Die meisten auf der Erde gefundenen Meteorite stammen aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. In seltenen Fällen kommen sie vom Mond oder vom Mars.
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Es gehört zum Wesen des Menschen, nach Ordnung im Chaos der Natur zu suchen. So verorteten schon die Philosophen der Antike Sonne, Mond, Planeten und Sterne auf den Sphären angeheftet – kugelförmige Schalen, mit denen sie die Erde umkreisen. Und seit jeher sucht der Mensch auch das Zusammenleben mit einer stets wachsenden Zahl von Regelungen zu ordnen.

Dennoch bleibt auch das Chaos erhalten, zumindest zum Teil: Heute erscheint das antike Weltmodell naiv, denn das Universum gleicht eher einem Billardspiel mit einer unendlichen Anzahl von Kugeln als einem geordneten Raum. Und auch in unserer von Gesetzen scheinbar lückenlos geregelten Welt gibt es Bereiche, in denen weiterhin weiße Flecken bestehen. Dazu gehört die Regelung von Eigentumsrechten an Meteoritenfunden: in Österreich existiert kein Gesetz, in dem das Wort "Meteorit" vorkommt. Auch gibt es keine diesbezüglichen Urteile heimischer Gerichte, die als Referenzpunkt dienen könnten.

Wem gehören die Steine aus dem All?

Am vergangenen Donnerstag befasste sich ein Symposion an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit der Frage, wem die Steine gehören, die aus dem All auf die Erdoberfläche fallen. International sind den Weltraum betreffende Eigentumsfragen in verschiedenen Verträgen der Vereinten Nationen skizziert, erklärt die Weltraumrechtsexpertin Irmgard Marboe vom Juridicum der Universität Wien. Der Weltraumvertrag von 1967 regelte erstmals die Grundsätze für staatliche Tätigkeiten bei der Erforschung und Nutzung des Alls.

In der Vitrine der Marsmeteoriten wird es langsam eng. Der rötliche NWA 12323 gesellt sich nun zu seinen Kollegen vom Mars. Auf der linken Seite sind die drei Klassiker Chassigny, Shergotty und Nakhla, nach denen die drei Mars-Klassen der Chassignite, Shergottite und Nakhlite benannt sind. Daneben liegen Tissint und Zagami – wie bei NWA 12323 handelt es sich um Shergottite.
Foto: NHM Wien / Christina Rittmannsperger

Er enthält ein konkretes Aneignungsverbot von Himmelskörpern, das Recht an Ressourcen ist hingegen umstritten. Diese "Verfassung des Weltraums" zählt 112 Mitgliedsstaaten, darunter alle relevanten in der Raumforschung aktiven Nationen. Es handelt sich der Völkerrechtlerin zufolge um ein recht erfolgreiches UN-Vertragswerk. Der ergänzende Mondvertrag von 1979, der staatliche Tätigkeiten auf dem Mond und anderen Himmelskörpern regeln sollte, ist hingegen nur von 18 Staaten ratifiziert worden. Darunter finden sich keine großen Raumfahrtnationen, Österreich ist jedoch Vertragsstaat.

Seltene Fundstücke

Zwar sind Meteoritenfunde in Österreich eine große Seltenheit, weshalb die Rechtsfrage einen gewissen exotischen Anstrich hat – die Datenbank der Meteoritical Society listet nur acht Meteorite seit 1768 auf Österreichs Territorium auf. Ein neunter Fund, die Hauptmasse des Neuschwanstein-Meteoriten, wurde zwar 2003 im Gebiet der Gemeinde Reutte geborgen, Neuschwanstein gilt jedoch wegen vorangegangener Funde auf der anderen Seite der bayerisch-tirolerischen Grenze als deutscher.

Ludovic Ferrière mit seinem Neuzugang.
Foto: NHM Wien / Christina Rittmannsperger

Um den seltenen Enstatit-Chondriten stritten in der Folge Reutte und der deutsche Finder vor einem Augsburger Gericht, erzählt Ludovic Ferrière, der Kurator der Meteoritensammlung des Naturhistorischen Museums. Das Gericht entschied in erster Instanz auf Basis österreichischen Rechts, dass es sich nicht um einen Schatzfund oder einen Zuwachs auf Reutter Gemeindegrund, sondern um einen herrenlosen Gegenstand handelt, der dem Finder zusteht.

An diesem Beispiel zeigt sich die Problematik: Wie wird der rechtliche Status eines Meteoriten eingeordnet? Im nationalen Recht macht es einen Unterschied, ob ein aus dem All auf den Erdboden gefallener Stein als herrenlose Sache gesehen wird, wie das Augsburger Gericht geurteilt hat, oder ob es sich um einen Zuwachs eines Grundstücks (vergleichbar mit dem natürlichen Fruchtertrag), um einen Fundgegenstand, einen Schatz oder ein Kulturgut handelt. Je nach Sichtweise hat der Finder unterschiedliche Eigentumsrechte an dem gefallenen Himmelskörper, aber häufig auch eine Meldepflicht, sagt Marboe. Bei einem Zuwachs gehört der Stein dem Grundbesitzer, ist es aber ein Schatz, wird dieser geteilt.

