Der Wiener Kulturwissenschafter und ehemalige Politiker Wolfgang Zinggl wohnt unter Bäumen und Palmen – in einer Dachgeschoßwohnung in Margareten, die er vor 41 Jahren akribisch gesucht hat.

"Ich liebe diese Wohnung. Manchmal fühlt sie sich eher wie eine Orangerie oder wie ein Gewächshaus irgendwo im Süden an und weniger wie eine Wohnung. Dann fällt mir meine Aufnahmeprüfung an der Universität für angewandte Kunst ein. Da lautete eine Aufgabenstellung: Zeichnen Sie Ihre ideale Wohnung! Ich war damals ein Hippie, wie er heute im Volkskundemuseum ausgestellt sein könnte, und dachte mir einen einzigen Raum aus, in dem ich zwischen Großwildpflanzen ohne Trennwände kochen, essen, schlafen und arbeiten kann.

Wolfgang Zinggl in seiner Wohnung in Wien-Margareten.
Foto: Lisi Specht

Und so wohne ich hier jetzt seit 41 Jahren. In einer feinen Variante meiner damaligen wandlosen Vision. Im Zentrum ein kleiner Hain aus Gummibäumen, die mittlerweile auch schon an die 45 Jahre alt sind. Sie sorgen für die optimale Luftfeuchtigkeit. Und dann gibt es noch eine Palme, von der ich keine Ahnung habe, was für eine Art das genau ist, könnte vielleicht eine Goldfruchtpalme sein, jedenfalls macht sie das Raumklima um zumindest zwei, drei gefühlte Grad wärmer, was nicht nur für diesen kommenden Winter notwendig werden könnte.

Gefunden hab ich die Wohnung 1981 mit intensiver und systematischer Suche nach einem Atelier im Dachgeschoß. Das war richtig harte Arbeit: Woche für Woche ein neues Planquadrat durchforsten, Haus für Haus abgehen, immer wieder in den letzten Stock hinauf, es gab damals ja noch keine Gegensprechanlagen, um an irgendwelchen fremden Wohnungstüren zu läuten und zu fragen, ob da was frei ist. Da mussten Besitzverhältnisse ausfindig gemacht und Hausverwaltungen kontaktiert werden – und schließlich, nach circa drei Monaten, bin ich auf dieses Haus hier gestoßen. Es ist das einzige je gebaute architektonische Werk des Zeichners und Schriftstellers Fritz von Herzmanovsky-Orlando, ein großartiges Objekt, das vor etwa zehn Jahren erfreulicherweise unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Wolfgang Zinggl schätzt die Raumhöhe von 4,80 Metern. "Die Gestaltung folgt keinem Stil und keinem bewussten ästhetischen Konzept", sagt er.
Fotos: Lisi Specht

Das war das Atelier eines persischen Hofmalers, der nach dem Sturz des Schahs alles liegen und stehen lassen musste und in einer Nacht- und Nebelaktion untergetaucht ist. Der Zustand war eine Katastrophe! Er hat so ziemlich alle Klischees der Bohemien-Nachteile vereint: kalt, abgefuckt, undichte, rostige Fenster, kein Warmwasser, Elektroinstallationen aus 1904, mit einer Regenrinne, die mitten durch den Raum geführt hat. Aber dafür mit riesigen Fenstern und einem weiten, schönen Ausblick auf die umliegende Dachlandschaft des Wientals.

Nach und nach hab ich alles saniert: Fenster getauscht, Heizung und Warmwasser installiert, ein Bad eingebaut. Alles recht spartanisch und minimalistisch, wobei ich die zentrale Wand des Raumes ursprünglich noch ziemlich wild bemalt hatte, wie eines der großen Prospekte im Theater, jedes Jahr mit einem neuen Motiv, ehe auch sie letztendlich weiß wurde. Manche sagen, dass ich asketisch wohne, aber das kann ich nicht nachvollziehen. Ich würde sagen: Ich wohne einfach, aber ganz normal.

Stühle und Fauteuils sind ein Spleen von Wolfgang Zinggl, das Bett hat er selbst gebaut – aus Pappmaché. "Eine einfache Plattform wie von Fred Feuerstein."
Fotos: Lisi Specht

Mein einziger Spleen sind die vielen Stühle und Fauteuils. Weil ich mich beim rastlosen Auf-und-ab-Gehen überall hinsetzen können muss, wo immer ich gerade bin. Es sind alte Fauteuils und Stühle – und auch Schreibtische – aus aufgelassenen Schulen am Land. Den Rest hab ich aus Pappmaché gebaut, nur aus Papier und Knochenleim. Auch das Bett ist auf diese Weise errichtet, eine einfache Plattform wie von Fred Feuerstein.

Ich schätze den Raum, ich mag die Atmosphäre, allein schon wegen der enormen Raumhöhe von 4,80 Metern. Vor allem aber, weil sich der Raum dadurch auszeichnet, dass er sich durch nichts auszeichnet. Die Gestaltung folgt keinem Stil und keinem bewussten ästhetischen Konzept. Sie hat sich meinen persönlichen Bedürfnissen entsprechend langsam entwickelt. Ich habe mir die Wohnung erwohnt und erarbeitet. Und mittlerweile hat sie sich auch an mich gewöhnt. Asymptotisch hat der Raum nun einen Zustand erreicht, an dem sich bis zu meinem Ende wahrscheinlich nicht mehr viel verändern wird." (24.10.2022)