Alexander Schallenberg traf auf seinen Amtskollegen Park Jin.

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Schon am Samstag hatten in Seoul mehrere Zehntausend Menschen gegen die linksliberale Opposition demonstriert.

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Andernorts in der südkoreanischen Hauptstadt machten Gegner des konservativen Präsidenten Yoon Suk-yeol ihre Meinung deutlich.

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Zehn Spuren hat die zentrale Straße Sejong-daero in Seoul, doch am Samstagnachmittag ist kein Durchkommen. Aktivisten haben sie für eine Großdemonstration blockiert. Enthusiastisch werden koreanische und amerikanische Flaggen geschwenkt, übersteuernde Mikrophon-Stimmen hallen durch die Innenstadt.

Demonstriert wird aber nicht gegen die aktuelle Politik der Regierung, sondern gegen jene der Opposition. Rund 32.000 Anhänger der extrem rechten Liberty Unification Party sind zugegen, berichtet die Agentur Yonhap später, sie werfen der Opposition neben Korruptionsdelikten aus deren Regierungszeit auch vor, mit dem Kommunismus und Nordkorea zu sympathisieren. Andernorts demonstrieren zeitgleich etwa 16.000 Linksliberale gegen die konservative Regierung von Präsident Yoon Suk-yeol. Zusammenstöße konnten vermieden werden.

Auch in größerem Maßstab ist die Stimmung auf der koreanischen Halbinsel, wo Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg am Wochenende zu einem mehrtägigen Arbeitsbesuch in Seoul eintraf, gespannt. Nordkorea testet bereits seit Wochen fast im Tagestakt neue Raketen. Südkorea und die USA haben die 2018 ausgesetzten jährlichen Militärmanöver jüngst wiederaufgenommen.

Befürchtet wird zudem, Pjöngjang könnte schon bald wieder einen oder gar mehrere Atomtests durchführen. Es wäre die erste Kernwaffenexplosion seit dem Jahr 2017, vor der Annäherung zwischen Nordkoreas Diktator Kim Jong-un und dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump.

Eine Frage der Sanktionen

Schallenberg, der am Sonntag mit seinem Amtskollegen Park Jin zusammentraf, betonte nach der Unterredung, wie wichtig die Beziehung zu Seoul sei. Sein Besuch, der erste eines österreichischen Außenministers seit 21 Jahren, sei überfällig gewesen. Immerhin handle es sich um zwei demokratische, offene und exportorientierte Gesellschaften, die auch sonst viel gemeinsam hätten – unter anderem eine "interessante Nachbarschaft".

Die Nordkorea-Krise und Russlands Krieg gegen die Ukraine waren demnach auch die Hauptthemen der Unterredung. Das Ausmaß, in dem der Norden derzeit Raketen teste und die Rhetorik hochfahre sei noch nie in einer solchen Frequenz zu beobachten gewesen, habe ihm sein Amtskollege berichtet. Zusätzlich, so Schallenberg, steige womöglich das Risiko eines erneuten Atomtests. Auf einen solchen würde es aus österreichischer und europäischer Sicht "eine sehr klare Reaktion" geben, darunter wohl weitere Sanktionen.

Beachtenswert sei, dass heuer erstmals auch Südkorea Sanktionen gegen Russland erhoben habe. Man nehme in Seoul wahr, dass der Angriff auf die Ukraine nicht nur Europa, sondern alle betreffe. Für Staaten vom Schlage Österreichs – aber auch Südkoreas – wäre es "lebensgefährlich", würde es im internationalen Raum statt Rechtssicherheit nur das Recht des Stärkeren geben. Als bedeutsam strich Schallenberg auch heraus, dass sich in Südkorea das Konzept der "Economic Security" durchgesetzt habe, also Sicherheit und Wirtschaft gemeinsam zu denken und sich daher nicht von einzelnen Staaten abhängig zu machen.

130 Jahre Beziehungen

Offizieller Anlass der Reise ist das 130-jährige Bestehen von diplomatischen Beziehungen zwischen Wien und Seoul. Der Schwerpunkt soll auch in den kommenden Tagen auf dem Thema Sicherheitspolitik liegen. Eine Unterredung mit Premier Han Duck-soo ist für Montag geplant, für Dienstag ist ein Besuch in der entmilitarisierten Zone an der Grenze zu Nordkorea vorgesehen.

Schallenberg wird zudem von einer Handelsdelegation begleitet, darunter Wirtschaftskammer-Vizepräsident Philip Gady. Vor dem Treffen mit Park stand am Sonntag ein Besuch in der "Samsung Digital City" im Werk des Unternehmens in Suwon (nahe Seoul) auf dem Programm. Dort führte Schallenberg auch Gespräche mit dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden und Co-CEO Han Jong-hee.

Außerdem ließ er sich durch die südkoreanische Niederlassung von AT&S in Ansan, ebenfalls bei Seoul, führen. Der steirische Leiterplattenhersteller produziert dort mit rund 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor allem High-End-Produkte für den medizinischen Markt. (Manuel Escher aus Seoul, 23.10.2022)