Mjams Neongrün prägt die Stadtbilder Österreichs.

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Wien – Fahrerinnen und Fahrer des Essenslieferdiensts Mjam haben am Sonntag auf dem Christian-Broda-Platz in Wien-Neubau erneut für bessere Arbeitsbedingungen und eine Lohnerhöhung demonstriert. Aktuell würden sie laut einem Beitrag in "Wien heute" vier Euro pro Lieferung erhalten. Bei zwei Bestellungen pro Stunde entspreche das acht Euro brutto. In einer Aussendung der PR-Agentur "Reichl und Partner", die das Unternehmen vertritt, wird jedoch betont, dass nur 1,8 Prozent der Fahrerinnen und Fahrer tatsächlich acht Euro exklusive Trinkgeld verdienen. Der durchschnittliche Stundenlohn eines freien Dienstnehmers bei Mjam betrage zwölf Euro plus Trinkgeld und übersteige somit den Kollektivvertrag-Lohn der echten Dienstnehmer von 9,21 Euro deutlich.

"In dreieinhalb Jahren sind die vier Euro gleich geblieben. Wir bekommen kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Wir haben auch keine Krankenversicherung", kritisierte ein Fahrer. Auch hier berichtigt das Unternehmen. Der Aussendung zufolge seien die freien Dienstnehmer versichert, die rund 90 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Mjam ausmachen. Angestellt sind laut "Wien Heute" nur die restlichen zehn Prozent. Von den 2.500 Fahrerinnen und Fahrern in Österreich – die meisten davon in Wien – sind das in der Hauptstadt 85 echte Dienstnehmer.

Mjam gibt sich gesprächsbereit

"Wir fordern bessere Arbeitsbedingungen, vor allem mehr Lohn. Jetzt gerade, wo alles teurer wird", sagte Mjam-Betriebsrätin Adele Siegl zu "Wien heute". "Wir arbeiten eigentlich ausschließlich in der Stadt, und die Mieten steigen. Wir arbeiten zu einem großen Teil auf E-Bikes, und die Stromkosten steigen. Wir sind den ganzen Tag im Freien und wollen in warme Wohnungen heimkommen."

Das Unternehmen ist einer schriftlichen Stellungnahme zufolge gesprächsbereit. Just zu Demonstrationsbeginn wurden die Löhne um einen Euro pro Lieferung erhöht – allerdings nur für die folgenden drei Sonntage ab 16 Uhr.

Umfrage unter Radzustellern

Laut einer Umfrage vom Juli unter rund 300 Boten, die auch andere Essenslieferdienste umfasste, sind acht von zehn Essenszustellern männlich. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 30 Jahren. Die meisten kommen aus Österreich, Deutschland, Ungarn, Italien oder Rumänien. Aus Drittstaaten sind Bürger aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und dem Jemen vertreten. Etwa ein Drittel der Boten studiert, die Mehrheit (54 Prozent) befand sich zum Zeitpunkt der Umfrage aber nicht in einer Ausbildung.

Die Umfrage zeigte weiters, dass viele Fahrer und Fahrerinnen nicht über ihre Arbeitsrechte Bescheid wissen. Nur die Hälfte der Befragten wusste, dass es einen Kollektivvertrag für Fahrradboten gibt. Überraschend war auch, dass mehr als die Hälfte der Fahrer bei Mjam und Lieferando nicht über die Existenz der Betriebsräte in diesen Unternehmen Bescheid wusste.(awie, APA, 24.10.2022)