Wer sich aktiv für den Klimaschutz einsetzt, kann die Angst vor der Klimakrise lindern.

Illustration: Marie Jecel/Der Standard

Der aktuelle Bericht des Weltklimarats ist keine leichte Lektüre: Von Dürren und Hungersnöten ist dort die Rede, von aussterbenden Arten, untergehenden Inseln und der Zunahme von Ungleichheit und Armut – zumindest wenn die Treibhausgasemissionen nicht bald sinken. Über diese düsteren Zukunftsaussichten nachzudenken kann aufs Gemüt schlagen. Nun gibt es ein Wort dafür: Eco-Anxiety, zu Deutsch Klimaangst, nennt die Psychologie diese negativen Emotionen.

Sie sind vollkommen natürlich, sagt Katharina van Bronswijk. Die Psychotherapeutin ist Sprecherin der deutschen Psychologists for Future und hat im Sommer das Buch Klima im Kopf zum Thema Klimaangst veröffentlicht. "Angst ist wie eine Warnleuchte, die uns auf eine bedrohliche Situation hinweist", sagt die Psychologin. Und je mehr man sich mit den Fakten beschäftigt, desto eher wird einem bewusst, dass die Menschheit in Gefahr ist.

Klimawandel als ernstes Problem

Besonders bei zu Klimathemen Forschenden sowie bei Aktivistinnen und Aktivisten sei die Klimaangst deshalb besonders ausgeprägt. In schwächerem Ausmaß ist sie aber viel weiter verbreitet. So geben in den regelmäßigen Eurobarometer-Umfragen der EU rund 90 Prozent der Befragten an, dass sie den Klimawandel als ernstes Problem sehen. Die meisten Menschen sind resilient genug, um mit diesen Gefühlen selbst fertigzuwerden – pathologisch, also behandlungsbedürftig, wird die Klimaangst fast nie.

Auch andere Gefühle treten im Zusammenhang mit der Klimakrise oft auf und haben ihre Berechtigung. Wut spüren wir etwa, wenn uns Ungerechtigkeit widerfährt oder wenn unserer Zielerreichung etwas im Weg steht, erklärt die Psychologin. Da die Klimakrise in hohem Maße auch eine Gerechtigkeits- und Verteilungsfrage sei, findet van Bronswijk diese Wut nur logisch. Auch Klimatrauer gibt es. Evolutionär gesehen ist das Gefühl der Trauer dazu da, um Verluste verarbeiten zu können. Das kann etwa ein Wald sein, der aufgrund der Trockenheit verdorrt, oder auch aufgrund des Klimawandels ausgestorbene Tierarten.

Gesunde Angst

Derartige Emotionen erfüllen aber nicht nur die Funktion, uns Gefahren aufzuzeigen, sondern auch jene, uns mit Handlungsenergie aufzuladen. "Sie sind gewissermaßen die Hummeln in unserem Hintern", sagt van Bronswijk. Ohne Emotionen gäbe es keine Motivation, keinen Antrieb, keine Orientierung – wie es bei depressiven Menschen der Fall ist. Klimaangst sei in gewisser Weise also durchaus gut – weil sie uns dazu antreibt, das Problem in Angriff zu nehmen.

Viele beginnen mit der Optimierung ihres persönlichen CO2-Fußabdrucks – ein Konzept, an dem es auch Kritik gibt. "Der Fußabdruck passt gut in unsere individualistische Denkweise", sagt van Bronswijk. Doch selbst wer sein eigenes Leben komplett umstellt, wird erkennen, dass die CO2-Emissionen auch dann immer noch zu hoch sind.

Gefühl der Ohnmacht

Menschen würden zudem eher durch die direkten Konsequenzen ihres Handelns motiviert als durch die langfristigen – das sehe man auch in anderen Bereichen, etwa bei gesundheitsschädlichem Verhalten. Zum extremen Auseinanderklaffen von Ursache und Wirkung kommt beim Klimawandel noch dazu, dass er ein kollektives Problem ist.

"Viele denken sich: Wenn ich jetzt nicht mit dem Auto zum Bäcker fahre, steht der Amazonas-Regenwald auch nicht länger", sagt van Bronswijk. Bei vielen verschärft sich die Angst deshalb noch, weil sie das Gefühl haben, persönlich wenig gegen die Klimakrise unternehmen zu können. "Wir leben in einem System, das uns ein klimaneutrales Leben de facto unmöglich macht", sagt die Psychologin.

Kollektive Selbstwirksamkeit

Das beste "Gegengift" gegen Ängste sei laut van Bronswijk die sogenannte Selbstwirksamkeit. Darunter versteht die Psychologie die Überzeugung, selbst mit einem Problem fertigzuwerden. Auch gegen Klimaangst wirkt sie – wobei es hier vor allem die kollektive Selbstwirksamkeit ist, die Linderung verspricht. "Es geht um das Gefühl ‚Zusammen schaffen wir das!‘", sagt van Bronswijk. Ein klimafreundlicher Lebensstil sei dabei nur der erste Schritt. Man könne etwa im eigenen Unternehmen dazu beitragen, dass Erfolgskriterien ökologisch überarbeitet werden – oder für mehr Klimaschutz demonstrieren gehen. Schließlich liege es bei der Politik, klimafreundliche Lebensentwürfe zu ermöglichen und zu fördern.

Van Bronswijk fordert außerdem eine neue Zukunftserzählung. Oft gehe es in der öffentlichen Debatte vor allem darum, was wir verhindern wollen – etwa Konflikte oder Naturkatastrophen. Motivierend könne es hingegen sein, sich die Zukünfte zu imaginieren, die wir statt des düsteren Szenarios wollen, das bei ungebremstem CO2-Ausstoß auf uns zukommt.

Nicht nur Verzicht

Gleichwohl geht es beim Klimaschutz oft um die Frage, worauf wir verzichten müssen. "Doch diese Zukunft kann auch total schön sein", sagt van Bronswijk. Eine Stadt mit weniger Autos ist so ein Beispiel. Diese tut nicht nur Klimazielen gut, sondern verspricht auch mehr Lebensqualität, etwa durch mehr Grünflächen. Im Kleinen könnte man solche alternativen Zukünfte oft sogar schon umsetzen – solche Vorreiterbeispiele seien zusätzlich motivierend. Oder, wie es van Bronswijk im abschließenden Kapitel ihres Buches ausdrückt: Wir brauchen mehr "I have a dream" statt "I have a nightmare". (Philip Pramer, 25.10.2022)