Im Leitartikel der "Presse" vom Donnerstag gab sich der Autor offen, was die Zukunft von Kurz betrifft. "Sollte an Sebastian Kurz sonst nichts hängen bleiben, wird er sich jedenfalls schlechte Menschenkenntnis vor halten müssen."

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So wie es in diesen Tagen zugeht, fragt man sich besorgt: Was ist eigentlich aus der berühmten Message-Control geworden? Alle machen sie, was sie wollen, werden Kronzeugen, bleiben Nationalratspräsidenten, nur die Grünen stehen noch immer stramm. "Die Presse" schreibt vom Untergang der neuen Volkspartei, die "Salzburger Nachrichten" glauben an die Zukunft von Sebastian Kurz und riskierten sogar mehrere Blicke in dieselbe. So sahen sie ihn am Wochenende etwa als Landeshauptmann von Groß-Zogelsdorf & Unterniederösterreich, natürlich in der Haartracht Erwin Prölls, als Eigentümer einer Privatbank auf einer Gartenbank, als Quotenbringer im ORF, vermutlich in einer Milliardenshow. Und noch in einigen anderen Rollen. Keine davon wurde seinem verkannten Genie gerecht, auch nicht die als Erster Literaturnobelpreisträger für eine Serie von Autobiografien.

"Kronen Zeitung" mit kühnem Experiment

Da würde der Nobelpreis schon wieder an einen Falschen vergeben, denn wer sollte diese Autobiografien denn schreiben, wenn nicht – na eh schon wissen. In der "Kronen Zeitung" war man vom letzten diesbezüglichen Auftragswerk in memoriam Sebastian Kurz so begeistert, dass man sich zu einem kühnen Experiment entschloss. Um kritische Fragen zum Zustandekommen des Thrillers Reden wir über Politik von vornherein auszuschließen, durfte ein Redakteur des Blattes die für das "Reden" verantwortliche Redakteurin des Blattes befragen, wie das großartige Werk gelingen konnte.

Das las sich dann so: Conny Bischofberger bittet jeden Sonntag große Persönlichkeiten zum Interview. Gestern ist ihr neues Buch erschienen. "Reden wir über Politik" mit Sebastian Kurz. Deshalb steht sie heute einmal Rede und Antwort ihrem Kollegen Kurt Seinitz, selbst ein enger Wegbegleiter des ehemaligen Außenministers und Bundeskanzlers. Der enge Wegbegleiter des ehemaligen Bundeskanzlers – ein Foto zeigte die beiden sogar vereint in einer AUA-Maschine – stellte der Autorin alle Fragen zum ehemaligen Bundeskanzler, die er als enger Wegbegleiter desselben viel besser beantwortet hätte als die Frau, die den ehem. BK meist an Vormittagen in der Bar des Hotels Le Méridien zu seinem Leben abhörte. Da diesmal der enge Wegbegleiter die Fragen stellte, hat sich Frau Bischofberger diesmal als große Persönlichkeit selbst zum Interview gebeten, was angemessen war, diente dieses doch dem volksbildnerischen Zweck, Leserinnen und Leser der "Kronen Zeitung", die nicht im Entferntesten daran denken, ihr Werk zu erstehen, zwangsweise in die Gedankenwelt des ehemaligen Bundeskanzlers einzuführen. Anderthalb Seiten im Kleinformat reichten dazu bequem aus, sogar ohne die Bombe.

Menschenkenntnis

Im Leitartikel der "Presse" vom Donnerstag gab sich der Autor offen, was die Zukunft von Kurz betrifft. Sollte an Sebastian Kurz sonst nichts hängen bleiben, wird er sich jedenfalls schlechte Menschenkenntnis vor halten müssen. Nach dem bekannten Motto, wenn das der Führer gewusst hätte, wie es die Huren der neuen ÖVP und ihre steuersparenden Kunden hinter seinem Rücken getrieben haben.

Sollte jedoch schon etwas dran sein an den Vorwürfen, dann hätte Sebastian Kurz sein eigenes Projekt versenkt. Was an seiner schlechten Menschenkenntnis freilich nichts ändern würde, denn er war – nur einmal vermutet – der Bestimmungstäter. Aber so ist es nicht, dass er alles ganz allein geleistet hat, was die Staatsanwälte beschäftigt.

Man kann nur hoffen, dass Karl Nehammer nicht der Erlaubnis der "Presse" folgt, er dürfe als Teil dieses Projekts nun die Scherben wieder neu zusammensetzen. Das Projekt hat schon neu nicht funktioniert, was soll da erst aus dem Bruch werden?

In den "Salzburger Nachrichten" war zu lesen, der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer habe sich "schon länger" über seine "Ideale als persönlichen Wegweiser Gedanken gemacht" und wolle diese nun veröffentlichen. Dazu gehören Sätze wie "Ich lehne das Herabwürdigen von Menschen insbesondere durch in das Persönliche reichende politische Angriffe ab" oder "Ich achte die Errungenschaften von Forschung, Innovation und Entwicklung". Oder: "Bei meinen Handlungen stelle ich die staatspolitische Verantwortung in den Mittelpunkt."

Sofort tauchte der Verdacht auf, es handle sich um ein Gegenprogramm zu Parteichef Kickl. Das ist nicht auszuschließen.

Ebenso gut könnte es sich um eine allergische Spontanreaktion des Dritten Nationalratspräsidenten auf das Sitzfleisch des Ersten handeln. (Günter Traxler, 22.10.2022)