Dietrich Mateschitz, Meister des Marketings, scheute zeit seines Lebens die Öffentlichkeit.

Foto: dpa/picturedesk.com/Jan Woitas

Sein globales Imperium entsprang einer Quelle an energiespendenden Getränken. Sein Talent für Marketing führte ihn über den Extremsport in die Welt des Fußballs und der Autorennen. Seine weltanschaulichen Vorstellungen vermittelte er im deutschsprachigen Raum über ein eigenes Medienreich einem Millionenpublikum.

Dietrich Mateschitz, Gründer von Red Bull, machte mit kleinen Dosen an Softdrinks ein Vermögen. Mit Athleten, die sich aus der Stratosphäre stürzen, als Basejumper ihre Grenzen austesten, mit Gleitschirmen um die Wette fliegen oder auf Bikes Berge runterjagen, pflegte der gebürtige Steirer seine Marke. Eigene Fernsehsender und Hochglanzmagazine boten ihm für halsbrecherische Höchstleistungen und Heldentum die große Bühne.

Er selbst scheute zeit seines Lebens die Öffentlichkeit. Große Feste mied er. Von Journalisten fühlte er sich missverstanden. Message-Control innerhalb seines Konzerns perfektionierte er, ehe österreichische Politiker wussten, was das überhaupt ist.

Lieber setzte er sich in seiner Heimat Denkmäler, belebte reihenweise alte Schlösser, Forstgüter, Hotels und Wirtshäuser, vor allem aber den Motorsport. Mateschitz holte den Grand Prix nach Österreich zurück. Die Formel 1 mischte er ebenso auf wie den Fußball.

Der Red-Bull-Boss gab sich im Kleinen gern großzügig. So manch neuer Gartenzaun und apartes Balkongeländer im Murtal rund um Spielberg wurden über seine Geldtöpfe im Dienste der Verschönerung der Heimat finanziert. Seine Landesgenossen schätzten ihn als Bierbrauer, Wasserabfüller, Thermeninvestor, Züchter von Schafen und Rindern, die er zu wohlfeilen Preisen regional vermarktete.

Wer sich seinen Launen widersetzte, lernte die andere Seite des Mäzens kennen. 264 Mitarbeiter von Servus TV riskierten ihren Job, als sie 2016 gegen seinen Willen einen Betriebsrat gründen wollten. Alte Geschäftspartner und junge Start-ups, die seine Regeln infrage stellten, bekamen die Hörner des Bullen ebenso zu spüren. Schriftlich legte er sich ungern fest. Kleine Betriebe, in die er sein Geld steckte, sahen sich mit äußerst unüblichen, für sie nachteiligen Klauseln konfrontiert.

Dietrich Markwart Eberhart Mateschitz wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Geboren in der 2.800-Einwohner-Gemeinde St. Marein im Mürztal, zog es ihn für das Studium des Welthandels nach Wien. Zehn Jahre verweilte er an der Wirtschaftsuniversität als Bummelstudent. Karriere machte er im Marketing beim Zahnpasta-Hersteller Blendax. Bis ihn eine Dienstreise nach Asien führte.

Siegeszug der Dose

Der Rest ist die in mehreren Versionen oft erzählte Geschichte eines Selfmade-Milliardärs. Eine davon: An einer Hotelbar in Hongkong las er über einen aufputschenden Drink namens Krating Daeng (Deutsch: roter Stier), mit dem sich hohe Margen erzielen ließen.

Der damals 38-Jährige kam mit der thailändischen Eigentümerfamilie Yoovidhya ins Geschäft und investierte all sein Erspartes, um den Muntermacher den Europäern schmackhaft zu machen. Das picksüße und in der Herstellung spottbillige Kracherl aus Koffein, Zucker, Taurin, Aromen und Farbstoffen schlug nach kurzer Aufwärmphase ein wie eine Bombe. Der Energydrink ward geboren.

Mit Red Bull Racing gewann Mateschitz insgesamt sechs Weltmeistertitel in der Formel 1.
Foto: imago images / Sven Simon

Mateschitz sicherte sich 49 Prozent der Gewinne aus dem weltweiten Absatz der silbern-blauen Dosen und das alleinige Vertriebsrecht für die Marke Red Bull. Er konzentrierte sich ausschließlich auf Verkauf und Vermarktung des Zuckerwassers, in das er jährlich Milliarden Euro pumpte. Die gesamte Produktion wickelt seit der Einführung der Marke 1987 der Vorarlberger Getränkehersteller Rauch ab.

