Mit Giorgia Meloni führt zum ersten Mal eine Frau die Regierungsgeschäfte Italiens.

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Mit der offiziellen Amtsübergabe des abtretenden Premiers Mario Draghi an die neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia, schlägt Italien ein neues Kapitel auf – ein historischer Moment, und das gleich in zweifacher Hinsicht. Zum ersten Mal führt nun eine Frau die Regierungsgeschäfte der drittgrößten Volkswirtschaft der EU, was unabhängig von ihrer politischen Herkunft eine gute Nachricht ist: Die Wahl Melonis zeigt allen jungen Italienerinnen, dass es Frauen auch in Italien in die höchsten Ämter schaffen können.

Zum ersten Mal seit der Mussolini-Diktatur – und fast auf den Tag genau hundert Jahre nach dem faschistischen "Marsch auf Rom" – wird in Italien aber auch eine Partei Sagen haben, deren ideologische Wurzeln im Faschismus liegen. Das ist ebenfalls historisch – und die deutlich weniger gute Nachricht.

Faktor Zeit

Einen Rückfall in finstere Zeiten befürchtet in Italien zwar niemand ernsthaft, aber fest steht: Erstmals seit dem unrühmlichen Ende der vierten Regierung von Silvio Berlusconi Ende 2011 hat Italien nun wieder eine reine Rechtsregierung, die wahrscheinlich rechteste der Nachkriegszeit.

Wie weit Meloni ihre zum Teil ultrakonservativen gesellschafts- und familienpolitischen Ideen wird durchsetzen können, wird sich weisen. Die Schlüsselressorts jedoch, die Europa am meisten interessieren, hat sie mit zwei Persönlichkeiten besetzt, die für eine Fortsetzung der "Agenda Draghi" stehen: Antonio Tajani, ehemaliger Präsident des Europaparlaments, wird Außenminister; und der Betriebsökonom Giancarlo Giorgetti, Absolvent der Mailänder Elite-Universität Bocconi und innerhalb der Lega moderater Gegenpol zum rabiaten Rechtspopulisten Matteo Salvini, wird Finanzminister.

Wie sehr Meloni Italien und seine Außenbeziehungen verändern wird, hängt auch stark vom Faktor Zeit ab: Margaret Thatcher hatte Großbritannien (1979-90) mehr als zehn Jahre regiert und ihr Land dabei komplett umgekrempelt. Ihre Parteigenossin Liz Truss dagegen wird mit ihren 45 Tagen in Downing Street 10 als Randnotiz in die Geschichtsbücher eingehen.

Meloni konnte beim wüsten Postenschacher in ihrer Koalition während der Regierungsbildung ihre schwierigen Regierungspartner Silvio Berlusconi und Matteo Salvini zwar halbwegs in Schach halten – doch bezüglich der Stabilität und dem Durchhaltevermögen der in Wahrheit vom ersten Tag an zerstrittenen Koalition bestehen große Fragezeichen. Man wird es ja sehen.

Giorgia Meloni und ihre Regierung sind demokratisch gewählt worden – jetzt sollen sie erst einmal regieren und an ihren konkreten Taten gemessen werden. (Dominik Straub, 23.10.2022)