Eva Sangiorgi ist die Direktorin der Viennale.

Foto: Privat

Die im italienischen Faenza geborene Kulturmanagerin wurde vor wenigen Wochen erstmalig Mutter eines "sehr superen, sehr braven" Sohnes namens Dario. Bei dessen Namensgebung orientierte sie sich gleichermaßen am Altmeister des italienischen Slackerkinos, Dario Argento, wie am 2016 verstorbenen italienischen Literaturnobelpreisträger Dario Fo.

Italienische Donna

Die mehr oder weniger im gesamten romanischen Sprachraum Beheimatete (sie unterrichtet in Spanien und gründete das FICUNAM Filmfestival in Mexico City) sieht sich seither aber nicht als klassische italienische Mamma, sondern nach wie vor als bestens vernetzte italienische Donna. Zum Lesen freilich kommt sie jetzt noch weniger, die Bücher, die sie auf Italienisch, Spanisch, Französisch oder Englisch und häufig parallel liest, sind vor allem Fachliteratur, an die tempi passati, in denen sie ungezählte Romane verschlungen hat, kann sie sich kaum mehr erinnern. "Ich war früher eine fantastische Leserin!", lacht sie. "Aber irgendwie verschwindet das alles, so wie die Schönheit."

Poetische Veränderung

Das schmale und bisher unübersetzte Buch Diario pinchado (in etwa: Punktiertes Tagebuch) der argentinischen Autorin Mercedes Halfon bekam sie während eines Filmfestivals geschenkt, sie las es in einem durch. "Halfon schreibt darin in Tagebuchform sehr poetisch über eine Phase im Leben einer Frau, in der sich alles verändert. Die Heldin kommt in das ihr fremde Berlin, um dort mit ihrem Schriftstellerfreund zu leben, sie spricht die Sprache nicht und kennt sich dort nicht aus, sie bewegt sich im Spannungsfeld von Arbeit und Liebe, die zerbricht. Es sind außerordentlich lustige und intelligente Betrachtungen über Entfremdung und Verlust, aber auch über das Schreiben."

Während der Lektüre entdeckte Sangiorgi, die sich selbst lachend als "frustrated writer" bezeichnet, dass Halfon auch einen Dokumentarfilm über die argentische Schriftstellerin Juana Bignozzi gemacht hat. Zusammen mit der Regisseurin Laura Citarella, deren neuesten Film sie wiederum längst für das Programm der diesjährigen Viennale programmiert hatte. Klein ist die Welt. (Manfred Rebhandl, 21.10.2022)