Riesige Plakate von Starkickern wie Neymar (rechts) stimmen Doha auf die Endrunde ein.

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Die Boykottaufrufe gegen die WM werden vor allem in Europa (im Bild ein dänischer Aktivist) nicht verstummen.

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In Mexiko (im Bild Edelfan Caramelo) scheint das weniger Thema zu sein, 60.000 Fans werden in Katar erwartet.

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Frage: Was erhofft sich Katar von dieser WM?

Antwort: Weltweite Anerkennung, weltweite Präsenz. Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani setzt den Weg seines Vaters fort und versucht, Katar auf allen Ebenen bekannt zu machen. Eines der wichtigsten Werkzeuge für sein Nation-Branding ist der Sport – der soll Menschen das Land näher bringen.

Frage: Was bringt das alles der Fifa?

Antwort: Gegen 16 der 22 Fifa-Granden, die 2010 die Vergabe der WM beschlossen, gab es seither Vorwürfe oder Ermittlungen wegen Korruption oder Interessenkonflikten, Stimmenkauf wurde aber nie nachgewiesen. Einige damalige Exekutivkomitee-Mitglieder sind wegen anderer Causen vom Fußball verbannt. Fifa-Präsident Gianni Infantino wohnt mittlerweile in Katar. Bei aller Kritik muss man aber auch zugestehen: Es gibt auch im arabischen Raum viele Fußballverrückte, der globale Westen hat kein Erbrecht auf Fußball-Weltmeisterschaften. Trotz aller internen Querelen ist die WM für den ganzen arabischen Raum eine große Sache.

Frage: Welche Menschenrechtsverletzungen werden Katar vorgeworfen?

Antwort: Genug, um diese Geschichte im Alleingang zu füllen. Ausländische Bauarbeiter und Wachleute wurden und werden ausgebeutet und unter unwürdigen Bedingungen untergebracht, viele weibliche Hausangestellte werden wie Sklavinnen behandelt. Auch um Frauenrechte und Pressefreiheit ist es schlecht bestellt – allerdings stets besser als in den anderen Ländern der Golfregion.

VIDEO: Ende November startet in Katar die Fußball-Weltmeisterschaft. Die Veranstaltung wird von heftiger Kritik an den Arbeitsbedingungen tausender Gastarbeiter begleitet. STANDARD hat einen ehemaligen Arbeiter in Wien getroffen

DER STANDARD

Frage: Wurde die Situation der ausländischen Arbeitnehmer verbessert?

Antwort: Rechtlich ja, in der Realität nur teilweise. Die von der Staatsspitze verabschiedeten Reformen kommen nur teilweise auf Katars Baustellen an, viele Problemfelder sind auch nach jahrelangen Diskussionen nur im Gesetzestext repariert. Den direkt vom Staat oder vom WM-Organisationskomitee angestellten Arbeitern ergeht es tatsächlich besser, damit schmückt sich auch die Fifa gerne. Diese Gruppe ist aber eine winzige Minderheit, da in Katar viel über Unterlieferanten läuft.

Frage: Ist mit Protestaktionen zu rechnen?

Antwort: Ja. Unter den Teilnehmern scheint Dänemark die Führungsrolle einzunehmen. Der dortige Fußballverband minimiert seine Aktivitäten vor Ort, die Familien der Spieler fliegen nicht mit. Laut Pressesprecher Jakob Hoyer wolle man keinen "Profit für Katar" generieren. Auf den Trikots sind die Logos kaum zu sehen, Ausrüster Hummel schrieb: "Wir wollen bei einem Turnier, das tausende Gastarbeiter das Leben gekostet hat, nicht sichtbar sein." Das ist auch insofern originell, als Hummel vor einigen Jahren zwei katarische Klubs ausgestattet hat.

Frage: Wie viele Fans sind zu erwarten?

Antwort: Die Organisatoren rechnen mit 1,3 Millionen, werden könnten es aber weniger. Ein Rundruf von The Athletic unter den Fanklubs der europäischen Teilnehmer ergab ein klares Bild: Aus Europa kommen deutlich weniger Fans als bei früheren Großereignissen. Andernorts scheint die Reiselust größer zu sein, das mexikanische Außenministerium rechnet mit 60.000 Fans vor Ort. Auch die USA und Saudi-Arabien dürften präsent sein.

