Sebastian Kurz (ÖVP) soll Thomas Schmid beauftragt haben, der Kirche "Angst" zu machen.

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Zu den bekanntesten Chatnachrichten von Sebastian Kurz zählt wohl "Super! Bitte Vollgas geben". Seine Aufforderung richtete sich an Thomas Schmid: Der sollte der römisch-katholischen Kirche in Person von Peter Schipka "Angst machen", wie Schmid den Ermittlern in seinem Geständnis erklärte. Die beiden waren damals Generalsekretäre: Schmid im Finanzministerium, Schipka in der Österreichischen Bischofskonferenz.

Laut einer Anzeige, die Schmid im Rahmen seiner Aussagen vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingebracht hat, habe ihn Kurz damit zu einer "gefährlichen Drohung" gegen die Kirche angestiftet. Aus einem Amtsvermerk der Ermittler erschließen sich nun weitere Details zu den damaligen Vorgängen.

Grund für den Zorn des damaligen Kanzlers war Kritik von Kirchenvertretern an den Plänen der türkis-blauen Regierung, bestimmte Asylwerber in Sicherungshaft zu nehmen. Kardinal Christoph Schönborn sprach davon, dass dies "wie in einer Diktatur" wäre; Schipka nannte die Pläne einen "Anschlag auf die Menschenrechte".

"Sehr nervös"

In einem Chat vom 25. Februar 2019 bat Schmid den "lieben Peter" um einen kurzen Rückruf. Sebastian Kurz teilte er danach mit, dass die Botschaft des Finanzministeriums gewesen sei, "wahnsinnigen Druck auf Beitrag der Kirche" zu machen. Schipka sei "jetzt sehr nervös und wird nicht gut schlafen".

Als das Thema weiter aufkochte, forderte Kurz Schmid auf, wir "sollten jetzt ins Tun kommen". Thomas Schmid erklärte ihm, dass er schon einen Termin mit Schipka ausgemacht habe, und: "Wir analysieren gerade darüber hinaus alle Steuerprivilegien und Sonderzahlungen". Damit beauftragte er offenbar Dietmar Schuster – der war dann übrigens Schmids Nachfolger als Generalsekretär im Finanzministerium, die Position wurde im Sommer abgeschafft.

"Yea, das taugt mir voll"

Nach einigen Terminfindungsproblemen war es am 13. März 2019 dann so weit: "Heute ist die Kirche bei uns", meldete Schmid an Kurz, man werde "ihnen ein ordentliches Package mitgeben". Was Kurz mit den Worten "Ja super. Bitte Vollgas geben" begrüßte. "Yea. Das taugt mir voll", antwortete Schmid dem Kanzler der christlich-sozialen ÖVP.

Nach dem Termin, der zum großen Unwillen Schmids bei Schipka und nicht im Finanzministerium stattfand ("Der kommt nicht her, bist du crazy", schrieb ein Kabinettsmitarbeiter), rapportierte Schmid an Kurz: "Also Schipka war fertig! Steuerprivilegien müssen gestrichen werden. Förderungen gekürzt. Und bei Kultus und Denkmalpflege wesentliche Beiträge. Heimopfergesetz werden wir deckeln. Er war zunächst rot dann blass dann zittrig. Er bot mir Schnaps an den ich in der Fastenzeit ablehnte weil Fastenzeit. Waren aber freundlich und sachlich".

Kurz freute sich: "Super danke vielmals!!!!", wobei er Schmid mit dem inzwischen berühmten "Du Aufsichtsratssammler" betitelte und ihm versprach "kriegst eh alles was du willst". Schmids Antwort ist noch berühmter: "Ich liebe meinen Kanzler".

Schmid will Kurz angelogen haben

Laut seiner Anzeige wurde von Schmid in den Chats aber heißer gekocht als gegessen. In Wahrheit sei er gegenüber Schipka "äußerst zurückhalten" aufgetreten und habe "lediglich die budgetär schwere Situation" besprochen. "Um Kurz jedoch nicht zu enttäuschen, teilte Schmid diesem – wahrheitswidrig – mit, dass der Termin gut gelaufen sei", schrieb Schmids Anwalt Roland Kier. Eine strafrechtlich relevante "gefährliche Drohung" sieht er deswegen als gegeben an, weil Schmid im Auftrag von Kurz mit der "Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz" der Kirche gedroht habe. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Dem Vernehmen nach habe sich Kurz nach Publikwerden der Chats persönlich bei Schipka entschuldigt. Der erklärte, die Sache sei "wirklich sehr peinlich, aber nicht für mich". Und er predigte heuer für die ÖVP-Abgeordneten, die den parlamentarischen Herbst mit einer Wallfahrt zur Basilika Sonntagberg einleiteten. Dort riet Schipka der Politik, sich zu fragen, "welche Methoden wende ich an, um zu meinen politischen Zielen zu gelangen: Würden sie einer Bewertung durch andere standhalten, oder bin ich mir dabei immer selbst der Nächste?" (Renate Graber, Fabian Schmid, 24.10.2022)