Die Sputnik-Bar bot viel Raum für Diskussionen.
Foto: Mafalda Rakoš

Klara hat es sich in einer Sitzecke der Wiener Sputnik-Bar bequem gemacht. Lukas lehnt an der Theke. Wenig später schneit Law mit Kopfhörern auf den Ohren herein, sichtlich müde, bisschen früh, der Termin. Ein Teilnehmer fehlt, eine halbe Stunde später ist klar: Absage Nummer zwei innerhalb von 24 Stunden. Gesprächsrunden zu organisieren ist auch im Herbst 2022 nicht so leicht. Diskutiert wurde trotzdem, darüber, wie junge Menschen heute arbeiten und leben wollen. Die Runde: Law Wallner (22) ist Schauspielerin und Musikerin. Klara König (23) studiert Psychologie und arbeitet für die Klimaschutzbewegung Fridays for Future. Lukas Meixner (26) hat Soziologie studiert, momentan macht er ein Praktikum bei einer Fotografin.

STANDARD: Law, du bist Musikerin, Moderatorin, als Schauspielerin kann man dich im Film "Sonne" im Kino sehen. Ist das ein Leben, wie du dir das vorgestellt hast?

Law: Schon, ich mag es, Aufmerksamkeit zu bekommen. Perfekt wäre, wenn ich ein bisschen mehr Geld verdienen würde. Künstlerische Tätigkeiten sind oft unterbezahlt.

STANDARD: Wenn du dich auf eine Tätigkeit festlegen müsstest, was wäre das?

Law: Schauspielerei. Ich schlüpfe gern in andere Rollen. Vor der Kamera kann ich alles sein, egal ob Fußballstar oder Musikerin. Allerdings wird man auch festgelegt auf die Rollen, die man spielt.

STANDARD: Klara, wolltest du schon immer Aktivistin werden?

Klara: Überhaupt nicht. Ich war, bis ich 18, 19 war, in der Musikszene unterwegs. Dann habe ich angefangen, Psychologie zu studieren. Politischer Aktivismus war damals nicht meine Welt. Engagiert habe ich mich erst später.

Law: Ich habe als Kind am allerliebsten mit den Matchbox-Autos von meinem Dad auf diesen Autoteppichen gespielt: Ich habe davon geträumt, Autodesignerin zu werden.

Lukas: Ich wollte Fußballspieler werden, den Plan habe ich aber fallen gelassen. Wo ich hinwill, habe ich erst spät entdeckt. Schwierig war für mich, dass es um mich herum viele Leute gab, die seit der Volksschule wussten, dass sie in die Fußstapfen ihrer Eltern treten wollen. Zum Beispiel, um Lehrer zu werden.

Lukas Meixner, Klara König und Law Wallner (von links) in der Wiener Sputnik-Bar.
Foto: Mafalda Rakoš

STANDARD: Teilt ihr Laws Begeisterung, auf der Bühne zu stehen?

Lukas: Im kleinen Rahmen wie bei einem Karaokeabend stehe ich gern im Rampenlicht. Als nichtöffentliche Person kann ich das aber auch entspannter sehen: Ich werde nicht für Inhalte, für die ich stehe, kritisiert.

Klara: Als Aktivistin kann es sogar gefährlich sein, zu sehr im Fokus zu stehen. Deswegen gibt es in Österreich bei Fridays for Future mehrere Ansprechpersonen. Das Thema und die Bewegung brauchen Aufmerksamkeit, nicht ich. Dieser Personenkult wird der Komplexität unserer Anliegen nicht gerecht.

STANDARD: Haben Greta Thunberg oder Luisa Neubauer die Bewegung nicht auch gestärkt?

Klara: Sicher, sie führen deshalb aber auch ein völlig anderes Leben. Ich habe die beiden im vergangenen Jahr bei der Weltklimakonferenz in Glasgow auf dem Streik kennengelernt. Sie haben mittlerweile Securitys, die darauf achten, dass sie nicht mit Glasflaschen beworfen werden. Dieses Leben haben sie sich nicht ausgesucht.

DER STANDARD

STANDARD: Law, wie gehst du mit öffentlicher Aufmerksamkeit um?