Rauch füllt Red Bull in Ludesch-Nüziders in Vorarlberg und in Widnau in der Schweiz ab. Seit 2021 wird in einem gemeinsamen Werk in den USA in Arizona produziert. US-Medienberichten zufolge ist ein zweites Werk in den USA in North Carolina geplant, um rascher expandieren zu können. Kolportierte Kosten: 650 Millionen Euro.

Red Bull ist mit jährlich knapp zehn Milliarden verkauften Dosen der größte Energy-Drink-Konzern der Welt und Österreichs bekannteste Marke. Der Umsatz der Wachhaltelimonade stieg 2021 eigenen Angaben zufolge um 24 Prozent auf 7,8 Milliarden Euro.

Der Konzern erzielte mit weltweit mehr als 13.000 Mitarbeitern schon im Corona-Krisenjahr 2020 beim Gewinn ein Rekordergebnis von 1,6 Milliarden Euro, was nicht zuletzt dem österreichischen Fiskus diente. Die Hälfte des Jahresüberschusses floss als Dividende an die Eigentümer ab. Kein anderes Produkt made in Austria legte in den vergangenen Jahrzehnten einen rasanteren Siegeszug hin.

Gewichtigste Abnehmer sind Europäer und US-Amerikaner. Massive gesundheitliche Bedenken an dem Gummibärchensaft vor allem in Kombination mit Alkohol bremsten ihren Durst auf das von Red Bull verkaufte Lebensgefühl nicht. Wiewohl Ernährungswissenschafter vor der hohen Dosis an Koffein und Zucker warnen und Konsumentenschützer ein Verkaufsverbot an Minderjährige fordern.

Mateschitz wird ein Vermögen von mehr als 25 Milliarden Euro nachgesagt. Forbes listet ihn als reichsten Österreicher. Geld, das in der exklusiven Zentrale in Fuschl am See zusammenläuft, für die keine Kosten gescheut wurden, sei nie seine Triebfeder gewesen, sagte er in raren Interviews, in denen er auch seine Missbilligung von Banken, Börsen, Hierarchien und dem Tragen von Krawatten kundtat.

Eigenwilliges Weltbild

Kritik an der Asylpolitik der Regierung und den Grünen, eine Verteidigung des früheren US-Präsidenten Donald Trump und Beschwerden über das Meinungsdiktat "einer selbst ernannten intellektuellen Elite" rückten ihn in die Nähe des Rechtspopulismus. Viel mehr blieb in der Öffentlichkeit über sein eigenwilliges Weltbild, das er Journalisten der Kleinen Zeitung auf einer seiner abgeschiedenen Almen präsentierte, nicht hängen.

Er selbst bezeichnete sich als Individualist und Nonkonformist. Sein Fernsehsender Servus TV zelebriert Heimatliebe und schlug sich in Zeiten der Pandemie auf die Seite der Gegner der Corona-Maßnahmen.

Mateschitz mit Sohn: Mark Mateschitz, der unter dem Namen Gerhardter aufwuchs, ist ein möglicher Nachfolger an der Spitze des Unternehmens. Der Ball über die Zukunft des Konzerns liegt freilich in den Händen der thailändischen Mehrheitseigentümer.
Foto: APA/BARBARA GINDL

Freunde sagen Mateschitz Handschlagqualität nach. Schriftliche Verträge lagen ihm nicht. Steueroasen will sich der Besitzer der Insel Laucala im Pazifik, die er sich 2003 um zehn Millionen Euro gönnte, nie bedient haben. 2020 soll Red Bull laut der Rechercheplattform Dossier rund 405 Millionen Euro an den österreichischen Fiskus abgeliefert haben. Ihr zufolge sind jedoch auch Markenrechte auf Steuerparadiesen wie den Cayman Islands registriert.

Privat wohnte Mateschitz mit seiner Lebensgefährtin in einer Villa in Salzburg-Nonntal. Verheiratet war er nie. Ihm Verbundene halten sich geflissentlich an ein Sprechverbot über sein Privatleben. Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde St. Marein zu werden, lehnte er ab. Seinen Sohn Mark (30), der unter dem Namen Gerhardter aufwuchs, baute er als möglichen Nachfolger auf. Der Ball über die Zukunft des Konzerns liegt freilich in den Händen der thailändischen Mehrheitseigentümer, die in zweiter Generation die Zügel in der Hand hält. An seine Leidenschaft fürs Fliegen, mit der Mateschitz Red Bull in der Werbung Flügel verlieh, erinnert ein Flotte historischer Flugzeuge am Salzburger Flughafen.

Dietrich Mateschitz erlag im Alter von 78 Jahren einer schweren Krankheit. Das teilte Red Bull am Samstag in einer E-Mail allen Mitarbeitern mit. (Verena Kainrath, 22.10.2022)