Thomas Schmid wurde wegen Steuernachzahlungen des Künstlers Hermann Nitsch kontaktiert, das belegen Chat-Nachrichten.

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Ein Einbruch, bei dem Hermann Nitsch im März 2013 zumindest 400.000 Euro in Cash gestohlen wurden und der langjährige Ermittlungen der Steuerfahnder auslöste, gehörte zu den eher trostlosen Erfahrungen im Leben und Wirken des im April verstorbenen Künstlers. Wiewohl diese Steueraffäre längst als erledigt gilt, landete sie jetzt auf dem Radar der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), wie aus einem aktuellen Aktenvermerk hervorgeht. Denn die WKStA prüft nun mehrere Interventionen in Steuerangelegenheiten, ausgelöst durch die prominenten Causen Benko und Wolf.

Auch bei Nitsch gab es offenbar zumindest den Versuch einer Intervention, wie Chatnachrichten vom März 2017 nahelegen. Demnach war Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, von Agnes Husslein-Arco in dieser Angelegenheit kontaktiert worden. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Schwarzgeldeinnahmen

Die Kulturmanagerin war kurz zuvor vom damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) in den Vorstand des Leopold-Museums berufen worden. Eine Entscheidung, die teils für Kritik sorgte, da die Staatsanwaltschaft seit Monaten schon gegen die ehemalige Direktorin der Österreichischen Galerie ermittelte: wegen des Verdachts der Untreue aufgrund von Verstößen gegen Compliance-Richtlinien am Belvedere, weshalb sie als Direktorin (2007–2016) nicht verlängert worden war.

Was Husslein-Arco, mittlerweile Direktorin des Privatmuseums der im Mai verstorbenen Milliardärin Heidi Horten, damals dazu bewog, in der Steuersache Nitsch aktiv zu werden, ist unbekannt. Sie war für den STANDARD nicht erreichbar. Husslein-Arco war 2017 für die ÖVP bei den Regierungsverhandlungen mit der FPÖ aktiv; Horten hatte der ÖVP viel Geld gespendet.

Zur besseren Einordnung der Nitsch'schen Misere: Es ging um Schwarzgeldeinnahmen, um Bilderverkäufe in Schloss Prinzendorf "ab Hof" und ohne Rechnung in einem Zeitraum von 2006 bis 2010. Vorwürfe, die Nitsch und seine Ehefrau Rita vorerst vehement bestritten. "Ganz gemeine, unwahre Anschuldigungen", konterte man die vom Finanzamt hochgerechnete Steuerschuld in einer Größenordnung von etwa drei Millionen Euro. Laut einem "News"-Bericht von April 2014 hatte sich das Finanzamt die Pfandrechte an mehreren Grundstücken des Ehepaars Nitsch einräumen lassen.

Die Causa mündete in einer saftigen Steuernachzahlung und einem Finanzstrafverfahren, das Anfang Mai 2017 am Landesgericht Korneuburg zur Verhandlung kam. Die Stimmung im Hause Nitsch war im Vorfeld des Gerichtstermins wohl am Tiefpunkt.

"Shit"

"Lieber Thomas habe eben mit N. telefoniert", "sie haben bereits alles bezahlt", informierte Husslein-Arco am 20. März 2017 um die Mittagszeit – "Shit", "Das war ein Fehler", "Er hätte nochmal Einspruch erheben sollen", reagierte Thomas Schmid. "Das ist arg", antwortete Husslein-Arco, denn "er hat uns aber damals gefragt über die Höhe der Einschätzung und wir haben ihm gesagt er soll das akzeptieren – dass dann gleich ein Bescheid kommt – 1,1 + 400 für Zinsen", also 1,5 Millionen Euro insgesamt. Ob es sich dabei um eine Empfehlung aus dem Umfeld des Belvedere oder um eine private handelte, bleibt unklar. Eine aktuelle Anfrage ließ Husslein-Arco unbeantwortet.

"Kann man jetzt gar nichts mehr machen?? – und jetzt kommt noch das Strafverfahren….", fasste sie bei Thomas Schmid nach. "Kümmere mich darum", versprach dieser. Postwendend informierte er den damaligen stellvertretenden Generalsekretär und Präsidialsektionschef Eduard Müller im Hinblick auf die für Betrugsbekämpfung zuständige und von Hans-Georg Kramer geleitete Sektion IV: "Edi, Hans Georg quält den Nietsch (sic)! Bitte schaue die (sic) das an".

Die Verhandlung am Landesgericht Korneuburg am 5. Mai 2017 endete für Rita Nitsch glimpflich. Die Ehefrau hatte im Ermittlungsverfahren sämtliche Schuld auf sich genommen und ein umfassendes Geständnis abgelegt. Der ursprünglich vom Staatsanwalt erhobene Vorwurf der Gewerbsmäßigkeit der Hinterziehung wurde während der Verhandlung modifiziert, womit sich auch das Strafmaß verringerte, wie "News" damals berichtete.

Der Prozess endete nach nur 30 Minuten mit Rita Nitschs Verurteilung zu einer Geldstrafe von 290.000 Euro.

Nitschs Witwe soll nicht Bescheid gewusst haben

Den gleichen Betrag musste später auch ihr Ehemann Hermann Nitsch nachzahlen, erzählt seine Witwe jetzt im STANDARD-Gespräch. Zusätzlich zu den Steuerschulden samt Zinsen in der Höhe von etwa 1,6 Millionen Euro, die zu diesem Zeitpunkt längst beglichen worden seien. Auf die Intervention kann sich Rita Nitsch folglich rückwirkend keinen Reim machen. Sie selbst habe mit Agnes Husslein-Arco damals nicht über die Steuersache gesprochen.

Sie erinnere sich in diesem Zusammenhang nur an ein Telefonat, in dem die Direktorin des Belvedere sie habe wissen lassen, dem Finanzministerium ein dem Museum geschenkweise überlassenes Gemälde ihres Mannes mit den Worten "Ihr wisst eh, was ihr dem Nitsch antut?!" im Dezember 2014 als Leihgabe vermittelt zu haben: jenes in sattem Petrolfarbton, das im Jänner 2020 aus einem Besprechungszimmer im Finanzministerium in das Büro von Sebastian Kurz übersiedelt wurde, als dieser seine zweite Ära als Bundeskanzler antrat. Es bot damals auch die perfekte Kulisse für den Empfang des Malers im Bundeskanzleramt am 27. Jänner 2020: in Begleitung seiner Ehefrau, seiner Biografin Danielle Spera und deren Ehemanns Martin Engelberg sowie von Erwin Pröll, dem Landeshauptmann Niederösterreichs a. D. (Olga Kronsteiner, 24.10.2022)

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DER STANDARD