Martin Thür und Kurz-Anwalt Werner Suppan bei der Motivforschung in der "ZiB 2".

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Warum sollte man eigentlich Sebastian Kurz in der Causa glauben? Auch der – von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Beschuldigter geführte – Ex-Kanzler hätte ja ein Motiv, die Unwahrheit zu sagen ... Diese Frage versuchte Martin Thür Mittwochabend mit Kurz' Anwalt Werner Suppan zu klären – und noch ein paar andere über Wahrheit und Wanzen.

"Es müsste objektive Beweise geben"

"Es müsste objektive Beweise geben", sagt Anwalt Suppan, und die Marktforscherinnen Sabine Beinschab und Sophie Karmasin hätten Kurz in ihren Aussagen entlastet. Und außerdem habe er nun ja das Transkript eines von Kurz mitgeschnittenen Telefonats mit Schmid im Oktober 2021, zwei Wochen nach den Hausdurchsuchungen, vorgelegt. Da erklärte Schmid selbst dem Ex-Kanzler, dass es keinen Auftrag gegeben habe und sich "die eine Geschichte zusammenbauen".

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Thür erinnert zur Beweislage: Es gebe Chats, Kalendereinträge. Die deuten auf Abläufe hin, wie sie Schmid inzwischen in 15 Tagen Befragungen vor der WKStA sehr deutlich geschildert hat, insbesondere dass er im Auftrag von Kurz gehandelt habe. Und er ordnet Suppan so ein: "Es ist Ihre legitime Aufgabe, Zweifel an den Aussagen von Thomas Schmid zu säen."

Das Telefonat wirft auch für "ZiB 2"-Moderator Thür Fragen auf: "Wenn Thomas Schmid Angst haben musste, dass Sebastian Kurz verwanzt ist, was hätte er dann für ein Motiv, Sebastian Kurz bei diesem Telefonat die Wahrheit zu sagen? Natürlich flunkert er ihn an oder sagt, was er glaubt, dass er hören will, wenn er glaubt, dass Sebastian Kurz verwanzt ist, er vielleicht eh schon ahnt, dass das aufgezeichnet wird." Denn sowohl Schmid als auch Kurz gingen bei einem anderen Treffen davon aus, dass der jeweils andere verwanzt sei.

"Lustiges journalistisches Narrativ"

Suppan greift auf diese Fragen da lieber erst einmal zum Wanzen-Thema: "Das ist vielleicht ein lustiges journalistisches Narrativ, wir reden hier ja nicht von Verwanzung, wir reden von einem Telefonat." Das habe auf dem Messengerdienst Signal stattgefunden, also von Abhören könne da keine Rede sein.

Und dann fragt Suppan gegen: "Was hätte er für einen Grund, hier etwas anderes zu sagen, wo er sich zum Teil da selbst belastet?"

Da wird es ungewohnt laut im "ZiB 2"-Studio, und Suppan holt weit aus mit seiner rechten Hand. Thür will eine Frage stellen und nimmt den einen oder anderen Anlauf. Suppan will lieber, immer lauter, loswerden, dass Schmid in dem Telefonat "Vorwürfe bestätigt, die gegen ihn erhoben wurden. Nur nicht in Richtung Kurz! Er bestätigt die Umfrage, er bestätigt ..."

Thür wollte eigentlich fragen, warum Schmid, wenn er von einem Mitschnitt ausgeht, Kurz die Wahrheit sagen sollte. "Sie meinen, dass er wieder einmal gelogen hat?", fragt Suppan. "In seiner eigenen Aussagen bestätigt er ja auch vor der WKStA, dieses oder jenes habe ich falsch geschickt, dieses oder jenes habe ich geschrieben, weil er es gern hören wollte. Es gibt hier viele Aspekte der Unwahrheit offensichtlich."

Das wäre eigentlich schon ein schönes Schlusswort. Auch wenn das Gespräch über Wahrheit und Lüge noch eine Weile weiterging.

Wer hat wo gelogen?

Thematisiert wurde das sogenannte Beinschab-Umfrage-Tool, das bis ins Jahr 2021 weiterging, auch nachdem sich Schmid nicht mehr im Finanzministerium darum kümmerte, sondern etwa ein Pressesprecher von Sebastian Kurz. Das bringt Thür zu dem Schluss: "Entweder Schmid und Beinschab lügen vor der Staatsanwaltschaft, oder der Pressesprecher von Sebastian Kurz hat seinen eigenen Chef viele Jahre angelogen."

"Ihre Fantasie müssen Sie etwas erweitern", entgegnet Suppan: Schmid beschreibe "hier sehr klar, dass es Zusammenhänge von Zahlung und Umfragen nicht gab". Da kann er nur den Telefonmitschnitt meinen, in der Aussage vor der WKStA spricht er sehr deutlich von einem solchen Zusammenhang zwischen Umfragen in "Österreich" im Sinne damaliger Prätorianer in der ÖVP, Berichterstattung und Geld mit Inseraten.

Und überhaupt, zu einer Chatnachricht an Kurz über Umfragen im besprochenen Sinne: Thomas Schmid habe vielen vieles mitgeteilt, ob sie es wollten oder nicht, sagt Suppan.

Es gibt noch viel Raum für Motivforschung und Wahrheitssuche. (fid, 20.10.2022)