Den Anstoß für die Reform hatte Elisabeth Lovrek, Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH), gegeben.

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An sich ist sich die Koalition einig, ein Gesetzesentwurf ist fast fertig. Geplant war, dass die Reform zur Nachbesetzung von Spitzenpositionen am Obersten Gerichtshof (OGH) ab nächstem Jahr steht – danach sieht es nun aber nicht aus. Dem Vernehmen legt sich die ÖVP quer. Grüne Regierungskreise und die Neos beklagen, dass die Türkisen blockieren. Warum, sei nicht klar, heißt es zum STANDARD.

Nachdem Anfang 2022 bekannt wurde, dass OGH-Vizepräsidentin Eva Marek in eine Chataffäre um mutmaßlichen Postenschacher verwickelt war, hatte OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek höchstselbst eine Reform bei der Vergabe der Spitzenpositionen am Höchstgericht gefordert, um jeden "Anschein einer Einflussnahme" auszuschließen.

Richterinnen und Richter des OGH werden vom Bundespräsidenten auf Empfehlung der Justizministerin ernannt. Im Vorfeld schlägt der Personalsenat des OGH drei geeignete Personen vor. Bei der Bestellung der Präsidentin und der beiden Vizepräsidenten des Gerichts ist das derzeit noch anders: Hier ist keine unabhängige Kommission eingebunden, die Entscheidung liegt direkt beim Ministerium und beim Bundespräsidenten.

"Verhandlungsmasse"

Im Mai 2022, mehrere Monaten nach Bekanntwerden der Chats, kündigte das Justizministerium unter Alma Zadić (Grüne) an, dass künftig ein Personalsenat nach Anhörung der Bewerberinnen und Bewerber einen Besetzungsvorschlag erarbeiten und ans Ministerium weiterleiten soll. Laut dem Gesetzesentwurf, der dem STANDARD vorliegt, soll dieser Personalsenat vom dienstältesten Präsidenten der vier Oberlandesgerichte geleitet werden. Mitglieder des Senats wären außerdem Vertreter des Personalsenats und des Außensenats des OGH.

"Der Entwurf müsste nur mehr ins Parlament geschickt werden", beklagt Neos-Justizsprecher Johannes Margreiter im Gespräch mit dem STANDARD. "Es ist immer das gleiche Theater, die ÖVP blockiert." Verhandlungsspielraum gebe es in dem Entwurf kaum. Entweder der Status quo bleibt, oder es gibt die Neuregelung. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der als Beamtenminister zuständig ist, wolle den Entwurf durchbringen. Die ÖVP soll das Thema aber als "Verhandlungsmasse" für andere Reformen verwenden – etwa für die geplante Generalstaatsanwaltschaft.

Verhandlungen laufen

In Sachen Generalstaatsanwaltschaft sind sich Zadić und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ja bekanntermaßen uneinig. Ziel der Reform ist es, die Weisungsspitze der Staatsanwaltschaften unabhängiger zu machen. Derzeit endete die Weisungskette beim Justizministerium. Die Neuregelung soll zu einer "Entpolitisierung" führen, wie es in einem Koalitionsabkommen heißt.

Im Detail gehen die Vorstellungen allerdings weit auseinander. Zadić unterstützt den Vorschlag einer Expertengruppe des Justizministeriums. Demnach soll an der Weisungsspitze künftig ein Gremium stehen, das die Justiz selbst nachbesetzt. Edtstadler will an der Spitze dagegen eine einzelne Person, die vom Parlament gewählt wird.

Nachbesetzungen stehen an

Die Interpretation der Neos, dass die ÖVP die Reform als Verhandlungsmasse für den Generalstaatsanwalt verwenden möchte, trifft laut grünen Regierungsinsidern nicht zu. Vielmehr soll Verfassungsministerin Edtstadler angespeist sein, weil sie sich beim Generalstaatsanwalt ausgebremst fühlt. Edtstadlers Büro sieht dagegen überhaupt keine "Uneinigkeit". Der politische Prozess laufe wie gewohnt. Derzeit liege das Vorhaben bei der Koordinierung innerhalb der Koalition.

Laut Neos-Mandatar Margreiter drängt jedenfalls die Zeit. Die bisherige OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek und der OGH-Vizepräsident Matthias Neumayr erreichen Ende 2023 ihr Pensionsalter. Damit müssen nächstes Jahr gleich zwei von drei OGH-Spitzenpositionen neu besetzt werden. (Jakob Pflügl, Renate Graber, 20.10.2022)