Elnas Rekabi beim Wettkampf am Sonntag.

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Rekabi wurde vom Flughafen in Teheran abtransportiert. Wohin sie gebracht wurde, ist unklar.

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Unmittelbar nach der Landung gab Rekabi iranischen Staatsmedien ein Interview, in dem sie sich für ihr Vorgehen entschuldigte.

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Teheran – Die iranische Sportkletterin Elnas Rekabi ist nach ihrem plötzlichen Verschwinden von den Asienmeisterschaften in Seoul am frühen Mittwochmorgen in ihrer Heimat gelandet. In der Finalrunde in Südkorea hatte Rekabi für Aufsehen gesorgt und eine große Welle der Solidarität ausgelöst, weil sie ohne Hidschab antrat. Für Sportlerinnen der iranischen Nationalmannschaft ist islamische Kleidung Pflicht. Danach verschwand sie plötzlich.

Zahlreiche Bilder in den sozialen Netzwerken zeigten, wie Menschen am Flughafen Teheran Rekabi willkommen heißen und ihre Aktion bejubeln. Rekabi gab Staatsmedien noch am Flughafen ein kurzes Interview, in dem sie sich auf ein Instagram-Posting beruft: Demnach soll ihr Vorgehen ein großes Versehen gewesen sein, sie habe ihren Hidschab unabsichtlich vergessen. Es ist davon auszugehen, dass ihr ihr Handy entnommen wurde, um ein regimetreues Statement abzusetzen.

Hunderte Iranerinnen und Iraner umjubeln die Ankunft der Klettermeisterin.
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Verheddert

"Aufgrund der Atmosphäre, die im Finale des Wettbewerbs herrschte, und der unerwarteten Aufforderung, meinen Lauf zu starten, habe ich mich mit meiner technischen Ausrüstung verheddert, und das hat dazu geführt, dass ich den Hidschab nicht wahrgenommen habe, den ich hätte beachten sollen", sagte Rekabi im staatlichen Fernsehen.

Unklar bleibt auch, ob Rekabi bei ihren Aussagen in einem schwarzen Kapuzenpullover und mit einer Baseball-Kappe unter Druck der Behörden gestanden hat. Beobachterinnen und Beobachter sollten sich nicht "von staatlicher Propaganda beeinflussen lassen", schrieb das Zentrum für Menschenrechte in Iran CHRI.

Nach Ansicht der britischen Amnesty-International-Botschafterin Nazanin Boniadi kann Rekabi ihre Aussagen nicht freiwillig gemacht haben: "Es ist eindeutig gewesen, dass Elnaz Rekabi zu ihrem Statement von den Behörden, die fortlaufend erpresste Bekenntnisse im Fernsehen benutzen, gezwungen worden ist."

Die Glaubwürdigkeit Rekabis Aussagen litt zusätzlich durch eine betont nachdrückliche Entschuldigung "bei den Menschen in Iran für die durch mich verursachten Spannungen. Ich bin friedlich, bei bester Gesundheit und wie vorgesehen nach Hause zurückgekehrt."

Abgeführt

Rekabi wurde in einer Wagenkolonne in einem Rettungswagen vom Gelände des Flughafens gebracht – wie viele andere politische Gefangene im Iran in den vergangenen Tagen und Wochen. Ihre Aktion in Seoul wurde von vielen als Solidarität mit den systemkritischen Protesten im Iran betrachtet.

Medienberichten zufolge hatte Rekabis Team das Hotel am Montagmorgen verlassen. Was dann zunächst mit ihr geschah, ist nicht bekannt. Rekabis Pass und Mobiltelefon sollen beschlagnahmt worden sein, auch von einer Festnahme war die Rede. Die iranische Botschaft in Seoul wies solche Berichte kategorisch zurück. Laut BBC Persian sollen Freunde von Rekabi in großer Sorge sein, weil sie ihre Vertraute seit ihrem Antreten in Seoul nicht erreichen konnten. "Die Sorgen um ihre Sicherheit bleiben", teilte das CHRI nach Rekabis Ankunft in Teheran mit.

Erstes Statement von Elnaz Rekabi am Flughafen von Teheran.
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Garantie von Irans Olympischem Komitee

Der Nachrichtenagentur Tasnim zufolge, die als Sprachrohr der iranischen Revolutionsgarden auftritt, entschuldigte sich Rekabi auch für die Sorgen, die sie ausgelöst habe. Beobachter deuten die Entschuldigung als erzwungene Stellungnahme. Die iranischen Behörden üben regelmäßig Druck aus. Persischsprachige Medien berichteten zudem darüber, dass Rekabis Bruder festgenommen worden sein soll.

Das Nationale Olympische Komitee im Iran soll Garantien abgegeben haben, nachdem Rekabi keine Repressalien fürchten müsse. Rekabi sei "sicher in den Iran zurückgekehrt und bei ihrer Familie", teilte das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit.

Bei einem Treffen mit dem Weltkletterverband IFSC "erhielten IOC und dem IFSC klare Zusicherungen, dass Frau Rekabi keine Konsequenzen erleiden und weiterhin trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen wird. Nach dem Treffen fand auch ein Telefongespräch zwischen ihr, dem IFSC, dem iranischen NOK und dem IOC statt", teilte die Ringe-Organisation mit. Das IOC wolle "die Situation in den kommenden Tagen und Wochen in Abstimmung mit dem IFSC und dem iranischen NOK weiterhin genau beobachten".

Rekabi belegte am Sonntag in Seoul den vierten Platz. Im vergangenen Jahr holte sie bei der Weltmeisterschaft in Moskau im Kombinationswettbewerb die Bronzemedaille.

Seit Ausbruch der landesweiten Proteste im Iran Mitte September haben bereits mehrere prominente Sportlerinnen und Sportler das islamische Herrschaftssystem wegen der Unterdrückung der Frauenproteste kritisiert und ihre Solidarität mit den Demonstranten verkündet. (luza, APA, 19.10.2022)