Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) weist die für ihn belastenden Aussagen zurück.

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Er bekleidet nicht nur das zweithöchste Amt im Staat, sondern ist neben Klubobmann August Wöginger (ÖVP) der einzige noch amtierende Politiker, der von Thomas Schmid in seinem umfangreichen Geständnis belastet wird: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Es sind gänzlich neue Vorwürfe, die nun gegen ihn publik wurden. Niedergeschrieben sind sie auf sieben Zeilen auf Seite acht des 454-seitigen Einvernahmeprotokolls. Sobotka soll bei Schmid interveniert haben, Steuerprüfungen bei der "Alois-Mock-Stiftung oder beim Alois-Mock-Institut" sowie bei der "Erwin-Pröll-Stiftung" abzustellen – mit dem Hinweis, dass das "nicht sein könne", wie sich Schmid erinnert. Die Sache sei dann schließlich auch ganz in Sobotkas Sinne erledigt worden.

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DER STANDARD

Sobotka: Vorwürfe "haltlos"

Sobotka wehrt sich gegen die für ihn belastenden Aussagen: "Die Vorwürfe gegen mich sind vollkommen haltlos, und ich weise diese strikt zurück." Er spricht von einem "Anschwärzen" durch Schmid, damit dieser den Kronzeugenstatuts erhalte. Das Alois-Mock-Institut, dessen Präsident Sobotka war, war bereits mehrfach Thema im U-Ausschuss. Mittlerweile wurde der Verein, der etwa wegen Zahlungen des Glücksspielkonzerns Novomatic für Schlagzeilen sorgte, aufgelöst. Gegenüber dem "Kurier" erklärte Sobotka, er werde Schmid "rechtlich belangen".

Bereits im März diesen Jahres wurde außerdem publik, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Sobotka in einer ganz anderen Causa als Beschuldigten führt. Ermittelt wird gegen ihn wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs. Anlass ist eine Postenbesetzung bei der Wiener Polizei im Jahr 2017: Andrea Jilek soll von der ÖVP als Wiener Vizelandespolizeidirektorin verhindert worden sein, weil sie als SPÖ-nahe galt. Chats legen nahe, dass Sobotka als damaliger Innenminister in die Angelegenheit involviert war. Von der WKStA einvernommen wurde Sobotka dazu bislang nicht. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Laute Rufe nach Rücktritt

Auch die Befragungen im U-Ausschuss wurden am Mittwoch von der Causa prima überschattet. Die Aussagen Schmids lieferten der Opposition und den Grünen neue Munition, einmal mehr den Rückzug Sobotkas vom Vorsitz zu fordern. Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli sieht nun endgültig die Zeit gekommen, dass dieser seinen Vorsitz zurücklegt, es liege in Sobotkas Hand, "Schritte zu setzen". "Wie lange wird Sobotka noch den Vorsitz führen?", fragte SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer tags zuvor auf Twitter. Angesichts der Aussagen Schmids schlussfolgerte er: "Eigentlich kann jetzt nicht einmal mehr Sobotka glauben, dass er noch den Vorsitz im #OevpUA führen kann!" FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker wiederum fürchtet, dass Sobotka die Angelegenheit "neuerlich aussitzen" werde. ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger hingegen ortete ein "Anpatzen, wie es schon sehr oft gemacht worden ist".

Geht es nach der Opposition, soll Sobotka aber auch gleich als Nationalratspräsident zurücktreten. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried bezeichnete diesen als "untragbar im zweithöchsten Amt der Republik". Auch laut FPÖ-Chef Herbert Kickl sei es "unmöglich, dass er weiterhin im Amt bleibt".

Abwahl gesetzlich nicht möglich

Sobotka müsste jedenfalls freiwillig gehen. Die Möglichkeit, einen Nationalratspräsidenten vorzeitig und gegen seinen Willen abzusetzen, sieht die Geschäftsordnung des Nationalrats nicht vor. In der Vergangenheit gab es bereits Bestrebungen, die Geschäftsordnung dahingehend zu ändern, dass eine Abwahl mit einer Zweidrittelmehrheit möglich wäre. Zuletzt wurde dies vor zehn Jahren diskutiert, daraus geworden ist allerdings nichts. (Sandra Schieder, 19.10.2022)