Die Inflation macht auch vor den Schnitzeln nicht halt.

Foto: Michael Matzenberger

Eigentlich müsste er schon 30 Euro oder mehr für ein Schweinsschnitzel verlangen, sagte der Wiener Gastronom Roland Soyka jüngst. Nur: Wer würde das bezahlen? Treten Gastronomen derzeit an die Öffentlichkeit, ist eines so sicher wie das Amen im Gebet: Man rechnet vor, wie schwer einem die gestiegenen Energie- und Einkaufspreise für Brösel, Öl und Fleisch im Magen liegen. Der Tenor, landauf, landab: Preiste man die hohen Energie-, Lebensmittel- und Personalkosten ein, kostete das Schnitzel mehr, als die Leute zu bezahlen bereit seien.

Schnitzel-Inflation

Tatsächlich hat Soyka das Schweinsschnitzerl mit Erdäpfel-Vogerlsalat mit 17 Euro ausgepreist, das Kalbsschnitzerl schlägt mit 26 Euro zu Buche. Bei einem Salzburger Wirt in schönster touristischer Aussichtslage stehen 29 Euro auf der Karte.

Österreichweit ist die Bandbreite enorm. Wer viel unterwegs ist, sieht viele Preise. Vom Kalbsschnitzel um 20 Euro bis zum Schweinsschnitzel um 14 Euro. Die Nobelgastronomie pendelt sich beim Kalbsschnitzel rund um 30 Euro ein. Manche verrechnen Salat oder Erdäpfel extra und kommen damit auch auf 30 Euro. Sind solche Preise zu hoch? Kommt darauf an, wohin man schaut: Viele Lokale erfreuen sich trotz Gemaules ob so mancher Preise regen Andrangs.

Weg mit der Panier

So mancher schlägt aber jetzt auch andere Wege ein. Bei Riegler in Bruck an der Mur werden Schnitzel und Backhendl von der Mittagsmenükarte gestrichen. Man wolle an der Panier sparen, nicht an der Qualität, gaben die Wirtsleute dem ORF zu Protokoll. Derzeit steht das Schweinsschnitzel mit Pommes um 12,20 auf der Karte, vom Kalb kostet es 14,70. Landpreise also. Sind die eingangs genannten 30 Euro dann Mondpreise? Wie kalkulieren die Gastronomen?

Richtig ist, dass die Kosten an allen Ecken und Enden davongaloppierten. Sonnenblumenöl ist um das Dreifache teurer als im Vorjahr, die Großhandelspreise für Schweinefleisch sind gestiegen (siehe Grafik), auch die Energiekosten haben sich verdoppelt oder sind noch stärker gestiegen, je nachdem, wie geheizt wird und welchen Vertrag man hat. Ende Dezember dürften sie teilweise weiter steigen, weil alte Verträge auslaufen. All das ist auch bei den Gastronomen nicht so einfach vom Tisch zu wischen.

Jürgen Pichler, Herausgeber von Rolling Pin, einem Fachmagazin für die Gastro- und Hotelleriebranche, kennt die Probleme und Kalkulationen in- und auswendig. Warum kann der eine sein Schnitzel um 14 Euro verkaufen und der andere kommt mit einem Preis von 18 Euro nicht zurecht? Von Abzocke will Pichler nichts hören – im Gegenteil: Es sei höchste Zeit, dass sich da etwas tue, sagt er, ganz generell: "Österreich war immer ein Billigland. In Frankreich oder Deutschland zahlt man für die gleiche Qualität 30 bis 50 Prozent mehr."

Knappe Kalkulation

Die heimischen Wirte hätten in der Vergangenheit viel zu knapp kalkuliert. Steigen die Preise, bleibe auch etwas übrig – und die Betriebe könnten ihr Personal besser bezahlen. Aufgrund des akuten Personalmangels sei dies dringend nötig. Viele müssten beim KV-Gehalt drauflegen, damit sie nicht selbst in der Küche stehen oder Schnitzel und Bier auftischen müssen.

