten, für Menschen mit Unverträglichkeit gibt es deshalb die laktosefreie Alternative. In den Pflanzendrinks ist keine Laktose, dafür werden manchmal Zuckeralternativen zugesetzt. Es gibt aber auch Produkte, die gänzlich ohne Zucker auskommen.

Der relevanteste Faktor ist der Eiweißgehalt. "Proteine sind ja der Grundbaustein für Muskeln, Hormone, Immunsystem und mehr", betont Eder. "Nur wenige der Pflanzendrinks können wirklich mit der Nährstoffkombination der Kuhmilch mithalten. Was die Eiweißversorgung anbelangt, kann ich nur die Produkte aus Soja oder Erbsen empfehlen." Allerdings deckt der Mensch ja seinen Eiweißbedarf nicht nur über Milchprodukte. Die Proteine sind zwar lebenswichtig – ob diese nun über Kuhmilch oder andere Nahrungsmittel aufgenommen werden, ist aber zweitrangig.

Kalzium für die Knochen

Noch ein natürlicher Bestandteil der Milch ist essenziell, vor allem im Wachstum: Kalzium. Eder erklärt: "Knochen und Zähne benötigen den Mineralstoff, aber er ist auch an der Blutgerinnung beteiligt und an der Reizweiterleitung, wie beim Hören oder Sehen. Gerade bei Kindern im Wachstum ist ausreichend Kalzium wichtig." Kuhmilch liefert dieses automatisch. Sie enthält zwar auch schwefelbindende Aminosäuren, die wiederum zu einer vermehrten Kalziumausscheidung über den Urin führen, aber der Gehalt ist so hoch, dass das nichts ausmacht.

Den Pflanzendrinks fehlt das Kalzium, allerdings werden einige damit angereichert, ebenso wie mit jenen Vitaminen, die auch in der Milch natürlich enthalten sind. Viele enthalten, ähnlich wie Kuhmilch, auf 100 Milliliter etwa 120 Milligramm Kalzium. Auch Kinder können also die Pflanzendrinks trinken, ohne dass Mangelerscheinungen drohen, betont Eder. Aber: "Ein Blick auf die Zutatenliste lohnt sich auf jeden Fall, um Ungewünschtes wie Zucker oder Süßstoff zu vermeiden und zu wissen, ob tatsächlich ausreichend Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt sind. Außerdem sollte man möglichst zu Bioprodukten aus heimischen Rohstoffen und heimischer Produktion greifen."

Ohnehin sollte man auch in der täglichen Ernährung von Kindern auf ausreichend Kalzium achten: "Optimal sind Rucola, Grünkohl, Brokkoli, Sesam, Haselnüsse oder kalziumreiche Mineralwasser."

Wenn der Bauch wehtut

Ein weiterer Grund, warum manche zu den Pflanzendrinks greifen: Sie vertragen sie besser. Bei Kindern gibt es das Problem nicht ganz so häufig, Erwachsene berichten aber oft von Verdauungsproblemen wie Blähungen, Bauchschmerzen oder Durchfall, wenn sie Milch trinken, egal ob pur oder im Kaffee. Eine Laktoseintoleranz kann tatsächlich auch erst im Erwachsenenalter auftreten. Mit fortschreitendem Alter wird nämlich das Enzym Laktase, das man zur Aufspaltung der Laktose benötigt, weniger, das kann sich dann als Unverträglichkeit bemerkbar machen.

Dabei muss man zwischen Laktoseintoleranz und Kuhmilcheiweiß-Allergie unterscheiden betont Eder: "Bei einer Allergie sollte man tatsächlich komplett auf Pflanzendrinks umschwenken. Menschen mit Intoleranz können auch zu laktosefreien Produkten greifen." Laktoseintoleranz wird beim Arzt mittels Atemtest festgestellt. Eine Allergie tritt im Normalfall bereits im Baby- oder Kindesalter auf und kann mit einer ärztlichen Eliminationsdiät beseitigt werden.

Ohnehin sollte man es als Erwachsener nicht übertreiben mit der Milch. Denn in der Kuhmilch ist das Wachstumshormon lGF-1 (Insulin-like Growth Factor) enthalten. "Dieses Hormon kommt auch natürlicherweise im Körper vor, es ist maßgeblich am Zellwachstum beteiligt." Studien haben gezeigt, dass Menschen, die während des Wachstums regelmäßig Milch trinken, tatsächlich größer werden. Von manchen wird ins Treffen geführt, dass dieses Wachstumshormon bei übermäßigem Konsum im Erwachsenenalter aber auch ein potenzielles Krebswachstum beschleunigen könnte. Eder sagt dazu: "Theoretisch kann dieses Hormon wohl auch die Entstehung von Krebs ankurbeln. Allerdings gibt es keine ausreichend überzeugenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, um das tatsächlich nachzuweisen."

Auf der sicheren Seite ist man, wenn man den Milchkonsum begrenzt. Mehr als 500 Milliliter in Form von Milch, Joghurt oder Buttermilch sollten es nicht sein pro Tag. Käse, also Milch in verarbeiteter Form, kann man zusätzlich verspeisen.

Besser für das Klima?

Entscheidet man sich für Pflanzendrinks, sollte man, wie gesagt, auf Bioqualität und regionale Produktion achten. Und: "Ist es Bestandteil des Frühstücks, etwa im Müsli, ist es besser, zu einem eiweißreichen Produkt aus Soja oder Erbse zu greifen. Gibt man den Drink nur in den Kaffee, nimmt man den, der einem am besten schmeckt", sagt Eder. Reismilch etwa schmeckt von Natur aus leicht süßlich und ist im Gegensatz zu Getreideprodukten auch glutenfrei und deshalb gut für Menschen mit Zöliakie und Glutensensitivität geeignet. Es gilt aber auch zu bedenken, dass Reis mit Arsen belastet sein kann. Deshalb wurde in der EU ein entsprechender Grenzwert eingeführt. Und es wird davon abgeraten, dass Kinder täglich Reisdrinks konsumieren.

Zwei wichtige Argumente beim Griff zum Pflanzendrink sind außerdem das Tierwohl und der Klimaschutz. Denn vor allem in der Massentierhaltung bleibt bei industrieller Milchproduktion das Wohl der Kühe auf der Strecke. Doch was die Herstellung von Pflanzendrinks betrifft, ist diese, anders als vielfach angenommen, nicht zwingend besser für das Klima. Viele sind hochverarbeitete Produkte, bei deren Produktion genauso Emissionen anfallen. (kru, 21.10.2022)