In manchen Ländern erhebt der Staat Anspruch auf Meteoritenfunde – in Dänemark leitet sich das historisch vom Recht des Königs auf entdeckte Schätze ab, wird aber auch auf Fossilien und Meteorite angewendet. Die Finder erhalten eine Abfindung. In anderen Staaten gelten strenge Beschränkungen bezüglich der Ausfuhr, der Einfuhr oder auch des Besitzes von oder der Suche nach Meteoriten. Werden gesetzlich zu große Hürden verankert, besteht die Gefahr, dass Meteorite auf dem Schwarzmarkt landen oder nach einem Meteoritenfall sich niemand an der Suche nach möglichen Exemplaren beteiligt. Vom jüngsten Meteoritenfall Österreichs im November 2020 wäre mit einer restriktiven Gesetzgebung vielleicht niemals ein Stück gefunden worden.

Kindberg ist nun in der Österreich-Vitrine zu bewundern. Dem achten heimischen Meteoriten leisten Ischgl, Mühlau, Mauerkirchen, Prambachkirchen, Ybbsitz, Minichhof und Lanzenkirchen Gesellschaft.
Foto: Foto: NHM Wien / Alice Schumacher

Damals hatte Ferrière bei seiner Suche auf eine Einbindung der lokalen Bevölkerung gesetzt. Der nach seinem Fundort benannte Kindberg-Meteorit wurde schließlich ein halbes Jahr später auf einem Forstweg entdeckt. Die Finder gehörten zu jenen Personen, die von Ferrière persönlich über den Absturz informiert worden waren. Knapp zwei Jahre nach dem Fall des gewöhnlichen Chondriten in der Steiermark gibt es nun eine Einigung: Zwar bleibt der Stein im Eigentum der Familie, wird jedoch dem Naturhistorischen Museum (NHM) Wien und damit der Öffentlichkeit als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Seit Freitag ist der L6-Chondrit deshalb in der Österreich-Vitrine des Meteoritensaales zu sehen.

Der Meteorit vom Mars

Keine Zweifel in der Eigentumsfrage gibt es jedoch bei einem anderen Neuzugang: Ebenfalls seit Freitag ist ein Stein vom Mars Teil der weltgrößten Meteoritenausstellung. Der Meteorit "NWA 12323" wurde vom niederländischen Sammler Ben Hoefnagels 2018 in Agadir erworben. Für den Chef des IT-Unternehmens City GIS ist es das Staunen über die schiere Unendlichkeit von Zeit und Raum, die seine Faszination für Meteorite ausmacht. "NWA 12323" soll im NHM von vielen Menschen mit dem gleichen Staunen bedacht werden, hofft Hoefnagels.

WA 12323 stammt vom Mars. Nun ist er im Naturhistorischen Museum Wien gelandet.
Foto: NHM Wien, Christina Rittmannsper

Der basaltische Shergottit weist auf die vulkanische Vergangenheit des Mars hin, Schockadern erzählen die Geschichte von einem gewaltsamen Zusammenstoß – vielleicht jener, der den Brocken vom Mars Richtung Erde geschleudert hat. Die rötliche Farbe der Kruste stammt nicht vom roten Planeten: Der Aufenthalt in der Wüste hat ihm dazu verholfen. Ferrière will dem Stein nun mit Untersuchungen der Sauerstoffisotope und Spuren der Mars-Atmosphäre seine Geheimnisse entlocken. (Michael Vosatka, 24.10.2022)

NWA 12323 stammt aus der Wüstenregion Nordwestafrikas. Dort hat er seine rötliche Färbung erhalten. Im Anschnitt ist eine Schockader deutlich sichtbar.
Foto: NHM Wien / Christina Rittmannsperger
Neben der Hauptmasse des Meteoriten erhielt das NHM auch eine Scheibe des Marsmeteoriten.
Foto: NHM Wien / Ludovic Ferrière
Diese wurde für Forschungszwecke in kleinere Stücke geteilt.
Foto: NHM Wien / Ludovic Ferrière
Aus einem Stück wurde ein Dünnschliffpräparat hergestellt. So sieht die hauchdünne Scheibe im Polarisationsmikroskop unter normalem Licht aus...
Foto: NHM Wien / Ludovic Ferrière
...und so mit gekreuzten Polarisatoren. Feinste Details der Kristallstrukturen können so sichtbar gemacht werden.
Foto: NHM Wien / Ludovic Ferrière