Law: Als linke und queere Frau will ich meine Momente auf der Bühne nutzen, um Stellung zu beziehen. Beim Frequency-Festival habe ich nach dem Konzert die fehlende Frauenquote thematisiert. Nach solchen Statements spürt man sehr schnell den Druck von oben.

STANDARD: Es heißt, die Generation Z inszeniere sich gern auf Social Media. Stimmt das?

Law: Menschen, die sich selbst inszenieren, gab es immer schon. Das Medium hat sich verändert. Früher hat man die Aufmerksamkeit in der Klasse bekommen, jetzt holt man sie sich im Internet. Deshalb bekommt die Öffentlichkeit das mehr mit. Dabei entsteht vieles auf Social Media aus einer Unsicherheit heraus. Könnt ihr euch erinnern, wie Leute, denen es schlecht ging, auf Snapchat schwarze Screens gepostet haben?

Klara: Ich mache Pressearbeit und Social Media für Fridays for Future. Tiktok ist besonders wichtig, um die Jungen zu erreichen. Dass ich das nicht so leicht aus dem Ärmel schüttle wie Instagram, mag an meinem Alter liegen.

Lukas: Ich bin privat auf Instagram aktiv, apropos: Ab wie vielen Followern und Followerinnen gilt man eigentlich als Influencer? (Lachen)

Statt Psychologie weiterzustudieren, arbeitet Klara erst einmal für Fridays for Future. Nicht alle ticken wie sie.
Foto: Mafalda Rakoš

STANDARD: Klara, bezeichnest du deinen Aktivismus als Arbeit?

Klara: Definitiv, gestern Abend erst bin ich in einem vierstündigen Meeting gesessen. Vor einem Jahr habe ich entschieden, mein Studium hintanzustellen. Spontan zu einer Weltklimakonferenz fahren zu können macht für mich momentan mehr Sinn. Ich mache das, weil ich das Gefühl habe, keine andere Möglichkeit zu haben: Wir steuern auf eine Erderwärmung um vier bis fünf Grad zu. Als Teil des globalen Nordens, der das verursacht hat, fühle ich mich dafür verantwortlich.

STANDARD: Muss man sich ehrenamtlichen Aktivismus leisten können?

Klara: Ich habe mir mein Studium in den vergangenen vier Jahren selbst finanziert. Ich lebe sparsam, überlege mir fünfmal, ob ich neue Schuhe brauche oder der kaputte Laptop wirklich ausgetauscht werden muss. So habe ich mir nebenbei Geld angespart. Davon lebe ich und finanziere meinen Aktivismus. Sparen zu können ist natürlich auch ein Privileg.

STANDARD: Law, bist du auch so leidenschaftlich bei der Sache?

Law: Ich stecke viel Energie in meine Arbeit. Oft bin ich in einem Dilemma. Ich würde gerne an einem Streik teilnehmen, muss aber arbeiten, weil die Miete reinkommen muss. Was ich auch zu bedenken geben will: Während Aktivismus im globalen Norden ein Privileg sein kann, sind Menschen in vielen Ländern gezwungen, aktivistisch zu werden, um beispielsweise nicht misshandelt zu werden.

STANDARD: Wie wichtig ist das, was ihr macht, für eure Identität?

Lukas: Mein Soziologiestudium beendet zu haben war für mich extrem identitätsstiftend. Ich war vorher ständig mit Fragen wie "Was machst du?" konfrontiert, das hat mir ziemlichen Druck gemacht.

Law: Ich kenne das. Wenn ich erzähle, ich schauspielere und mache Musik, kommen oft blöde Fragen. Vielleicht habe ich deshalb erst begonnen, Maschinenbau zu studieren, als einzige Frau in meinem Jahrgang. Ich hatte aber schnell keine Lust mehr. Statt des Studiums hätte ich lieber eine Lehre gemacht. Aber auch die muss man sich leisten können: Im ersten Lehrjahr bekommt man 600? Euro im Monat. Wie soll ich damit Miete und Essen zahlen?

Eine Lehre muss man sich leisten können, findet Law.
Foto: Mafalda Rakoš

STANDARD: Seid ihr finanziell unabhängig?

