Wie geht es mit Mateschitz' Medien ohne Mateschitz weiter?

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Salzburg – Mit Dietrich Mateschitz stirbt der Kopf, der Finanzier, der eigentliche Programmchef und das wichtigste Publikum eines hunderte Millionen Euro schweren Medienimperiums – des Red Bull Media House von der Streamingplattform redbull.com über "Terra Mater" bis Servus TV. Die Zukunft von Mateschitz' nicht nur für Österreichs großer Medienwelt ohne ihr Mastermind wirkt ungewiss. Kolportiert wird, Mateschitz habe Medien wie Servus mit einer Stiftungslösung über Jahre abgesichert.

Zweitgrößter Medienkonzern im Land

Mit 440 Millionen Euro Jahresumsatz laut jüngstem vorliegendem Jahresabschluss ist das Red Bull Media House der zweitgrößte Medienkonzern im Land, kleiner als der ORF mit seiner guten Milliarde, aber größer als alle privaten Medienhäuser vom "Krone"-"Kurier"-Riesen Mediaprint und der Styria Media Group bis ProSiebenSat1Puls4 und Sky.

Ein Großteil dieser 440 Millionen Euro kommt allerdings nicht aus den bei Medien gemeinhin wichtigsten Einnahmequellen – vom Publikum und aus der Werbung. Dieser Marktumsatz dürfte beim Red Bull Media House nach STANDARD-Schätzungen bei rund 60 bis 70 Millionen Euro liegen – der insgesamt recht schweigsame Red-Bull-Konzern gibt auch dazu bisher keine Daten heraus.

Dosen-Marketing und Lebenswelt

Und woher kommen die übrigen 370 bis 380 Millionen Euro? Aus dem Red-Bull-Konzern selbst. Denn Medien und Medienproduktionen, insbesondere Video, sind eine der oder die wichtigste Vermarktungsschiene für die Marke, insbesondere Red Bull, und das damit transportierte Lebensgefühl – Sport und Extremsport, Events, (Club-)Kultur, große Helden und Abenteuer.

Videos und andere Medien aus dieser Welt liefert Red Bull von diesen Events über sein Media House an Medien in alle Welt und erzielt so millionenfache Publikumskontakte. Die Marke findet sich stets im Bild, mal aufdringlicher, mal dezenter, aber immer wahrnehmbar. Spektakulär als Event etwa der Stratosphärensprung von Felix Baumgartner 2012.

Red-Bull-Streaming statt Global TV

In diese mediale Vermarktungs- und Lebensweltlogik passt das Streamingportal auf redbull.com sehr zentral – Dietrich Mateschitz ließ intern einmal wissen, Youtube hätte eigentlich Red Bull einfallen müssen. Auf der Google-Videoplattform ist Red Bull ein ganz großer Player aus Österreich. Red Bull Records gehört in dieses Lebensgefühl-Segment. Und Der Dose dient etwa auch das Printmagazin "Red Bulletin", mit globalen Dimensionen gestartet wie ein weltumspannendes Red-Bull-TV-Projekt, das freilich zeitgemäßer im Redbull.com-Streaming mündete.

Mateschitz' Leibsender Servus TV

Nebenprodukt dieser globalen Fernsehpläne und doch zugleich Herzensanliegen des Masterminds Dietrich Mateschitz selbst war Servus TV. Er übernahm in den 2000ern den Regionalsender Salzburg TV, wie er einmal sagte, um Fernsehen zu lernen, und machte daraus 2009 Servus TV. Wichtigste Zielgruppe des Senders: Dietrich Mateschitz. Regionales, Heimat, Wissenschaft in großer Produktionsqualität, Talksendungen mit einem etwas anderen Blickwinkel als etwa der ORF – dessen ORF 2 man eigentlich angreifen und alsbald einholen wollte. Anfangs praktisch ohne Nachrichten, aber ab 2015 mit Ferdinand Wegscheider auch mit News in Mateschitz passenden Bahnen.

Formel 1, Fußball-EM: Abermillionen für Sportrechte

Servus TV startete als eine Art überregionaler Regionalsender für den Alpenraum, immer wieder mit größeren und kleineren Deutschland-Anläufen, wie auch derzeit mit der Fußball-EM 2024 – die Rechte liegen bei Servus TV. Mit Milliardär Mateschitz' Wohlwollen kaufte Servus TV in den vergangenen Jahren Premiumsport in Bausch und Bogen – und ließ die Branche rätseln, wie der bisher nicht aus der Verlustzone gekommene Sender die hohen zweistelligen oder gar dreistelligen Millioneninvestments in Sportrechte wieder einspielen könnte. Red Bull – siehe oben – schweigt über Zahlen.

Die Marktanteile stiegen, auch wegen der etwas anderen Nachrichtenpolitik; Servus hält aber bei rund vier bis viereinhalb Prozent Marktanteil im Gesamtpublikum, mehr als die anderen Privatsender; ORF 2 kommt auf rund 22 Prozent.

