Der Kachowka-Damm liegt am Fluss Dnjepr und wurde laut ukrainischen Angaben von Russland vermint.

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Seit mittlerweile bald zwei Wochen führt Russland in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine massive Luftschläge durch. Dabei wird vor allem Energie-Infrastruktur ins Visier genommen, wie auch Explosionen am Freitag in den Städten Charkiw und Saporischschja belegen. Jüngst erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass bereits rund 40 Prozent der ukrainischen Energieanlagen zerstört worden seien, Tendenz steigend. Teile des Landes müssten deshalb immer wieder ohne Strom, Gas oder Wasser auskommen, und das angesichts des bevorstehenden Wintereinbruchs.

Daher sah sich Selenskyj in dieser Woche zum ersten Mal seit Kriegsausbruch gezwungen, die Bevölkerung zum Energiesparen aufzurufen. Unter anderem sollte in Privathaushalten täglich für mehrere Stunden der Strom abgeschaltet werden. Und auf Backöfen und Mikrowellen sollte gleich gänzlich verzichtet werden, hieß es.

Selenskyj gab sich aber kämpferisch. "Am Ende wird auch eine solche russische Gemeinheit scheitern", erklärte er. "Dies mobilisiert nur die internationale Gemeinschaft, uns noch mehr zu helfen und noch mehr Druck auf den Terrorstaat auszuüben."

Kachowka-Damm in Gefahr

Apropos internationale Gemeinschaft: Via Telefonansprache warnte er beim EU-Gipfel (siehe Seite 18) davor, dass die russischen Truppen den riesigen Staudamm des Wasserkraftwerks Kachowka zerstören könnten. "Unseren Informationen zufolge wurden die Aggregate und der Damm des Wasserkraftwerks Kachowka von russischen Terroristen vermint", sagte Selenskyj.

Der Damm liegt am Fluss Dnjepr im russisch besetzten Teil der Region Cherson. Im Fall einer Zerstörung würden mehr als 80 Ortschaften inklusive der umkämpften Stadt Cherson binnen kurzer Zeit überschwemmt werden, warnt Selenskyj. Hunderttausende Menschen wären betroffen, die Wasserversorgung für die Ukraine wäre zu einem Großteil zerstört. Außerdem würde dem Atomkraftwerk Saporischschja so das Kühlwasser entzogen werden.

Ablenkungsmanöver in Belarus

Weiter nördlich ist Belarus seit einigen Tagen dabei, eine gemeinsame Militäreinheit mit Russland aufzustellen. Befürchtet wird, dass diese die Ukraine angreifen und so eine weitere Front aufmachen könnte. In ihrem täglichen Briefing gehen die britischen Geheimdienste aber von einem Ablenkungsmanöver aus. Demnach hätten beide Länder gar nicht die Ressourcen, um eine kampfbereite Truppe aufzustellen.(Kim Son Hoang, 22.10.2022)