In den vergangenen Jahren warfen Investoren förmlich mit Geld um sich, wodurch viele Unicorns entstanden sind. Das ändert sich nun.

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Eines muss man der Start-up-Szene lassen. Egal wie schlecht die wirtschaftlichen Umstände aussehen, der Blick in die Zukunft bleibt (zweck)optimistisch. Während der Finanzkrise vor rund 15 Jahren seien etwa Whatsapp, Airbnb und Bitcoin entstanden, in Krisen gebe es immer die Chance für neue Geschäftsmodelle – so lautete am Mittwoch der Tenor bei der Wiener Investorenkonferenz Invest Austria, veranstaltet von den beiden Investorenverbänden Austrian Angel Investors Association (AAIA) und Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (Avco).

Üblicherweise gibt es auf solchen Vernetzungsveranstaltungen viel Eigenlob von und für innovative Start-ups sowie deren Financiers, kombiniert mit Kritik an Regierung und überbordender Bürokratie. Doch im Vordergrund steht dieses Mal die Krise. Die Inflationsrate lag im September erstmals seit 70 Jahren bei über zehn Prozent, die Zinswende ist in vollem Gange, und die Aktienmärkte rasselten in den vergangenen Monaten in den Keller. In einem solchen Umfeld sitzt auch das Risikokapital nicht mehr so locker wie in den vergangenen Jahren.

Wählerischere Investoren

"Es kommt am Investmentmarkt momentan zu einer Normalisierung, die letzten beiden Jahre bewegten sich bereits in völlig abgehobenen Sphären", sagt die Investorin Aleksandra Laska von der Schweizer Venture-Capital-Firma Redalpine. "Geldgeber werden wählerischer, Investments längerfristig angelegt, und ein wirklich nachhaltiges Geschäftsmodell rückt wieder verstärkt in den Vordergrund."

Es befinde sich nach wie vor viel Geld im Markt, doch Gründerinnen und Gründer müssten sich besser profilieren, um an Finanzierungen zu kommen. Das sah besonders in den vergangenen beiden Jahren teilweise ganz anders aus. Oft wurden innerhalb weniger Tage millionenschwere Deals abgeschlossen, wodurch es nicht nur in den USA, sondern auch in Europa immer mehr sogenannte Unicorns gab – das sind Start-ups mit einer Unternehmensbewertung jenseits der Milliarden-Dollar-Marke.

Überhöhte Bewertungen

"Die überhöhten Bewertungen waren ein Ergebnis davon, dass sehr viel Geld im Markt war", sagt Nina Wöss, die Avco-Vorstandsvorsitzende. Investoren hätten sich teilweise überbieten müssen, um überhaupt an einen Deal zu kommen. "Man sieht schon deutlich, dass hier Tempo rausgenommen wurde, wieder mehr verhandelt und auf eine bessere Due Dilligence geachtet wird."

Viele Unternehmen kämpfen gerade damit, ihre Liquidität zu sichern. Deswegen kommt es vermehrt zu Massenkündigungen, wie etwa im Sommer bei Bitpanda. Auch wenn die Trading-Plattform zuvor mehrere Investments im dreistelligen Millionenbereich eingesammelt hatte.

Trotz Krise mahnt Wöss, Tech-Investments jetzt nicht zu vernachlässigen. Das würde sich in ein paar Jahren rächen. "Es geht um viel mehr als ein paar große Finanzierungsrunden. Es geht um Arbeitsplätze der Zukunft. Wir brauchen Lösungen in der Klimakrise und im Energiesektor, all das wird sich nur technologisch lösen lassen." Unsere vielgepriesene Industrie müsse innovativ bleiben, und das sei nur mit den entsprechenden Arbeitskräften möglich.

Insolvenzen

Pleitewelle ist in Österreich zwar noch keine ausgebrochen, die Insolvenzzahlen in den ersten drei Quartalen näherten sich aber wieder dem Niveau von 2019 an. Konkrete Zahlen im Start-up-Bereich liegen für das heurige Jahr noch nicht vor. Mit Robo Wunderkind, Lumapod, Blue Sky Energy oder Tribespace traf es aber bereits ein paar prominente Namen der Szene. Konsumentinnen und Konsumenten sparen, vor allem im Bereich des Lieferservices wird sich das auswirken, erwartet Wöss. (Andreas Danzer, 20.10.2022)