Der geschwungene Zwetschkenzweig war wie geschaffen für das Werk einer Gartenkreuzspinne. (Belichtungszeit 1/320 Sek., Blende f5.6, Lichtempfindlichkeit ISO 220, Brennweite 200 mm am APS-C-Sensor entspricht 300 mm umgerechnet aufs Kleinbildformat.)

Foto: Michael Simoner

Wir spinnen zwar manchmal gewaltig, aber den Spinnfaden einer Spinne können wir (noch) nicht vollständig reproduzieren. Daran muss ich gerade jetzt in der Saison der Spinnennetze oft denken. Derzeit sind die Werke von Radnetzspinnen besonders auffällig, weil Morgentau und herbstlicher Nebel sie häufig in Wassertropfen-Kunstwerke verwandeln.

Vom Winde verweht

Auch die Flugfäden, auf denen sich bestimmte Jungspinnen vom Winde verwehen lassen ("Altweibersommer"), kommen im Licht der tiefstehenden Nachmittagssonne besonders gut zur Geltung. Und dann ist da kommende Woche noch Halloween, der Tag, an dem die Monster aus der Geisterbahn Ausgang haben. Spinnenkostüme und künstliche Spinnweben gehören seit jeher zum Gruseloutfit.

Bei uns hat unlängst eine Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus) zwischen Zwetschkenzweigen ein spannendes Netz gebaut. Spoiler für alle, die auf den Anblick von Spinnen eher verzichten möchten: Nur das letzte Foto zeigt eine Spinne, die ersten sechs Bilder sind dem Netz gewidmet.

Reißfest und dehnbar

Der Spinnfaden ist, man kann es nicht anders ausdrücken, eine geniale Erfindung. Die nur ein Tausendstel Millimeter dünne Seide besteht aus Eiweißketten und ist reißfester als ein Stahlfaden, aber gleichzeitig auch besonders dehnbar und außerdem hitzebeständig und wasserfest. Die künstliche Herstellung von Seidenproteinen ist zwar schon gelungen und wird etwa in medizinischen Produkten und in der Computertechnologie verwendet, die genaue Mischung der Proteine im Spinnfaden ist aber noch nicht bekannt.

Wie ein Netz entsteht

Mit einem Y fängt alles an: Zuerst zieht die Kreuzspinne einen Faden von A nach B und dann von dessen Mitte einen weiteren Faden in die entgegengesetzte Richtung zu Punkt C. Dieses Grundgerüst wird zu einem kompletten Radnetz ausgebaut. Die Abstände zwischen den Spinnfäden entscheiden über die Größe der Beute, die sich im Netz verfangen soll.

Zupfen für ein Date

Der Spinnapparat der Achtbeiner hat mehrere Drüsen, die unterschiedliche Fäden produzieren: darunter einen für die Netzstruktur, einen klebrigen Faden zum Beutefang, einen zum Umgarnen der Beute, einen zum Abseilen, einen als Kontakt zum Netz. Das Netz spielt auch eine zentrale Rolle, wenn es romantisch wird. Männchen müssen am Netz zupfen, wenn sie ein Date wollen. Tun sie das nicht, riskieren sie ihr Leben. (Michael Simoner, 26.10.2022)

Das Spinnennetz von der anderen Seite. Das Rot im Hintergrund sind Hetscherln. (1/320 Sek., f5.6, ISO 140, 210 mm APS-C)
Foto: Michael Simoner
Morgentau macht das Spinnennetz zum Kunstwerk. (1/500 Sek., f9, ISO 1600, 105 mm Makro APS-C)
Foto: Michael Simoner
Adhäsion bewirkt, dass die Tropfen an den Spinnfäden haften. (1/500 Sek., f9, ISO 640, 105 mm Makro APS-C)
Foto: Michael Simoner
Kohäsion hält das Wasser in Perlenform zusammen. (1/500 Sek., f9, ISO 1600, 105 mm Makro)
Foto: Michael Simoner
Die Ameise scheint zu überlegen, ob sie das Risiko eingehen soll, vom Wasser auf dem Spinnennetz zu trinken. (1/250 Sek., f5.6, ISO 140, 40 mm Makro, 1-Zoll-Sensor)
Foto: Michael Simoner
Madame Gartenkreuzspinne hängt am Sicherungsfaden. (1/500 Sek., f8, ISO 400, 85 mm Makro, 1-Zoll-Sensor)
Foto: Michael Simoner