Die übliche Kostenkalkulation, die ein Wirt aufstellt, lautet Pichler zufolge so: 30 Prozent gehen für die Ware drauf, 30 Prozent für Personal und 30 Prozent für Regie (Betriebskosten, Miete, Energie). Es ist eine theoretische Rechnung, die von vielen Variablen abhängt.

Zahlreiche Komponenten

Freilich wird im Gasthaus nicht nur gegessen. Bei Getränken sind die Margen deutlich höher. Doch wie sieht es bei der Leibspeise vieler Österreicherinnen und Österreicher aus? Viele Faktoren bestimmen den Preis. Steht der Wirt selbst in der Küche, besitzt er das Lokal und beschäftigt er nur eine geringfügig angestellte Aushilfe, sieht die Rechnung anders aus als bei einem Wirt, der einige Tausend Euro Pacht pro Monat zahlen muss und Vollzeitbeschäftigte und Lehrlinge angestellt hat. Erfreut sich ein Betrieb eines alten Mietvertrags, kann er anders kalkulieren als ein Neueinsteiger am Markt. Wird das Schnitzel im Großhandel in rauen Mengen eingekauft, sieht die Rechnung noch einmal anders aus als für jemanden, der direkt vom Landwirt bezieht. Wieder anders kann ein Betrieb kalkulieren, der mit vielen Standardisierten Prozessen und Produkten hocheffizient organisiert ist und in kurzen Zeiträumen viele hungrige Mäuler abfertigt. Schön ist es, wenn diese viel trinken, am besten Tee oder Leitungswasser – gegen Bargeld, versteht sich. Wareneinsatz und Zubereitungsaufwand sind niedrig, der Ertrag ist hoch.

Der Schweinefleischpreis stieg.

Die schwarze Null

Wo ist also der Preis für ein Schnitzel anzusetzen, damit sich theoretisch die schwarze Null ausgeht? Den Daten der Wirtschaftskammer Wien (WKW) zufolge (siehe Grafik) fallen für fünf Schweinsschnitzel mit Erdäpfelsalat Warenkosten in Höhe von 25,22 Euro an. Das entspricht 5,044 Euro pro Schnitzel – exklusive Miete, Personal- und Energiekosten sowie Abgaben. Dafür braucht es laut WKW einen zusätzlichen kalkulatorischen Preisaufschlag in Höhe von 230 Prozent (58 Euro) für die besagten fünf Portionen. Ein Schnitzel mit Erdäpfelsalat rentiert sich demnach ab einem Portionspreis von 18,31 Euro. Im Schnitt liege der Portionspreis in Wien aber momentan bei 15,50 Euro – also um 2,80 Euro zu niedrig. "Steigen die Preise weiter, müsste ein Schnitzel bald 25 Euro kosten", rechnet die Kammer vor.

Unabhängig von der momentanen Ausnahmesituation gibt es bei den Kosten für den umgangssprachlichen "Breslfetzn" ein ordentliches Ost-West-Gefälle. Das zeigt eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts OGM im Sommer dieses Jahres. Damals war im Bezirk Jennersdorf im Burgenland ein Schnitzel um durchschnittlich 8,85 Euro wohlfeil, im Bezirk Dornbirn musste man 16,65 Euro berappen. Dort, wo Touristen bereitwillig mehr bezahlen, steigt eben auch das Preisniveau für Einheimische.

Ist aber ein Schnitzelpreis um 25 Euro unredlich, wenn andere es um 12,90 verkaufen? Die Meinungen darüber gehen deutlich auseinander. Derzeit stehe den meisten Gastronomen das Wasser nicht nur bis zum Hals, sondern weit darüber hinaus, sagt Fachmann Pichler. In Gastrokreisen ist wiederholt zu hören, der Betrieb sei mittlerweile mehr zum Hobby verkommen.

Überfördert wegen Corona

Und das trotz all der Corona-Hilfen und der teilweisen Überförderung während der Pandemie?

