In Addis Abeba zeigten Menschen vergangene Woche ihre Unterstützung für das äthiopische Militär, das in Tigray seit zwei Jahren in einem blutigen Bürgerkrieg kämpft.

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Genauso abgeschottet von der Weltöffentlichkeit, wie seit zwei Jahren der Bürgerkrieg in der äthiopischen Provinz Tigray tobt, haben jetzt auch die ersten offiziellen Verhandlungen zu seiner Beendigung in Südafrika begonnen. Die Regierung in Pretoria verhängte eine totale Nachrichtensperre über Zeitpunkt und Ort der Gespräche: Lediglich die Tatsache, dass Repräsentanten von zwei der drei Kriegsparteien ans Kap der Guten Hoffnung gereist waren, gaben Äthiopiens Regierung und Tigrays Volksbefreiungsfront TPLF am Montagmorgen über Twitter bekannt. Die genaue Besetzung der Delegationen war genauso wenig zu erfahren wie die Zahl und Identität der Vermittler sowie der Beobachter.

Zu den Gesprächen hatte die Afrikanische Union (AU) schon vor gut zwei Wochen eingeladen. Allerdings musste der Termin gleich wieder verschoben werden, weil die Verhandlungen schlecht vorbereitet waren. So hatte die AU die Anreise der TPLF-Delegation nach Südafrika nicht organisiert. Dieses Mal wurde sie mit einer Maschine der US-Streitkräfte vom Flughafen der unter Dauerbeschuss stehenden Provinzhauptstadt Mekelle ans Kap der Guten Hoffnung geflogen.

Auf Verlangen der TPLF soll dem von der AU eingesetzten Vermittler, dem ehemaligen nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo, als zweiter Mittelsmann der ehemalige kenianische Präsident Uhuru Kenyatta zur Seite gestellt werden: Obasanjo wird in Tigray als parteiisch abgelehnt. Dass Kenyatta an den Gesprächen in Südafrika teilnimmt, gilt zwar als wahrscheinlich, wurde jedoch nicht offiziell bestätigt.

Kämpfe gehen weiter

Als Voraussetzung zur Aufnahme von Verhandlungen hatte die TPLF zunächst ein Ende der Blockade Tigrays durch die äthiopische Regierung und den Abzug der eritreischen Streitkräfte aus der Provinz verlangt. Beide Bedingungen wurden nicht erfüllt. Unterdessen gehen auch die Kämpfe in Tigray weiter. Die äthiopischen und eritreischen Streitkräften sollen weitere Städte und Landstriche im Norden und Süden der Provinz erobert haben. Äthiopiens Luftwaffe verstärkte auch ihre Kampfjet- und Drohnenangriffe auf die Provinzhauptstadt Mekelle. Ihnen sollen erneut zahlreiche Zivilisten, auch Kinder, zum Opfer gefallen sein.

Militärexperten halten den Fall Mekelles bereits in den nächsten Tagen für möglich. In den vor zwei Monaten wiederaufgeflammten Kämpfen könnten bereits mehr als 100.000 Menschen ums Leben gekommen sein, sagt ein Kenner des Landes. Auch Kriegsverbrechen werden wieder erwartet. Schon bei der ersten Tigray-Invasion äthiopischer und eritreischer Truppen vor zwei Jahren hatten sich nach Recherchen von Menschenrechtsorganisationen vor allem eritreische Soldaten zahlreiche Massaker unter der Zivilbevölkerung sowie Massenvergewaltigungen zuschulden kommen lassen.

Versorgungstransporte werden blockiert

Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed sicherte vor wenigen Tagen zu, der Vormarsch der Regierungstruppen werde "friedlich" verlaufen. "Wir werden nicht ewig kämpfen", sagte der Friedensnobelpreisträger. "Der Tag ist nahe, an dem wir zusammen mit unseren Brüdern in Tigray an der Entwicklung unseres Landes arbeiten können." Abiy kündigte außerdem an, dass bald wieder Versorgungstransporte des Welternährungsprogramms (WFP) in die Provinz gelangen könnten – ein unausgesprochenes Eingeständnis, dass der Transport von Hilfsgütern nach Tigray in den vergangenen acht Wochen unterbunden war. Abiy hatte mehrmals dementiert, dass eine Blockade über die Provinz verhängt wurde.

Seit zwei Jahren ist das Telefonnetz und teilweise das Stromnetz abgeschaltet. Der Nachschub an Geld, Benzin und Medikamenten ist zum Erliegen gekommen. Rund 90 Prozent der sechs Millionen Provinzbewohner sind nach UN-Angaben auf ausländische Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Mitarbeiter internationaler Hilfswerke berichten schon seit Monaten von Hungertoten, vor allem unter den Kindern.

Nicht am Verhandlungstisch vertreten ist die eritreische Regierung. Ihre Beteiligung an dem Krieg wird im Westen als völkerrechtswidrig betrachtet. Ob es der äthiopischen Regierung gelingen wird, im Fall eines Friedensschlusses die eritreischen Truppen zum Abzug aus Tigray zu bewegen, ist zurzeit noch so ungewiss wie ein Erfolg der Verhandlungen überhaupt. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 24.10.2022)