Wolfgang Sobotka hat auf die Geständnisse des Thomas Schmid, die ihn schwer belasten, reagiert. Und er hat es auf erwartbare Weise getan: Schmid wolle ihn nur "anschwärzen", um Kronzeugenstatus zu erlangen, schrieb er in einer knappen Stellungnahme. Die Vorwürfe seien haltlos, er weise sie strikt zurück. Und Sobotka machte klar: Er denke gar nicht daran zurückzutreten – weder als Erster Nationalratspräsident noch als Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Thema ÖVP-Korruption.

Diese Reaktion ist stimmig im Gesamtbild, das Sobotka als Ausschussvorsitzender gegeben hat. ÖVP und Korruption? Hier einen Zusammenhang auch nur laut zu denken war für ihn schon Ordnungsruf-würdig. Die Überlegung, ob er selbst höchst inkorrekt agiert haben könnte, wäre für ihn wohl noch absurder. Sobotka lebt in der ehernen Überzeugung, dass ein schwarz-türkiser Politiker aus Niederösterreich ein guter Politiker ist – egal, mit welchen Mitteln zum Zweck er Politik macht. Zu Recht moniert Sobotka freilich, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Schmids Aussagen erst einmal beweisen müsse. Eine belastende Aussage ist noch kein Sachbeweis.

Von Thomas Schmid schwer beschuldigt: August Wöginger und Wolfgang Sobotka.
Foto: APA / Schlager

Würde des Hauses?

Allerdings ist das Amt des Nationalratspräsidenten das zweithöchste politische Amt der Republik, nach dem des Bundespräsidenten. Zu den vornehmsten Aufgaben jedes Amtsinhabers gehört es nicht nur, den Nationalrat, die gewählten Vertreter des Volkes, nach außen zu vertreten. Der Nationalratspräsident muss auch darauf achten, dass Würde und Rechte des Hauses gewahrt werden. Dazu gehört das Recht der Opposition, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.

Dass Sobotka als Ausschussvorsitzender bis dato sehr oft im Sinne der ÖVP agiert hat, ist schon ungeheuerlich. Nun aber, mit solchen Vorwürfen konfrontiert, nicht zurücktreten oder zumindest die parlamentarischen Ämter ruhen lassen zu wollen – das grenzt an Missachtung von Rechtsstaat und Republik. Wie steht es um die Würde des Parlaments, wenn seinem obersten Vertreter vorgeworfen wird, eine Steuerprüfung für ein ÖVP-Institut erfolgreich verhindert zu haben? Allein der Verdacht sollte für einen glühenden Parlamentarier, als der sich Sobotka selbst sieht, ausreichen, um alles zu tun, Schaden von Parlament und Staat abzuwenden.

Achtung vor der Justiz?

Doch dieser moralische Kompass einer staatstragenden Partei ist der ÖVP offenbar insgesamt abhandengekommen. Auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger, ebenfalls von Schmid schwer beschuldigt, tut bis dato so, als wäre nichts gewesen. Man beachte zudem die Reaktion des ÖVP-Fraktionsführers im U-Ausschuss Andreas Hanger, der die WKStA einmal mehr attackierte. Hanger ist diesbezüglich notorisch, er hat die Korruptionsermittler schon einmal als "linke Zellen" bezeichnet. Achtung vor dem Rechtsstaat? Nein, eher nicht. Auch dass seit dem Bekanntwerden von Schmids Aussagen ÖVP-Funktionäre unter der Hand trommeln, die WKStA habe Schmid quasi verlockt zu Aussagen, die sie gerne hören wollte, ist schwer bedenklich.

Problem gelöst!

Interessant auch die Reaktion von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler: Sie meinte in einer ersten Stellungnahme, die ÖVP habe aus der Ibiza-Affäre bereits die erforderlichen Konsequenzen gezogen, denn: "Es gab Rücktritte." Eh. Aber die allein werden nicht ausreichen, die ÖVP aus dem Sumpf zu ziehen, in den sie sich begeben hat. (Petra Stuiber, 20.10.2022)