Georgia Meloni ist die erste Ministerpräsidentin in der Geschichte Italiens.

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Rom – Der italienische Präsident Sergio Mattarella hat am Samstag im Quirinal, dem Sitz des Staatsoberhaupts in Rom, die neue Regierung unter der neuen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vereidigt. Damit rückt erstmals in Italien eine Frau zur Premierministerin auf. Die 45-jährige Meloni ist die drittjüngste Regierungschefin in der republikanischen Geschichte Italiens.

Die Ministerinnen und Minister schworen vor Präsident Mattarella ihre Treue zur italienischen Republik. Die Regierung, die 68. seit der Gründung der Republik in Italien im Jahr 1946 und die erste der 19. Legislaturperiode, entsteht vier Wochen nach den Parlamentswahlen am 25. September, aus denen Melonis Rechtskoalition als klare Siegerin hervorgegangen ist. Meloni folgt auf den parteilosen Ex-EZB-Chef Mario Draghi, der seit Februar 2021 im Amt war und im Juli gestürzt wurde. Dem neuen Kabinett gehören 24 Minister an, darunter sechs Frauen. 19 Minister sind Politiker und fünf Fachleute.

Neues Kabinett

Insgesamt entspricht die neue Regierung perfekt den politischen Machtverhältnissen in der Koalition. So erhielt Melonis Partei neun Minister, die Forza Italia um den viermaligen Premier Silvio Berlusconi und die Lega jeweils fünf. Meloni setzte sich zwar mit ihren Anliegen durch, schaffte es jedoch zugleich mit dem Geschick einer erfahrenen Berufspolitikerin, die Bündnispartner zufriedenzustellen.

Unter den Zuschauern im Saal des Quirinals, in dem die Vereidigungszeremonie stattfand, war auch Melonis sechsjährige Tochter Ginevra anwesend. Sie wurde von Melonis Lebensgefährten, den TV-Journalisten Andrea Giambruno, an der Hand gehalten.

So hievte Berlusconi seinen langjährigen Vertrauensmann, Ex-EU-Parlamentschef Antonio Tajani, ins Außenministerium. Lega-Chef Matteo Salvini schaffte zwar nicht die ersehnte Rückkehr ins Innenministerium, wie er es sich gewünscht hatte, tröstet sich jedoch mit dem Posten des Infrastrukturministers, der angesichts der milliardenschweren Finanzierungen, die Italien aus dem EU-Wiederaubaufonds zufließen, ein Ressort von Gewicht ist. Außerdem wird er zusammen mit Tajani als Vizepremier amtieren und somit Garant für die Stabilität der Regierung sein. Die Lega erhält mit Salvinis Vertrautem Giancarlo Giorgetti auch das Wirtschaftsministerium.

Inflation, Schulden, Wiederaufbauplan

An Herausforderungen wird es Meloni nicht fehlen. Die Energiekrise belastet Familien und Unternehmen schwer. Die Inflation stieg nun im September im Jahresvergleich um 8,9 Prozent, im kommenden Jahr droht Italien eine Rezession. Der Handlungsspielraum wird durch eine gigantische Schuldenlast von 150 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) eingeschränkt – nach Griechenland die höchste Schuldenquote in der Eurozone. Italien muss zügig die im EU-Wiederaufbauplan enthaltenen Ziele umsetzen, will es die Milliarden aus Brüssel erhalten. Also heißt es, keine Zeit zu verlieren.

Die Regierungsmitglieder sind jedoch zuversichtlich, dass das neue Kabinett halten und die vielen Herausforderungen bewältigen wird. "Wir haben eine Regierung von Niveau auf die Beine gestellt, die fünf Jahre lang dauern wird", kommentierte Lega-Chef Salvini. Kritisch zeigte sich dagegen Sozialdemokraten-Chef Enrico Letta, der die Opposition in Rom anführt. "Nachdem ich die Liste der Meloni-Regierung gehört habe, sage ich noch lauter: Opposition, Opposition! Die einzige Neuerung ist eine Frau als Ministerpräsidentin, eine historische Tatsache für unser Land, die objektiv anerkannt werden muss", twitterte Letta.

Internationale Glückwünsche

Die Vereidigung löst den Beifall des ungarischen Premiers Viktor Orban aus, der seit Jahren freundschaftliche Beziehungen zur Chefin der Rechtspartei unterhält. "Ich gratuliere Giorgia Meloni zur Bildung ihrer Regierung. Heute ist ein großer Tag für die europäische Rechte", twitterte Orban.

Unten den ersten Gratulanten war Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán.

Glückwünsche erhielt Meloni auch von Marine Le Pen, der Chefin des französischen Rassemblement National (RN). "Ich wünsche Giorgia Meloni, der neuen Ministerpräsidentin von Italien, und Matteo Salvini, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten, viel Erfolg. Überall in Europa kommen Patrioten an die Macht und mit ihnen das Europa der Nationen, auf das wir hoffen", betonte Le Pen.

Der tschechische Premierminister Petr Fiala sieht Möglichkeiten einer engen Zusammenarbeit mit Meloni. "Ich kenne ihre Position zur europäischen Integration und ich glaube, dass eine gute Zusammenarbeit möglich ist", so Fiala im Interview mit der Tageszeitung "La Stampa" (Samstagausgabe). Die Tschechische Republik hat in diesen sechs Monaten die Präsidentschaft der Europäischen Union inne.

Gratulation aus Brüssel

Glückwünsche für Meloni trafen auch aus Brüssel ein. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gratulierte Meloni als "erster Frau in dieser Funktion". "Ich bin bereit und glücklich, auf konstruktive Weise mit der neuen italienischen Regierung zusammenzuarbeiten und Antworten auf die Herausforderungen zu finden, die uns bevorstehen", twitterte von der Leyen.

"Europa steht vor enormen Herausforderungen. Europa braucht Italien. Gemeinsam werden wir alle Schwierigkeiten überwinden. Gute Arbeit!", schrieb die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, in einem Tweet auf Italienisch.

Übergabe der Regierungsgeschäfte am Sonntag

Nach der Vereidigung begeben sich Meloni und das Kabinett am Sonntag zum Palazzo Chigi im Zentrum Roms, dem offiziellen Sitz des Regierungschefs. Dort übergibt der scheidende Ministerpräsident Mario Draghi offiziell seiner Nachfolgerin die Regierungsgeschäfte. Als symbolische Geste wird dabei eine Handglocke überreicht, mit der der Ministerpräsident traditionell die Kabinettssitzungen eröffnet. Meloni wird sich einige Tage Zeit nehmen für ihre Ansprache zur Amtseinführung, die sie den Parlamentskammern kommende Woche vorlegen wird. Dabei wird sie ihr Regierungsprogramm vorstellen. Erwartet wird, dass die Vertrauensabstimmung in Kammer und Senat Mitte nächster Woche stattfindet.

Als ersten ausländischen Politiker wird Meloni in ihrer Rolle als Italiens neue Premierministerin den französischen Präsidenten Emmanuel Macron treffen, der am Sonntag in Rom erwartet wird. Am Dienstag trifft er den Papst. Franziskus hat den französischen Staatspräsidenten seit dessen Amtsantritt 2017 bereits zwei Mal im Vatikan empfangen, zuletzt Ende November 2021. Macron reist anlässlich des Jahrestreffens der katholischen Basisgemeinschaft Sant' Egidio nach Rom. (APA, 22.10.2022)