Magazinkonzern, Buchverlagsgruppe

Ein Magazinerfolg wurde das Heimatmagazin "Servus in Stadt und Land", größtes Kaufmonatsmagazin des Landes, dazu gesellten sich etwa "Bergwelten", "Speedweek", "Carpe diem" und das Wissensmagazin "Terra Mater". Die frühere ORF-"Universum"-Redaktion gründete für Mateschitz die international vielfach ausgezeichnete Produktionsfirma Terra Mater.

Die "Speedweek" war auch eines der ersten Medien aus Mateschitz' Reich, die am Freitag mit einem großen, sehr persönlichen Nachruf vom Konzernboss Abschied nahmen. Geschäftsführer und Chefredakteur Günther Wiesinger dankte Mateschitz etwa mit:

"Didi, deine Gesellschaft war immer stimmungsvoll und bereichernd, die Gespräche verliefen oft lehrreich und unterhaltsam, du warst guten Argumenten gegenüber zugänglich, deine Schlagfertigkeit und Ironie bleiben unvergesslich. Dein Qualitätsbewusstsein, deine Zielstrebigkeit, dein strategisches Denken, und die Schnelligkeit deiner Gedanken haben mich nicht selten sprachlos zurückgelassen."

Mit Benevento gehört zur Gruppe auch eine Buchverlagsgruppe mit Marken wie dem zugekauften Sachbuchverlag Ecowin und Editionen nach Medienmarken des Hauses.

"Addendum" und "Pragmaticus"

Etwas abseits des Red Bull Media House gründete und finanzierte Mateschitz Medien nach seinen Vorstellungen – etwa die mit großem Aufwand gestartete Rechercheplattform "Addendum", an der er im August 2020 plötzlich nach drei Jahren das Gefallen verlor, als sie gerade Traktion beim Publikum gewann. 2022 startete der Dosenmilliardär die Zeitschrift "Pragmaticus", die sich wissenschaftlich, aber journalistisch aufbereitet, grundlegenden Themen von Gesellschaft bis Geopolitik widmen soll und gerade im September 2022 nach einem Abo-Zugang auch in den Einzelverkauf ging.

Mehrheit und Sagen bei Red-Bull-Partnern

Mit Dietrich Mateschitz' Ableben laufen im ganzen Red-Bull-Konzern Vorrechte für den österreichischen Gründer aus. Über die künftige Konzernpolitik – auch für den Medien-Arm des Imperiums – müssen sich die Erben, insbesondere sein im Konzern arbeitender Sohn Mark Mateschitz mit den Mehrheitseigentümern aus Thailand, der Familie Yoovidhya, abstimmen, die nun das Sagen hat.

Absicherung für Servus TV

Medienaktivitäten, die der Marke und ihrem Erfolg dienen, dürften hier weniger Diskussionsbedarf haben als Marken im Sinne des Konzerngründers.

Schon in den vergangenen Jahren wurde spekuliert, Milliardär Mateschitz würde seine Lieblingsmedien wie insbesondere Servus TV mit einer Stiftungslösung absichern – die sich aber auf den ersten Blick im Firmenbuch nicht zeigt. Sollte – kolportiert deutlich zwei- bis dreistelliger jährlicher Millionenaufwand mit Konzernhilfe – für Servus TV zutreffen, müsste eine Stiftung für eine längerfristige Perspektive sehr ordentlich dotiert sein. (Harald Fidler, 23.10.2022)

Update: Mateschitz' Kunst und Kultur DM Privatstiftung

Update: Erst im August 2022 hat Dietrich Mateschitz (DM) seine Quo Vadis Veritas Privatstiftung in Kunst und Kultur DM Privatstiftung umbenannt, berichtete zunächst der "Trend".

Der Stand laut Firmenbuch: Am 27. September 2022 haben die Stifter – Dietrich Mateschitz mit 990.000 Euro eingebrachtem Stiftungsvermögen und die Servus Medien GmbH mit 10.000 Euro – den Stiftungszweck erweitert um die Förderung von Sport, Heimo Quaderer (Partner und Verwaltungsrat der Liechtensteiner Principal Vermögensverwaltung AG) zusätzlich in den Vorstand berufen und die Funktionsperiode der Stiftungsvorstände von bisher einem auf fünf Jahre verlängert.

Der Vorstand besteht derzeit (Stand: 25. Oktober 2022) laut Firmenbuch aus Mateschitz als Vorsitzendem, Quaderer und Walter Bachinger sowie Volker Viechtbauer, beide mit vielen Managementfunktionen von Mateschitz- und Red-Bull-Aktivitäten.

Der Stiftungszweck ist "ausschließlich gemeinnützig", Ziel sei die Förderung des demokratischen Staatswesens durch staatsbürgerliche Bildung, Erwachsenen- und Volksbildung, von Kunst und Kultur, des Umweltschutzes, der Völkerverständigung und, nun neu, des Sports.

Die Stiftung speist sich laut Stiftungsurkunden unter andem aus "Spenden, Vermächtissen, Zuschüssen, Zuwendungen", die beiden Stifter behalten sich "das Recht vor, weitere Vermögenswidmungen vorzunehmen" über die eine Million Euro zum Start hinaus.

Die Stiftung wurde 2017 eingetragen als Eigentümer des – 2020 überraschend eingestellten – Rechercheportals "Addendum". (Update: fid, 25.10.2022)