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In immer mehr Unternehmen könnte das Büro an einem Freitag leer stehen.

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TGIF. Das war vor der Pandemie noch ein fröhlicher Freitagsgruß – "Thank God it’s Friday". Das klingt mittlerweile nach der Welt von gestern, als neun bis fünf, fünf Tage die Woche, die "normale" Arbeitszeit war. Vielleicht konnten ein paar Privilegierte es sich in teuren Eckbüros anders richten und die Gleitzeit über die Norm strecken. Jetzt probieren immer mehr Länder und Unternehmen aus, wie sie dem Wunsch ihrer vielgesuchten Arbeitskräfte und Fachleute besser entsprechen könnten – nämlich vier Tage für den Job. Und der Rest für den Rest. Und das sind längst nicht nur Bürogeher, sondern Tischlereien, Gewerbebetriebe, Wirtschaftsprüfungen. Von Skandinavien bis Großbritannien laufen (oder liefen bereits) Pilotprojekte mit Branchenmix.

Dass vier Tage reduzierte Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich bedeuten, ist in diesem großen Reduktionslabor eher die Seltenheit. Überwiegend geht es um das Zusammenschieben der jeweiligen Normalarbeitszeit auf vier Tage. Die Produktivität soll jedenfalls nicht sinken. Die Arbeit auf mehr Menschen zu verteilen, das ist überwiegend nicht das Ziel. Bis jetzt sind aber auch hier – nach kurzem Experiment – die Rückmeldungen positiv. Offenbar sind sehr viele Menschen sehr froh, an drei Tagen der Woche mit ihrem (Haupt-)Arbeitgeber nichts mehr zu tun zu haben. Unerwünschte Nebenwirkungen sind noch nicht erfasst.

Die neue Organisation als Geschäftsmodell

Die Angestellten von eMagnetix arbeiten nur 30 Stunden in der Woche.
Foto: Alexander Kaiser, Lichtlinien

Nur 30 Stunden, und das bei vollem Lohnausgleich? Dieser Traum wurde für die Angestellten bei eMagnetix, einer Onlinemarketingagentur in Oberösterreich, vor vier Jahren wahr. Sie arbeiten nun siebeneinhalb Stunden pro Tag, und das nur vier Tage die Woche. Das Unternehmen hat sehr positive Erfahrungen mit diesem Modell gemacht. Seit sie die Viertagewoche eingeführt haben, melden sich wesentlich mehr Bewerber auf die Stellenangebote als davor. Zudem stieg die Mitarbeiterzufriedenheit, weil sie nun mehr Freizeit haben und das Gleiche bezahlt bekommen, wie als sie 40 Stunden gearbeitet haben. eMagnetix hat die Viertagewoche im Oktober 2018 eingeführt und war damit nach eigenen Angaben das erste Unternehmen in Österreich, was den gleichen Lohn bei Stundenreduktion eingeführt hat. Seit März 2022 verkauft eMagnetix seine positiven Erfahrungen mit dem Modell an andere Unternehmen und bietet Beratungen unter dem Hashtag 30SindGenug an.

Bloße Umverteilung der Arbeitszeit

Die Wiener Linien testen die Viertagewoche.
Foto: Wiener Linien / Zinner

Als erstes großes österreichisches Unternehmen erproben die Wiener Linien im laufenden Herbst mit 300 Mitarbeitern die Viertagewoche. Die 37,5 Stunden Arbeitszeit sollen dann auf vier Tage aufgeteilt werden – ohne Gehaltskürzungen. Mit der Viertagewoche scheinen neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angelockt werden zu sollen, weil es in nächster Zeit zu massiven Pensionierungswellen bei den Wiener Linien kommt. Über 600 neue Mitarbeiter werden gesucht, auch um flexiblere Arbeitszeiten zu ermöglichen. Das Pilotprojekt wird in allen Arbeitsbereichen ausprobiert, auch wenn es in der Verwaltung wesentlich leichter umzusetzen sei als im Fahrdienst. Es ist jedoch eher eine Umverteilung der Arbeitszeit als eine echte Arbeitszeitverkürzung, wie sie in manchen Betrieben mit Viertagewoche umgesetzt wird. Es werden von den Angestellten nun jeden Tag über neun Stunden zu arbeiten sein anstatt wie davor siebeneinhalb Stunden.

Attraktiv wegen nur vier Arbeitstagen

Im 25-Hours-Hotel in Wien haben sich nach einer Testphase 90 Prozent der Angestellten für die Viertagewoche entschieden.

