Der Ausgang der US-Zwischenwahlen Anfang November droht weitreichende Konsequenzen für den Ukraine-Krieg zu haben. "Viele Republikaner wollen die Unterstützung für die Ukraine beenden", sagte die demokratische Kongressabgeordnete Abigail Spanberger zum STANDARD: "Das hätte katastrophale Folgen für die globale Sicherheit und unsere Beziehungen zu Europa. Das ist eine der größten Gefahren der Midterm-Wahlen."

Kommt es bei den Midterm-Wahlen zum Mehrheitswechsel?
Foto: Reuters / Cheney Orr

Der Weckruf folgt auf eine Äußerung von Kevin McCarthy, dem Minderheitsführer der Republikaner. "Wenn die Menschen in einer Rezession sitzen, sind sie nicht willig, einen Blankoscheck für die Ukraine auszustellen", hatte McCarthy Anfang der Woche gesagt. Die Äußerung spiegelt den wachsenden Widerstand gegen milliardenschwere Unterstützungspakete für das osteuropäische Land wider.

Vor allem die rechten, isolationistischen Trumpisten machen Druck: Scott Perry unterstellte laut Nachrichtenseite Axios den "Schwachköpfen" in der Biden-Regierung indirekt, sie trieben die USA "absichtlich in einen Krieg mit Russland".

Derzeit halten die Demokraten eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus. Doch die meisten Umfragen gehen davon aus, dass diese am 8. November fällt. Dann wäre der Weg frei für die Wahl von McCarthy zum Sprecher des Parlaments. Gleichzeitig dürften zahlreiche Vertreter des "America First"-Flügels in das Parlament einziehen.

Probleme für Biden

Schon bei der Abstimmung über das 40-Milliarden-Dollar-Hilfspaket der Biden-Regierung im Mai hatten 57 Republikaner mit Nein gestimmt. Die Zahl dürfte künftig wesentlich höher sein. Auch im mächtigen "Oversight Comitee", das die Aufsicht über die parlamentarischen Aktivitäten hat, würden dann die Republikaner dominieren. Angeblich besteht die rechtsextreme Abgeordnete Marjorie Taylor Greene auf einem Sitz.

McCarthy hatte die bisherigen US-Hilfen für die Ukraine in Gesamthöhe von 60 Milliarden Dollar unterstützt. Dass er nun betont, die Ukraine sei zwar wichtig, aber könne "nicht das Einzige sein, um das wir uns kümmern", macht den wachsenden Einfluss des Trump-Flügels deutlich. Laut Pew-Meinungsforschungsinstitut findet ein Drittel der republikanischen Wähler, die USA sende zu viel Geld in die Ukraine.

Einer der vehementesten Kritiker ist der von Trump unterstützte Senatskandidat in Ohio, J. D. Vance. "Wir sind an dem Punkt angekommen, wo wir der Ukraine genug Geld gegeben haben", sagte der Ex-Bestsellerautor schon im September: "Wir können nicht einen Langzeitkonflikt finanzieren, der unserem Land immer weniger bringt."

Zwar spricht Vance nach einem Aufschrei der ukrainischstämmigen Wählerschaft seine Meinung inzwischen nicht mehr so hart aus. Aber die Ablehnung weiterer Hilfen ist beim Trump-Flügel weit verbreitet.

Demonstrative Gelassenheit

Offiziell demonstriert die Biden-Regierung noch Gelassenheit. "Ich werde nicht auf hypothetische Fragen antworten", zog sich Bidens Sprecherin Karine Jean-Perre bei einer Pressekonferenz am Mittwoch bei dem Thema aus der Affäre: "Ich kann aber sagen, dass wir die Unterstützung beider Parteien in den vergangenen Monaten zu schätzen wissen und weiter mit dem Repräsentantenhaus und dem Senat zusammenarbeiten werden, um die Unterstützung für die tapferen Menschen in der Ukraine sicherzustellen."

Nach einem Bericht der Nachrichtenseite Politico setzt die Biden-Regierung darauf, dass McCarthy aus Angst vor der öffentlichen Reaktion am Ende doch eine Zustimmung seiner Fraktion zumindest für geringere Hilfen organisieren wird. Doch ganz sicher scheint man sich auch im Weißen Haus nicht zu sein. Angeblich gibt es Überlegungen, nach dem im September verabschiedeten Hilfspaket über zwölf Milliarden Dollar zum Jahresende rasch noch ein weiteres Hilfspaket durch den Kongress zu bringen. Das wäre dann zwar nach den Wahlen, aber noch vor der Neukonstituierung des Repräsentantenhauses mit veränderten Mehrheiten im Jänner 2023. (Karl Doemens aus Washington, 21.10.2022)