Manchmal geliehene Freundlichkeit, manchmal aber von Herzen echte: Begegnungen im Hotel.

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Ein Hotel ist der Leuchtturm, der dem irrenden Wanderer in dunkler Nacht den Weg weist. Ein Hotel ist geliehenes Zuhause. Es kann luxuriös sein, ein weitläufiger Palast mit roten Teppichen und schweren goldenen Rahmen und Gartenanlagen. Eine schiefe Hütte aus Holz, von der Nordseite mit Moos bewachsen, in der man vom Geläute der Kuhglocken geweckt wird. Ein schmales Häuschen mit Dachterrasse, von der aus man die Wölbung des Planeten sieht und die Muster, die Wind und Wellen in die blaue Wölbung zeichnen.

Höher als der Elfenbeinturm

Es kann eine elegante großbürgerliche Villa sein, deren Veranda in rankenden Rosen ertrinkt und auf der man vortrefflich morgens bäckerfrische Brioche mit Marmelade und Butter speisen kann. Ein atemberaubend hoher Glasturm, höher als der Elfenbeinturm je werden könnte, aus dessen Fenstern man die Wolkenkratzer im Nebel verschwinden sieht, während an seinem Fuß Tag und Nacht ungebrochen eine wilde Flut aus Autolichtern brandet.

Gemietete Stille

Ein kleiner Raum in einem Kloster, in dem man sich Stille mietet. Ein Tinyhouse aus Glas, elegant und simpel, mit Blick ins Tal, allein und gleichzeitig in Gesellschaft. Geliehene Wärme, geliehene Aussicht. Manchmal geliehene Freundlichkeit, manchmal aber von Herzen echte. Ein Licht in fremder Stadt. Eine zuschlagende Tür am Beginn einer Weiterreise, die man in diesem Augenblick nie mehr abschließen will, von Stadt zu Berg, von Berg zu Strand und retour. (Julya Rabinowich, 23.10.2022)