Ziel ist, auf den Rad-Langstrecken ein durchschnittliches Fahrtempo von 15 km/h zu ermöglichen. Zu jeder Tageszeit. Bei jedem Wetter.

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Wer in der Freizeit sportlich radelt, der kennt es: Bei flottem Treten ist binnen kurzer Zeit eine respektable Strecke zurückgelegt. Ehe man sich’s versieht, hat man das dicht verbaute Wien hinter sich gelassen und das weitläufige Umland erreicht. Oder eben umgekehrt. Da drängt sich der Gedanke auf: Warum größere Distanzen nicht auch im Alltag auf diese Weise zurücklegen – also mit dem Fahrrad pendeln?

Der Gedanke, dass derlei ein sinnvoller Beitrag zu umweltfreundlicher Fortbewegung sein könnte, hat bereits vor Jahren Einzug in die Wiener Verkehrsplanung gehalten. Ebenso die Einsicht, dass es dafür geeignete Infrastruktur braucht. In einem Konzept der Stadt von 2014, das die Mobilitätsstrategie Wiens festschreibt, wurde daher der Ausbau sogenannter Rad-Langstrecken fixiert.

Der etwas sperrige Begriff hat mittlerweile ein Makeover erfahren. Heute ist eher von Rad-Highways die Rede, ab und zu auch von Rad-Schnellwegen. Gemeint ist mit all diesen wohlklingenden Namen im Grunde dasselbe: Strecken, auf denen vom Zentrum über die Stadtgrenze hinaus in die Peripherie geradelt werden kann.

Das Wiener Rad-Langstrecken-Netz im Überblick.
Foto: DerStandard

Und zwar komfortabler und zügiger als im übrigen Radnetz. Die Stadt Wien hat sogar eine konkrete Geschwindigkeit festgelegt, Ziel ist ein durchschnittliches Fahrtempo von 15 km/h. Zu jeder Tageszeit. Bei jedem Wetter.

Eine Route komplett fertig

Die Crux dabei: Erst eine dieser Rad-Langstrecken ist bisher umgesetzt. Laut Stadt Wien wurde im Jahr 2018 die Route Süd vom Karlsplatz über Hauptbahnhof und Favoritenstraße bis Leopoldsdorf "in der gewünschten Qualität" fertiggestellt. Soll heißen: Die Wartezeit an den Ampeln auf der Strecke ist kurz, für Radfahrende gilt weitgehend Vorrang, die Radfahranlagen entlang der Route haben wenig enge Kurven und sind so breit, dass problemlos überholt werden kann.

Einen etwas konkreteren Aufschluss über die angestrebte Qualität gibt die technische Richtlinie Radverkehr, eine Handlungsanleitung für Planer. Demnach sollen auf Langstrecken Radwege, die in eine Richtung befahren werden, mindestens 2,6 Meter breit sein – sonst üblich sind 1,8 Meter. Weiters festgeschrieben sind eine gute Fahrbahnoberfläche, ausreichend Beleuchtung und eine Trennung vom Fußgängerverkehr.

Aus Sicht der Stadt ist es jedoch "nicht realistisch", dass eine gesamte Rad-Langstrecke diese Kriterien erfüllt. Ziel ist, dass diese auf 75 Prozent der Route "gut oder ausgezeichnet" umgesetzt werden.

Praxistest bestanden

Wie sich das in der Praxis anfühlt? Fast durchwegs angenehm, wie eine Testfahrt auf der Route Süd an einem sonnigen Samstag zeigt. Der 15-km/h-Schnitt ließ sich mit dem Gravelbike genau einhalten, das Sicherheitsgefühl ist hoch.

Besonders angenehm zu fahren sind der auffällig breite Radweg südlich des Verteilerkreises und die auch landschaftlich schmucken Abschnitte beim Liesingbach. Schwachpunkte sind der mickrige Radstreifen in der Himberger Straße und der schmale sowie teils holprige Radweg in der Argentinierstraße. Letzterer soll 2023 durch eine Fahrradstraße ersetzt werden.

Zwei weitere Highways bis 2025

Weitere Langstrecken nach diesem Vorbild in Richtung Westen und Norden sollen bis 2025 umgesetzt sein. Planungen gibt es bereits, allerdings ist stellenweise der genaue Verlauf offen. Die Route West soll von der Oper über Wienzeile und Hadikgasse nach Purkersdorf führen, die Route Nord von der Aspernbrücke über Praterstraße und Wagramer Straße nach Gerasdorf. Radinfrastruktur ist entlang beider Verbindungen (teils) schon jetzt vorhanden – jedoch nicht in ausreichender Qualität.

So soll die Praterstraße künftig aussehen.
Foto: 2021 ZOOMVP_Mobag Praterstrasse

In Abschnitten der Route Nord wird das derzeit geändert. In der Lassallestraße wird der bestehende Radweg verbreitert, in einem Teil der Wagramer Straße entsteht ein neuer. Nächstes Jahr kommen die Praterstraße und ein weiterer Abschnitt der Wagramer Straße an die Reihe.

Voran geht es auch bei einer Rad-Langstrecke nach Osten. Im heurigen Herbst haben die Arbeiten für Lückenschlüsse auf dem Weg nach Schwechat begonnen. Darüber hinaus gibt es Ideen für sechs weitere Highways. Deren Verläufe und Zeitpläne sind aber noch nicht im Detail ausgearbeitet.

Die Infrastruktur, die auf so manchen dieser Routen bereits vorhanden ist, ist jedenfalls vielversprechend: Richtung Klosterneuburg und Korneuburg etwa kann man auf einem breiten, asphaltierten Weg die Donau entlangradeln. Wenn wenige Spaziergänger unterwegs sind, lässt sich hier testen, wie sich 15 km/h nicht als Schnitt, sondern als Mindestgeschwindigkeit anfühlen. (Stefanie Rachbauer, 7.11.2022)