Anlagen, die dem Ziel der Energiewende dienen, sollen künftig schneller bewilligt werden. Sie werden als Vorhaben "in hohem öffentlichen Interesse" angesehen.
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Die Reform der Umweltverfahren soll EU-Vorgaben umsetzen und dafür sorgen, dass etwa Treibhausgasemission und Bodenverbrauch bei Bewilligungen stärker berücksichtigt werden. Sie soll aber vor allem den Ausbau von Wind-, Wasser- und Sonnenkraftwerken beschleunigen. Vor knapp drei Monaten hat das Umwelt- und Infrastrukturministerium die lang erwartete Novelle des UVP-Gesetzes in Begutachtung geschickt. Aber sind die geplanten Maßnahmen tatsächlich geeignet, die Energiewende voranzutreiben? Und was ist der "Preis" dafür?

Schnellere Verfahren?

Speziell für Windkraft sieht der Gesetzesentwurf folgende Neuregelung vor: Wenn in einem Flächenwidmungsplan keine Flächen für Windkraftanlagen vorgesehen sind, soll das kein Hindernis mehr für eine Genehmigung darstellen, wenn im jeweiligen Bundesland überörtliche Vorrangs- oder Eignungsflächen ausgewiesen sind. Derzeit gibt es derartige Raumordnungsprogramme für Windkraftanlagen in Niederösterreich und in der Steiermark.

Gibt es keine solchen überörtlichen Raumplanungsprogramme, soll das ebenfalls kein Genehmigungshindernis mehr sein. Dann braucht es allerdings die Zustimmung der Standortgemeinde, was diese Erleichterung wieder massiv einschränkt.

Hybride Verhandlungen

Gibt es einen Entwurf, sollen Verfahren dadurch beschleunigt werden, indem Verhandlungen künftig auch online oder hybrid erfolgen können. Der Gesetzgeber erwartet sich dadurch, dass Sachverständige zeitlich besser verfügbar sind. Er übersieht jedoch, dass die Länge der Verfahren in den seltensten Fällen von der Verfügbarkeit der Sachverständigen für Verhandlungen abhängt. Sie resultiert viel öfter daraus, dass es übermäßig lange dauert, Gutachten zu erstellen.

Eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung soll zudem dadurch erreicht werden, dass Vorhaben der Energiewende künftig als in hohem öffentlichen Interesse angesehen werden. Genehmigungen dürfen zudem nicht mehr versagt werden, nur weil das Landschaftsbild beeinträchtigt sein könnte.

Darüber hinaus sollen Behörden die aufschiebende Wirkung von Beschwerden ausschließen können, wenn diese nicht substantiiert sind. Das ist laut den Erläuterungen zum Entwurf dann der Fall, wenn die verletzten Umweltvorschriften in der Beschwerde nicht näher bezeichnet werden und/oder nicht näher ausgeführt wird, wie diese Vorschriften konkret verletzt werden.

Geeignete Maßnahmen?

Es ist zu erwarten, dass die Maßnahmen der UVP-G-Novelle Verfahren für Vorhaben der Energiewende beschleunigen. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass Genehmigungsverfahren, die derzeit mehrere Jahre dauern können, künftig in wenigen Monaten abgeschlossen sind.

Dazu kommt, dass die Novelle wesentliche Treiber der Energiewende nicht unbedingt begünstigt oder überhaupt vergisst. So erschwert etwa die Einzelfallprüfung für kleine Wasserkraftanlagen in schutzwürdigen Gebieten den Ausbau der Wasserkraft massiv – worauf auch die österreichischen Energieerzeuger im Rahmen der Begutachtung hingewiesen haben. Erzeugungsanlagen für erneuerbaren Wasserstoff werden im Entwurf gar nicht erst erwähnt.

Verlust von Rechten

Die Maßnahmen der UVP-G-Novelle leisten also durchaus einen Beitrag zur Energiewende, wie groß er tatsächlich sein wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Klar ist, dass die Beschleunigung der Verfahren für Vorhaben der Energiewende ihren "Preis" hat. Während die Projektwerber und Erzeuger die beschränkten Mitwirkungsrechte der Gemeinden sowie den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden begrüßen, bedeutet dies für die betroffenen Gemeinden und Beschwerdeführer den Verlust von Rechten und Rechtsschutz. Ob dieser Verlust wirklich zulässig ist, kann dabei durchaus hinterfragt werden.

Frage der Effektivität

Strittig ist etwa, ob es verfassungsrechtlich erlaubt ist, die raumplanerischen Befugnisse der Gemeinden zu beschränken. Und ob der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes tatsächlich gerecht wird. Umstritten ist das deshalb, weil fraglich ist, ob eine Verletzung geschützter Umweltgüter im Nachhinein wiedergutgemacht werden kann – etwa dann, wenn einer Beschwerde stattgegeben wird und ein bereits umgesetztes Vorhaben rückgebaut werden muss.

Verhandlungen online durchzuführen ist im Lichte der Verfahrensgarantien ebenfalls kritisch zu sehen, da dies ältere Personen sowie Personen, die über keine ausreichende Infrastruktur verfügen, benachteiligt.

Ob die Verfahrensbeschleunigung zulasten der Verfahrens- und Beteiligtenrechte verfassungs- und europarechtlich gerechtfertigt ist, bleibt also vorerst unklar. Letztlich werden die Höchstgerichte darüber entscheiden müssen. (Harald Strahberger, 24.10.2022)