Law: Ich bin unabhängig von meinen Eltern, aber ich muss jeden Tag darum kämpfen, genug Jobs zu bekommen, um Miete und Lebenshaltungskosten zahlen zu können. Bei Schauspieljobs muss man oft weit vorausplanen.

Klara: Ich habe fünf Geschwister, und es war immer klar, dass ich mir den Auszug und das Leben danach selbst finanzieren muss.

Lukas: Ich mache derzeit ein Praktikum und werde von meinen Eltern unterstützt, so ehrlich muss ich sein. Ich bin auch sehr froh darüber.

STANDARD: Erinnert ihr euch noch an euren ersten Job?

Law: Mein erstes Geld habe ich mit meiner Rolle in Kurdwin Ayubs Kurzfilm Boomerang verdient, ich war 16, das war ein großartiges Gefühl.

Klara: Um meine Miete zu bezahlen, habe in Graz Gesundheitsschuhe verkauft.

Lukas: Ich habe bei Schwechater Bier im Lager gearbeitet, aber am prägendsten war mein Praktikum in der Küche eines Schweizer Hotels: Weit weg von den Eltern eine andere Welt zu entdecken war wichtig. Ich kann nur allen raten: Leute, macht so was.

STANDARD: Was bedeutet für euch Erfolg?

Law: Dass man das machen kann, was man gerne tut, und dass man dabei Sicherheit verspürt.

Klara: Wenn wir nach 650 Tagen endlich ein Klimaschutzgesetz bekämen oder der Bau des Lobautunnels abgesagt würde, das wäre für mich ein Erfolg. Und wenn der Klimaschutz bei der gesamten Bevölkerung ankommt.

STANDARD: Das heißt, "mein Haus, mein Auto, mein Boot" sind für euch keine Kategorien?

Lukas: Frühere Generationen haben das Auto nicht infrage gestellt, das hat sich verändert.

Law: Ich habe mir in einem Impulskauf ein Motorrad geleistet, und ich frage mich jetzt schon, wo ich angerannt bin.

Klara: Ich glaube, wir kommen davon weg, das Auto als Statussymbol zu verstehen. In London war ich extrem beeindruckt von den coolen Fahrrädern, die durch die Stadt gecruist sind.

STANDARD: Wir bewegen uns aber auch in einer Großstadt-Bubble, oder?

Law: Ich war drei Jahre lang Schulsprecherin, damals saßen bei Seminaren 16-Jährige mit mir am Mittagstisch, die begeistert von der FPÖ waren. Wenn man zu sehr in der eigenen Blase steckt, fällt es schwer, auf Andersdenkende zuzugehen. Das finde ich problematisch. Man sollte auch immer unterscheiden: Es ist etwas anderes, in Wien SUV zu fahren, als auf dem Land ein Auto zu besitzen, um zum nächsten Supermarkt zu kommen oder zur Arbeit zu fahren.

"Frühere Generationen haben das Auto nicht infrage gestellt, das ist heute anders", sagt Lukas. Er weiß aber auch: Das ist Bubble-Denken.
Foto: Mafalda Rakoš

STANDARD: Zurück zum Beruflichen. Habt ihr Ziele?

Law: Als Selbstständige habe ich täglich kleine Ziele: Mails abschicken oder Castings wahrnehmen.

STANDARD: Du träumst nicht von Hollywood?

Law: Eher von Bollywood, in den Filmen gibt es krasse Actionszenen mit fliegenden Autos. Davon abgesehen will ich authentisch bleiben und nur Projekte annehmen, die mir zusagen und Spaß machen. Das ist natürlich ein Privileg und geht nicht immer.

Klara: Als Bewegung wollen wir 2030 auf österreichischer Ebene Klimaneutralität erreichen, privat finde ich die Frage schwer zu beantworten.

STANDARD: Fühlt ihr euch frei in euren beruflichen Entscheidungen?

Klara: Uns stehen wahrscheinlich so viele Möglichkeiten offen wie kaum einer Generation zuvor. Trotzdem fühle ich mich nicht frei. Ich habe einen Bachelor in Psychologie, aber der Master macht für mich aufgrund der Klimakrise momentan absolut keinen Sinn. Die eskalierende Klimakrise und die tatenlose Politik machen mir Angst.

