Eine Impfkampagne in Gambia dieses Jahr. Bisher erhielt Afrika nur einen Bruchteil der global verfügbaren Coronaimpfstoffe.
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Corona-Impfstoffe sind ein Privileg der reichen Nationen – zu diesem Schluss konnte man seit der Zulassung und Auslieferung der ersten Corona-Vakzine kommen. Schon bald gab es Stimmen wie die der NGO Ärzte ohne Grenzen, die ein Aussetzen des Patentschutzes forderten, damit auch weniger wohlhabende Nationen Zugang zu genügend Impfstoff erhalten.

Das Unternehmen Biontech reagierte seinerseits mit der Ankündigung, möglichst bald Produktionskapazitäten in ärmeren Ländern aufzubauen, um auch dort die Versorgung zu gewährleisten. Nun sollen diese Pläne Realität werden.

Im ruandischen Kigali entsteht Biontechs erste Produktionsstätte in Afrika zur Herstellung von Vakzinen auf mRNA-Basis – auf dem Kontinent für den Kontinent. Losgehen soll es 2024, produziert werden kann dort künftig neben Covid-19-Impfstoff potenziell auch mRNA-Impfstoff etwa gegen Tuberkulose und Malaria im Fall einer Zulassung. Doch es gibt auch Kritik an den Afrikaplänen des Unternehmens.

Wie die Anlage mit Containermodulen als Herzstück aussehen und funktionieren soll, erläuterte die für den Aufbau in Kigali zuständige Biontech-Managerin Miriam Ostheimer kürzlich an einer Hochschule der Stadt. Stehen sollen die Container später auf dem Gelände einer Sonderwirtschaftszone, in der sich auch schon Volkswagen niedergelassen hat.

Eine neu eröffnete Produktionsstätte für RNA-Impfstoffe in Hamburg. Künftig soll die Produktion auch in Containern möglich sein.
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Aufbau der Container im März

Im Dezember gehen die ersten Spezialcontainer von Irland aus auf den Weg Richtung Afrika. In Ruanda sollen sie im März eintreffen, im Verlauf des Jahres 2024 plant Biontech den Start der Produktion. Zunächst können zwei sogenannte BioNTainer pro Jahr laut dem Unternehmen 50 Millionen Dosen des Covid-19-Impfstoffs Comirnaty von Biontech/Pfizer herstellen, perspektivisch soll die Kapazität verdoppelt werden.

Die Idee der modularen und damit transportfähigen Anlage mit Containern hatte Biontech im Februar 2022 in Marburg vorgestellt. Dort stehen bereits Prototypen. Die Anlagen verfügen etwa über Reinräume, Luftschleusen für Material und Technik, auch mit sogenanntem Reinstwasser wird gearbeitet, um die Ausrüstung für die Produktion entsprechend zu reinigen.

Wichtig seien bei der Konzeption Schnelligkeit und Flexibilität gewesen, erklärt Ostheimer. Mit vergleichsweise geringem Aufwand könne auf die Produktion anderer mRNA-Impfstoffe umgestellt werden. "Man hat dann die Küche und muss nur die Zutaten wechseln", sagt Ostheimer. Derzeit werde an vielen Ecken parallel gearbeitet, wie etwa Vorgaben der ruandischen Arzneimittelbehörde oder andere Regularien vor Ort eingehalten werden könnten. Sämtliche ruandischen Partner seien sehr zielorientiert, lobt Ostheimer.

Biontech betont, dass Ruanda der Auftakt in Afrika sein soll. Im Senegal ist ein weiterer Standort geplant, eventuell wird es noch einen in Südafrika geben. Alle in Afrika hergestellten Impfstoffe seien für Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union bestimmt. In Kigali will das Unternehmen bis Ende 2024 rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Das Interesse sei groß, für die ersten 24 Stellen seien mehr als 2.000 Bewerbungen eingegangen, neunzig Prozent davon aus Ruanda.

Lob und Kritik

Ärzte ohne Grenzen begrüßt grundsätzlich, dass Biontech Produktionskapazitäten in Afrika aufbaut. Es sei immer positiv, Vakzine dort herzustellen, wo sie gebraucht würden, sagt Impfstoffexpertin Meike Schwarz. "Aber wir hätten uns während der Pandemie auch ein zügigeres Vorgehen, etwa durch einen Technologietransfer an Hersteller im globalen Süden oder die Zusammenarbeit mit dem mRNA-Hub, gewünscht."

Schwarz meint damit den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Südafrika aufgebauten mRNA Hub, der sich Technologietransfer auf die Fahnen geschrieben hat. Dabei sollte lokalen Unternehmen das Know-how zur Verfügung gestellt werden, selbst mRNA-Impfstoffe herzustellen. Einer Studie von Ärzte ohne Grenzen zufolge wären mehr als 100 Unternehmen im Globalen Süden technisch und regulatorisch in der Lage gewesen, eine Impfstoffproduktion aufzubauen, wie Schwarz erklärt.

Erste Prototypen der Container, in denen ab 2024 in Afrika Impfstoffe von Biontech hergestellt werden sollen, wurden im Februar im deutschen Marburg präsentiert.
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Auf diese Studie verweist auch Anna Marriott, Expertin für Gesundheitspolitik bei der Hilfsorganisation Oxfam. Es gebe in vielen Ländern Afrikas Expertise, die Studie habe vergangenes Jahr acht potenzielle Produktionsstätten dort identifiziert. Sie sagt: "Wäre Biontech dem Aufruf der WHO gefolgt, seine Impfstofftechnologie mit dem mRNA-Hub zu teilen, dann wären jetzt schon Fertigungsanlagen in Afrika in Produktion und zahlreiche andere Produktionsstätten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mindestens in Vorbereitung."

Nicht nur Biontech expandiert nach Afrika, auch Moderna, US-amerikanischer Hersteller des Covid-19-Impfstoffs Spikevax, teilte im März mit, eine Absichtserklärung zum Bau einer Produktionsstätte für mRNA-Impfstoffe in Kenia abgegeben zu haben. Dort sollen bis zu 500 Millionen Dosen pro Jahr entstehen können.

Produktion in sechs afrikanischen Ländern

Die Weltgesundheitsorganisation gab im Februar auf dem EU-Afrika-Gipfel bekannt, dass mit ihrer Unterstützung in absehbarer Zeit patentfreier mRNA-Impfstoff in sechs afrikanischen Ländern hergestellt werden soll – in Südafrika, wo auch der erste afrikanische Covid-19-Impfstoff entwickelt wird, Ägypten, Kenia, Nigeria, Senegal und Tunesien. Dieser Impfstoff soll 2023 fertig sein. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte im Februar, die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie gefährlich es sei, auf einige wenige Impfstoffhersteller angewiesen zu sein.

Die Kontrolle der Produktion ist für Biontech ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Bislang erhielt Afrika nur einen Bruchteil der weltweit produzierten Corona-Impfstoffe. Plänen für ein Aussetzen des Patentschutzes für die Vakzine, wie sie schon länger von Ärzte ohne Grenzen und letztes Jahr auch von US-Präsident Joe Biden gefordert wurden, begegnete man bislang ablehnend. Erst vor kurzem kündigten Biontech und Pfizer an, den Preis für ihre Corona-Impfstoffe empfindlich anheben zu wollen. Begründet wurde das mit der gesunkenen Nachfrage. (rkl, APA, 24.10.2022)