Eine russische Drohne, Sekunden vor dem Einschlag am Mittwoch in Kiew.

Foto: AP/Efrem Lukatsky

Gerade hat sich der Krieg Russlands gegen die Ukraine wieder zugespitzt. Der Aggressor, zunehmend in der Defensive, wehrt sich verzweifelt gegen seine Zurückdrängung. Dabei kommt laut der ukrainischen Regierung neuerdings ein besonders brutales Kampfmittel zum Einsatz: sogenannte Kamikaze-Drohnen, die sich bei der Detonation, die sie verursachen, selbst zerstören. Von Charkiw im Osten über Lemberg im Westen bis zum historischen Kern der Hauptstadt Kiew gingen die unbemannten Flugkörper auf Städte der Ukraine nieder, so wie etwa auch auf Kraftwerke. Laut der ukrainischen Zivilschutzbehörde wurden dabei mehr als 70 Menschen getötet und mehr als 240 verletzt.

2.500 Kilometer Reichweite, 185 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit, 200 Kilogramm Gewicht: Angeblich stammen diese Drohnen aus dem Iran (Typ Shahed und Mohajer), wo sie unter anderem von den dortigen Revolutionsgarden eingesetzt werden. Seit vergangenem August werden sie laut dem Weißen Haus zur Kriegsunterstützung nach Russland exportiert.

Das islamisch-fundamentalistische Regime in Teheran dementiert zwar offiziell den iranischen Ursprung der Drohnen. Doch unter internationalen Experten gilt deren Herkunft als gesichert. Einem aktuellen Reuters-Bericht zufolge bestätigen inzwischen sogar diplomatische Quellen im Iran selbst, dass man Drohnen an Russland liefere. Wie am Donnerstag überdies bekannt wurde, verhängt die EU Sanktionen gegen den Iran wegen der Drohnenlieferungen. Laut der tschechischen Ratspräsidentschaft wurden Vermögenswerte dreier Personen und einer Einrichtung eingefroren, die für die Drohnenlieferungen verantwortlich sein sollen.

Video: Iranische Kamikazedrohnen: Billig und gefährlich
DER STANDARD

Traditionsbetrieb in Gunskirchen

In Zusammenhang mit diesen Drohnen taucht immer wieder der Name eines österreichischen Unternehmens auf, von dem die Motoren der Kamikaze-Drohnen stammen sollen: die Firma BRP-Rotax mit Sitz in Gunskirchen in Oberösterreich. Der Traditionsbetrieb – gegründet im Jahr 1920, rund 1.500 Mitarbeiter, 1,6 Milliarden Euro Jahresumsatz, seit dem Jahr 1970 die Österreich-Tochter des kanadischen Bombardier-Konzerns – ist eigentlich auf Antriebssysteme im Motorsportbereich spezialisiert.

Doch die Produkte kommen offenbar auch in umstrittenen militärischen Bereichen zum Einsatz: Laut der Fachzeitschrift "Aviation Week" etwa sind die iranischen Shahed-129-Drohnen mit Rotax-Motoren ("Rotax 914") ausgestattet. Der Fernsehsender CNN berichtet dieser Tage über eine iranische Drohne, die ohne Schäden nahe Odessa ins Schwarze Meer gestürzt ist und von ukrainischen Behörden sichergestellt wurde. Fotos dieses Geräts wurden vom ukrainischen Militär-Branchenverband Ukroboronprom publiziert: Die Drohnen enthalten einen Rotax-Motor vom Typ 912iS.

Eine zerstörte Shahed-Drohne iranischer Bauart, gefeuert auf die ukrainische Stadt Kupjansk. Das Foto wurde von den ukrainischen Behörden veröffentlicht.
Foto: AP

Auch auf anderen Kriegsschauplätzen mit einem Konnex zum Iran dürften die Drohnen eingesetzt werden. Das geht zumindest aus Fotos in sozialen Netzwerken hervor, die nicht unabhängig überprüfbar und auch vom STANDARD nicht zu verifizieren sind. So verbreiten kurdische Aktivisten und Journalisten Fotos von abgeschossenen Drohnen im nördlichen Irak, mit denen angeblich die iranischen Revolutionsgarden auf Einrichtungen der kurdischen Peschmerga gefeuert haben. Auf dem Motor im Inneren der zerstörten Drohne eindeutig zu erkennen: der Schriftzug "Rotax".

Videoausschnitt des ukrainischen Militär-Branchenverbands Ukroboronprom aus dem Inneren einer Drohne, die angeblich nahe Odessa ins Meer stürzte
Videoausschnitt: Ukroboronprom

"Ausschließlich für die zivile Nutzung"

Was sagt Rotax zu alldem? Eine Unternehmenssprecherin übermittelte eine schriftliche Stellungnahme an den STANDARD. "Rotax-Flugmotoren werden ausschließlich für die zivile Nutzung hergestellt, konstruiert und zertifiziert", heißt es darin. "BRP-Rotax liefert keine Motoren direkt an Hersteller von unbemannten Luftfahrzeugen und hat keine vertraglichen Vereinbarungen mit diesen. Wir verkaufen Rotax-Flugmotoren über ein unabhängiges, weltweites Händlernetz. Unsere Motoren werden ausschließlich für zivile Zwecke entwickelt und produziert und sind von der zuständigen zivilen Regulierungsbehörde zertifiziert." In Bezug auf Russland heißt es: "Wir haben seit längerem alle Exporte von Motoren und Teilen nach Russland bis auf weiteres gestoppt."

Fest steht jedenfalls, dass der Export der Motoren grundsätzlich zulässig ist: Die Geräte gelten weder als Militärgüter noch als sogenannte Dual-Use-Güter, also solche, die sowohl für militärische als auch zivile Zwecke eingesetzt werden können. Damit ist der Export der Motoren weder verboten, noch muss er behördlich eigens bewilligt werden, wie es bei Dual-Use-Gütern der Fall wäre.

Dass sie dennoch auch in militärischer Hinsicht zum Einsatz kommen dürften, darauf jedenfalls gab es bereits im Jahr 2020 schwerwiegende Hinweise. Wie der STANDARD damals berichtete, wurden türkische TB2-Kampfdrohnen im Kampf gegen die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) und die mit ihr verbündeten syrischen Milizen eingesetzt, aber auch von Aserbaidschan im Konflikt um Bergkarabach mit Armenien. In diesen Geräten verbaut: ebenfalls Rotax-Motoren.

Untersuchung in Gunskirchen

Das Unternehmen gelobte daraufhin, genau auf eine etwaige missbräuchliche Nutzung zu achten, und verhängte einen Lieferstopp an "Länder mit unklarer Nutzung", wie Rotax damals bekanntgab. Dies galt für die Türkei und für den Iran.

Rotax ergreife seit dem Jahr 2020 "alle notwendigen Maßnahmen, um unsere internen Kontrollen zu verstärken und die Verwendung unserer Motoren in Konfliktsituationen in Zukunft zu verhindern", heißt es am Donnerstag in der Stellungnahme des Unternehmens an den STANDARD. "Wir nehmen diese Situation sehr ernst. Wir haben bereits eine Untersuchung mit unseren Distributoren eingeleitet und untersuchen die Situation mit einem Partner in der Ukraine, um die Quelle der Motoren zu ermitteln." (Joseph Gepp, 20.10.2022)