Was vollkommen widersinnig klingt, ist dennoch nicht unlogisch. Gerade deswegen, weil finanziell schwach aufgestellte Betriebe mit teils großzügigen Hilfen über die vergangenen Corona-Jahre getragen wurden, sind diese brustschwachen Unternehmen auch weiterhin am Markt. Jene, die in normalen Jahren verschwinden würden, weil sie kein tragfähiges Geschäftsmodell haben, gibt es immer noch. Sie tun sich ganz sicher schwer, die gestiegenen Kosten zu verdauen. Branchenvertreter wie der Wiener Wirtschaftskammer-Funktionär Peter Dobcak ziehen daraus ihre eigenen Schlüsse: "Während Corona kam es zwar zu Überförderungen, doch man darf die Branche jetzt nicht im Stich lassen", sagt er jüngst in Wien: "Viele haben nur durch staatliche Unterstützung überlebt, lässt man sie aber jetzt fallen, wäre das Geld absolut verschwendet gewesen."

Inflation und Unsicherheit

Wirft man also gutes Geld schlechtem durch Energiekostenzuschüsse nach? Auszuschließen ist das keineswegs. Die Zahl der Pleiten in der Branche, sowie jene der Wackelkandidaten, ist noch nicht auf Corona-Niveau angewachsen – wenn sie auch stetig steigt. Mit 10,5 Prozent hat die Inflation im September den höchsten Wert seit 1952 erreicht. Ebenso hoch ist der Preisauftrieb beim Auswärts-Essen.

Befeuert wird die hohe Inflation bekannterweise vor allem durch die horrenden Energiepreise – und genau die sind es, die Martina Haslinger-Spitzer die größten Sorgen bereiten. "Gasrechnungen werden erst angepasst, es ist praktisch unmöglich, irgendetwas zu kalkulieren." Haslinger-Spitzer betreibt das Gasthaus Frohes Schaffen im 21. Bezirk in Wien und ist Dobcaks Stellvertreterin in der Wirtschaftskammer. "Der Preis für Semmelbrösel hat sich innerhalb von fünf Monaten fast verdreifacht. Wiederverwenden kann man sie nicht. Frisch zu kochen ist sehr teuer geworden", sagt die Wirtin. Für sie ist klar, dass Betriebe das nicht schlucken können.

Trittbrettfahrer Gastronomie

Sind die Preiserhöhungen also tatsächlich gerechtfertigt, und ab wann werden sie zur Abzocke? Reinhold Russinger zieht andere Zahlen zurate, wenn es um die Klärung dieser Frage geht. Für den Experten der Arbeiterkammer (AK) wäre alles andere als die Feststellung, dass die Gastronomie nun auf der Teuerungswelle mitreitet, falsch. Er redet aber lieber von Trittbrettfahrern.

Die Inflation in der Gastronomie.

Mit Vorwürfen hält sich Russinger dennoch zurück. Man müsse nur die Daten anschauen, diese sprächen für sich, sagt er. In den anderen EU-Ländern liege die Teuerung in der Gastro in den vergangenen Monaten immer um zwei bis drei Prozent unter der allgemeinen Inflation, in Österreich dagegen sei sie gleich hoch wie die Teuerung.

Paprika statt Schnitzerl

Wenn der Wirt sein Schnitzel früher um 12,40 Euro verkauft habe und heuer einen bis zwei Euro draufschlage, sei das eine "satte Erhöhung". Was man aus Russingers Aussagen heraushören kann: Die Preiserhöhungen haben ein unangenehmes Geschmäckle. Rolling Pin-Herausgeber Pichler sieht das ganz anders: "Zu essen bedeutet eben nicht nur, satt zu werden", sagt der Fachmann.

Für Wirte und Gäste hat er aber einen Ratschlag parat, den manche Betriebe schon beherzigen: "Wenn es nur ums Sattsein geht, serviert man eben statt Schnitzel gefüllte Paprika – sie schmecken ausgezeichnet und auch noch gesund." (Regina Bruckner, Andreas Danzer, 23.10.2022)

In Deutschland ist die Inflation auf einem Höchststand. Menschen mit geringem Einkommen können sich kaum noch Lebensmittel leisten.
DER STANDARD