Der Intendant der Wiener Festwochen, Christophe Slagmuylder, geht.

APA

Es ist wohl eine Flucht nach vorne: Der Intendant der Wiener Festwochen, Christophe Slagmuylder, übernimmt ab Mitte des nächsten Jahres die Direktion des interdisziplinären Palais des Beaux-Arts (Bozar) in Brüssel. Der 55-Jährige kehrt damit in seine Heimatstadt zurück, wo er viele Jahre das Kunstenfestivaldesarts kuratierte.

2018 war der belgische Festivalleiter von der Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler in einer Hauruckaktion zuerst interimistisch, ab 2019 dann für fünf Jahre zum Festwochen-Leiter gemacht worden, nachdem man sich vom glücklosen Kurzzeitintendanten Tomas Zierhofer-Kin unsanft verabschiedet hatte.

Jetzt geht auch Slagmuylder, und das nach nur vier Festivalausgaben und obwohl sein Vertrag bis 2024 gelaufen wäre. Eine Verlängerung seines Vertrags um weitere fünf Jahre (die Ausschreibung der Festivalleitung endet diesen Freitag, Slagmuylder hatte angekündigt, sich ein weiteres Mal bewerben zu wollen) wurde zuletzt aber immer fraglicher. Erst am Wochenende wurden via Kurier die schlechten Auslastungszahlen der diesjährigen Festwochen bekannt.

Schlechte Kennzahlen

Hatte man 2015 noch rund 53.000 Karten aufgelegt, waren es in diesem Jahr nur mehr rund 35.000, wovon etwas über 29.000 verkauft werden konnten. Zum Vollpreis setzten die Festwochen allerdings nur rund 15.000 Karten ab, das sind 43 Prozent. Der Rest wurde verbilligt oder als Freikarten abgegeben.

Diese arithmetischen Kennzahlen spiegeln die Unzufriedenheit mit der Programmierung des Festivals wider, das zunehmend auf kleinformatige und interdisziplinäre Theater- und Musikformate gesetzt hatte. Klassisches Theater spielte bei Slagmuylder kaum eine Rolle, von der Musiktheaterschiene hatte man sich bereits unter seinem Vorgänger verabschiedet. Slagmuylder setzte dafür auf eine stark dezentrale Programmierung des mit 10,7 Millionen Euro dotierten Festivals, neue Publikumsschichten versuchte er mittels Kooperationen mit anderen Wiener Kultureinrichtungen zu erreichen. Wirklich gelingen wollte das aber nicht, Highlights gab es während seiner Intendanz wenige. Die Corona-Pandemie hatte eine Ausgabe des Festivals komplett verunmöglicht, eine weitere wurde in einer gestreckten Schrumpfversion abgehalten. Interne Konflikte in der Festwochen-Organisation dürften zusätzlich beim vorzeitigen Abgang eine Rolle gespielt haben.

Es positiv sehen

Nichtsdestotrotz versuchten am Mittwochnachmittag alle Beteiligten Haltung zu wahren: "Für mich war die Programmierung dieses bedeutenden internationalen Festivals eine große Ehre", ließ Slagmuylder in einer Aussendung wissen. Für das Programm der Festwochen im kommenden Frühjahr wird Slagmuylder noch verantwortlich zeichnen.

Die Kulturstadträtin kündigte indes an, die Ausschreibung des Intendantenposten neu aufsetzen und wiederholen zu wollen. Kaup-Hasler deutete in einer Stellungnahme den verfrühten Abgang des Intendanten als positives Zeichen: "Die Bestellung von Christophe Slagmuylder ans Bozar zeigt, wie die Wiener Festwochen über die Grenzen des Landes hinaus als urbanes zeitgenössisches Festival und kultureller Leuchtturm strahlen."

Slagmuylders Abgang bedeutet auch für Kaup-Hasler eine empfindliche Schlappe: Schließlich war er ihre bisher prominenteste Personalentscheidung. (Stephan Hilpold, 19.10.2022)