Schon das achte Gebot erteilt dem Lügen bekanntlich eine klare Absage. Die Wahrheit zu sagen ist nicht nur nach gesellschaftlichem Konsens wünschenswert, sondern auch aus moralischer Sicht eine sichere Bank. Und angelogen zu werden fühlt sich erfahrungsgemäß niemals gut an – ganz egal wie nobel die Absichten dahinter sein mögen.

Adolph Freiherr Knigge, auf den der bekannte gleichnamige Benimmratgeber zurückgeht, hat die Sinnlosigkeit der Lüge relativ kompromisslos auf den Punkt gebracht: "Es gibt keine Notlügen; noch nie ist eine Unwahrheit gesprochen worden, die nicht früh oder spät nachteilige Folgen für jedermann gehabt hätte."

Ist es manchmal in Ordnung, nicht die Wahrheit zu sagen?
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Notlügen: Von Motivation und Zulässigkeit

Auch wenn (Not-)Lügen sprichwörtlich kurze Beine haben, kann es Gründe geben, es mit der Wahrheit nicht ganz so genau zu nehmen. Die Motivation dahinter ist vielgestaltig: Man greift zur Notlüge, um jemandes Gefühle nicht zu verletzen, Schaden abzuwenden, jemanden zu schützen oder auch einer Verlegenheit zu entgehen. Man möchte durch Flunkern Enttäuschungen vermeiden oder sich nicht nachsagen lassen, undankbar zu sein. Oftmals entsteht die so geäußerte Unwahrheit auch nicht als Produkt langwieriger perfider Überlegungen, sondern unter dem Druck, eine rasche Antwort auf eine unerwartete Frage geben zu müssen. Geht es um die Zulässigkeit einer Notlüge, ist vielleicht noch zu unterscheiden, ob man sie erzählt, um sich selbst oder um andere zu schützen. Letzteres kann als noblere Absicht angesehen werden, als wenn es einem nur mehr oder weniger egoistisch darum geht, die eigene Haut zu retten.

Lügen aus "Höflichkeit": Ist das okay?

Notlügen können in Smalltalk-Situationen geäußert werden, wenn man etwa dem Gegenüber beim besten Willen nicht verraten will, wie schlecht es einem in Wahrheit geht. Oder man hat vielleicht schlichtweg keine Lust auf ein Treffen mit einem Familienmitglied und schiebt daher angebliche andere Pläne vor. Möglicherweise hat man einen kulturellen Event besucht, bei dem jemand aus dem Freundeskreis tatkräftig mitgewirkt hat, und sagt lieber nicht klar und deutlich, wie wenig es einem gefallen hat. Vielleicht ist man zu einem aufwendigen selbstgekochten Essen eingeladen, das einem so gar nicht schmeckt, möchte aber Koch oder Köchin nicht beleidigen.

Notlügen können in Fällen wie diesen dazu dienen, Konflikte zu vermeiden und ein gewisses Maß an Harmonie zu gewährleisten. Dennoch stellt sich die Frage, ob ein friedvolles Miteinander, das auf derlei Unehrlichkeiten basiert, wirklich so erstrebenswert ist.

Wie ist das bei Ihnen?

In welchen Fällen haben Sie selbst schon zur Notlüge gegriffen? Welche Umstände können es für Sie rechtfertigen, von der Wahrheit abzuweichen? Waren Sie umgekehrt schon einmal Opfer einer Notlüge – und wie sind Sie damit umgegangen, als Ihnen das klar wurde? Berichten Sie im Forum! (Daniela Herger, 24.10.2022)