Law: Mich haben in letzter Zeit arbeitsrechtliche Sachen, Probleme mit einer Produktionsfirma beschäftigt. Mir fällt es schwer abzuwägen: Was mache ich zum Thema, wo halte ich mich besser zurück? Deshalb fühle ich mich oft unfrei.

STANDARD: Habt ihr Angst vor der Zukunft?

Law: Ich habe keine Angst um die Entertainmentbranche, aber ja, um die Welt schon.

Klara: Für mich ist der Krieg sehr präsent. Fridays for Future gibt es auch in der Ukraine. Dort sind Leute von uns gestorben, geflüchtet, andere leben noch dort.

Lukas: Ängste vor meiner beruflichen Zukunft habe ich weniger. Aber die Klimaschutzproblematik lässt sich nicht wegdiskutieren, ich schiebe das ein wenig weg. Ich fühle mich oft überwältigt von den vielen weltweiten Krisen.

Law: Für mich geht es sich mental nicht aus, mich so stark wie Klara zu engagieren.

"Man kann auch eine 'Fuck it'-Attitüde in der Gen Z beobachten", sagt Law.
Foto: Mafalda Rakoš

STANDARD: Ihr nehmt die gegenwärtigen Krisen sehr sensibel wahr. Seid ihr Ausnahmen?

Klara: Das glaube ich nicht. Es gibt Studien, die sagen, dass die Klimakrise und der Krieg in der Ukraine für unsere Generation die wichtigsten Themen sind.

Law: Aber hinsichtlich der Intensität der Beschäftigung gibt es große Unterschiede. Man kann auch eine "Fuck it"-Attitüde in der Gen Z beobachten, so nach dem Motto: Ich lebe mein Leben, es wird eh alles untergehen.

STANDARD: Verstehen eure Eltern, was ihr macht?

Law: Meine Mutter ist Schauspielerin und mein Vater DJ, sie verstehen, dass ich kreativ sein will. Dass ich so viele Sachen nebeneinander mache, eher weniger. Sie hätten gern, dass ich mich auf eine Sache konzentriere.

Klara: Meine Eltern haben ein Grundverständnis für mich, aber weniger dafür, dass ich Aktivistin bin. Viele Menschen haben kein Verständnis für uns: Oft werden wir als Kinder, die auf die Straße gehen, statt zu arbeiten, missverstanden. In die Politik will ich aber nicht, weil da in Legislaturperioden und selten langfristig gedacht wird, außerdem ist die Klimakrise ein überparteiliches Thema.

STANDARD: Kennt ihr überhaupt das Nichtstun?

Law: Ich weiß, dass es für die Psyche wichtig ist abzuschalten. Das ist in der Kreativbranche aber schwer. Da kommen die Mails auch abends um zehn rein, ich muss auf Instagram präsent sein, überhaupt muss man immer dranbleiben. Allein den Laptop nicht in den Urlaub mitzunehmen fällt mir schwer.

Klara: Langfristig sind Auszeiten wichtig. Gleichzeitig will ich in kurzer Zeit möglichst viel bewegen. Ein Wochenende zu genießen fühlt sich fast schon unnatürlich an. In meinem Umfeld hatten einige schon ein Burnout. Deshalb versuche ich Grenzen zu setzen: Gestern Abend nach unserem Meeting habe ich mich mit zwei Freundinnen getroffen, immerhin.

Kreativ, aktivistisch oder "Fuck it"-Attitüde, die Vorstellungen der Generation Z gehen oft weit auseinander.

STANDARD: Wer seid ihr in zehn Jahren?

Klara: Ich weiß, was ich in zwei Wochen mache, aber sicher nicht, was in zehn Jahren sein wird.

Law: Wenn wir dann nicht in einem Krieg stecken, werde ich Schauspielerin sein und Musik machen.

Lukas: Ich mache mir um uns überhaupt keine Sorgen, wenn ich euch so anhöre. Ich werde dahin gehen, wo es sich gerade gut anfühlt, das wird schon passen.

(RONDO, Anne Feldkamp, 7.11.2022)