Auch die 25-Hours-Hotels haben in ihren Standorten in Österreich, Deutschland und der Schweiz die Viertagewoche eingeführt. Jedoch auf freiwilliger Basis. Nach einer erfolgreichen Testphase von November 2021 bis Februar 2022 konnten sich die Angestellten zwischen vier Arbeitstagen in der Woche und fünf entscheiden. Die 36 Stunden werden nun auf vier Tage aufgeteilt, was für die Mitarbeitenden neun Stunden tägliche Arbeitszeit bedeutet. Das Gehalt bleibt gleich. 75 Prozent aller Angestellten haben sich für die Weiterführung der Viertagewoche entschieden, am Standort in Wien seien es sogar 90 Prozent, wie eine Sprecherin der Hotelkette mitteilt. Auch erste positive Entwicklungen gebe es bereits – es bewerben sich wesentlich mehr Personen auf die freien Stellen trotz Fachkräftemangels, heißt es aus dem Beherbergungsbetrieb. In allen Bereichen komme die Viertagewoche gut beim Personal an, zum Teil bewerben sich Personen gerade wegen des neuen Arbeitszeitmodells, meint eine Sprecherin des Unternehmens.

Es kann auch in der Produktion klappen

Die Firma Unterweger zeigt, dass eine Viertagewoche nicht nur im Büro geht.
Foto: Unterweger

Viertagewoche in der Produktion? Dass das möglich ist, zeigt die Latschenölbrennerei Unterweger in Osttirol. Der Betrieb wurde bereits 1886 gegründet und produziert Öle und Kosmetikprodukte auf Grundlage der Latschenkiefer. Seit Oktober 2017 startet das Wochenende für die rund 60 Mitarbeitenden schon am Donnerstag. Von den positiven Erfahrungen durch die Viertagewoche in Skandinavien inspiriert, starteten die Unterweger-Brüder ihr Pilotprojekt. Die Angestellten arbeiten nun neun Stunden an vier Tagen in der Woche. Die ursprüngliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden wurde durch die Umstellung auf 36 Stunden reduziert – bei vollem Lohnausgleich. Die Brüder Unterweger ziehen eine positive Bilanz: Die Produktivität sei gestiegen, und obwohl die Tage jetzt arbeitsintensiver seien, auch die Zufriedenheit und Motivation der Angestellten.

Viertagewoche? Ja, aber nicht für alle

Büroangestellte bei Lidl testen aktuell die Viertagewoche.
Foto: REUTERS

Der Einzelhändler Lidl testet seit Frühjahr dieses Jahres als erste Supermarktkette die Viertagewoche. Für ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Österreich wurde die Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf vier Tage umverteilt. Dies betraf jedoch nur die Büromitarbeiter und nicht diejenigen, die in den Filialen arbeiten. Lidl gab damit dem Wunsch der Mitarbeiter nach flexibleren Arbeitszeiten nach. Da der Test aktuell noch laufe, könne man keine genaueren Auskünfte geben, so ein Pressesprecher von Lidl.

Freitags frei nach Testlauf

Mitarbeitende bei epunkt arbeiten künftig nur noch 34 Stunden an vier Tagen in der Woche.
Foto: epunkt

Aus einem Sommertestlauf wird im Herbst bei dem Recruitingunternehmen ePunkt ein fixes Arbeitszeitmodell: Der Freitag bleibt langfristig frei – und das bei vollem Lohnausgleich. Ob die Umsetzung ein Erfolg ist, wurde an zwei Parametern gemessen: Einerseits sollte die Attraktivität als Arbeitgeber steigen, andererseits die Produktivität im Unternehmen gleichbleiben. "Wir sind zum Magnet für neue Kandidatinnen und Bewerber geworden. Gleichzeitig entwickelt sich die Viertagewoche zum Kleber für unsere bestehenden Mitarbeiter", bilanziert CEO Daniel Marwan. Die Produktivitätswette konnte jedoch nicht gewonnen werden. Trotz der Nichterreichung dieses Zieles will die Geschäftsführung an der verkürzten Arbeitswoche festhalten – künftig aber mit 34 statt 32 Wochenstunden. Der Grund: Man wolle lieber mit gut ausgebildeten und erholten Mitarbeitenden an der Produktivität schrauben, als über Fluktuation zu grübeln. (Karin Bauer, Anna Steiner, 24.10.2022)