Frage: Wo sind die Fans untergebracht, wie kommen sie zu den Spielen?

Antwort: Neben klassischen Hotels gibt es Zeltlager, Kreuzfahrtschiffe, Containerdörfer und Quartiere in Nachbarländern. Das offizielle deutsche Fancamp ist beispielsweise in Dubai, zu den Matches kommen die dort Untergebrachten per Pendelflug.

Frage: Gibt es noch Hotelzimmer?

Antwort: Ja. Auf der Buchungsplattform der WM gibt es äußerst spartanisch eingerichtete Zimmer ab 80 Dollar pro Nacht. Wer seine Tickets nicht auf offiziellem Weg gekauft hat und sich deshalb auf dem freien Markt etwas suchen muss, wird gnadenlos ausgenommen.

Frage: Haben homosexuelle Fans in Katar etwas zu befürchten?

Antwort: Homosexualität ist in Katar illegal, laut WM-Boss Nasser Al Khater hätten aber auch händchenhaltende gleichgeschlechtliche Paare während der WM nichts zu befürchten. Diplomatenbriefings deuten darauf hin, dass die Obrigkeit schon allein aus PR-strategischen Gründen viele Augen zudrücken wird.

Frage: Apropos Augen zudrücken: Wie ist der Alkoholkonsum für Fans geregelt?

Antwort: Normalerweise gibt es Alkohol in Katar nur in Hotelbars – und das meist zu Mondpreisen. Während der WM wird auch in Fanzonen und rund um Stadien ausgeschenkt, für übermäßig Illuminierte gibt es Ausnüchterungszelte.

Frage: Was könnte schiefgehen?

Antwort: Trotz aller Investitionen bleibt die Infrastruktur ein Sorgenkind. Qatar Airways streicht vorübergehend 18 Destinationen, um den Flughafen zu entlasten, der alte Airport wurde reaktiviert. In einem Fachforum schlugen Insider nun Alarm, dass in letzter Minute angestelltes Flughafenpersonal nicht ausreichend geschult werde. Die Daily Mail zitierte aus einem düsteren Memo an Angestellte: "Wer nicht vollständig für den ultimativen Erfolg motiviert ist, könnte verdächtigt werden, die Pläne des Staates zu sabotieren." Auch deutlich simplere Sorgen werden im Ausrichterland geflüstert: Gibt es genug Waschmaschinen für tägliche Handtuchwechsel in Hotels? Hält die Wasserversorgung stand? Ist genug Nutella und Bier im Land?

Frage: Bei allem, was wir über die Klimakrise wissen: Wie geht sich so eine WM aus?

Antwort: Gar nicht. Immerhin sind die Wege während der WM kurz, doch der Bau von acht Stadien sprengt alle Budgets. Das Organisationskomitee kommuniziert 3,6 Millionen Tonnen CO2, selbst bei dieser immensen Zahl wird noch fleißig getrickst.

Frage: Was ist nach der WM mit den Stadien? Und waren die Klimaanlagen wirklich nötig?

Antwort: Bei den meisten wird der Oberrang zurückgebaut, von einer ansatzweise angemessenen Auslastung wird wohl trotzdem keine Rede sein. Die in sieben der acht Stadien verbauten Klimaanlagen sind für die WM verzichtbar, im November und Dezember sollten Dohas Temperaturen die 30-Grad-Grenze nicht überschreiten. Trotzdem sollen die Spielfelder auf 21 Grad gekühlt werden.

Frage: Man munkelt, es soll auch Fußball gespielt werden. Wer sind die Favoriten?

Antwort: Es könnte Südamerikas WM werden. Bei den Buchmachern ist Brasilien der Topfavorit, es folgen Frankreich und Argentinien, danach kommt eine europäische Armada. Auf dem Papier hätte der Titelverteidiger den stärksten Kader, das Innenleben der Equipe neigt aber zur Seifenoper. Eine Selbstzerfleischung ist nicht auszuschließen.

Frage: Wieso ist Österreich nicht dabei?

Antwort: Für das ÖFB-Team war im Playoff-Halbfinale mit 1:2 gegen ein überschaubar starkes Wales Endstation. (Martin Schauhuber, 20.10.2022)