Bald keine Science-Fiction mehr: riesige Drohnenschwärme auf dem Schlachtfeld.

(Dieses Symbolbild wurde mit der Bilder-KI Stable Diffusion mit dem Prompt "a swarm of small quadcopters attacking a single warship" generiert.)

Foto: DER STANDARD/Pichler/Stable Diffusion

Über hundert gepanzerte Fahrzeuge der russischen Armee dürfte die Ukraine im Verlauf des Krieges bereits außer Gefecht gesetzt haben. Derweil setzen die Invasionstruppen nunmehr auf Kamikazedrohnen von wohl iranischer Bauart, um in weiten Teilen des Landes Infrastruktur, aber auch zivile Gebäude anzugreifen.

Aus der modernen Kriegsführung sind Drohnen nicht mehr wegzudenken. Die Vorteile dafür liegen freilich auf der Hand. Sie sind relativ billige Aufklärungswerkzeuge, lassen sich aber auch bewaffnen und für Attacken nutzen, ohne auf eigener Seite Menschenleben zu riskieren. In dem Bereich führend ist wohl die US-Armee, deren Drohnenschläge im Rahmen des Afghanistan- und Irakkriegs aufgrund einiger ziviler Opfer aber seit jeher auch stark kritisiert wurden.

Pläne im Budgetstapel

Bei MIT Technology Review hat man nun eine tiefgehende Sichtung von Budgetdokumenten vorgenommen und im Aktenberg ambitionierte Pläne entdeckt. Unter dem Namen "Super Swarm" verfolgt das amerikanische Militär das Ziel, nicht nur schwimmende und Unterwasserdrohnen vermehrt einzusetzen, sondern auch Schwärme aus tausenden Mini-Drohnen fliegen zu lassen.

Für den Moment beschränkt sich dieses Szenario noch entweder auf Drohnen-Lichtshows oder Science-Fiction-Filme. Die Experimente laufen aber. In einem simulierten Kampf nahm ein fliegender Maschinenschwarm der Navy im August einen Angriff auf ein Schiff vor.

Hier auf zahlreiche kleinere Drohnen zu setzen ermögliche es, aus mehreren Richtungen gleichzeitig anzugreifen und das Schiff durch das Ausschalten kritischer Systeme wie Radarantennen und Waffen schachmatt zu setzen, sagt dazu Zachary Kallenborn von der George Mason University. Dabei profitieren die kompakteren Flugmaschinen von ihrer Wendigkeit und hohen Präzision und werden in der Masse für die Luftabwehr zu einer großen Herausforderung. Allerdings bedeutet der Einsatz tausender Drohnen auch, dass man sich mit tausenden potenziellen Fehlerquellen auseinandersetzen muss.

Drohnen-Mutterschiffe und 3D-Druck

Auf den Weg gebracht werden sollen solche Schwärme im Rahmen sogenannter "Multi-Domänen-Einsätze" durch U-Boote, Schiffe, Flugzeuge, aber auch Landfahrzeuge. Notwendig ist das auch, weil die kleinen Drohnen nur über vergleichsweise eingeschränkte Reichweite verfügen. Diesem Problem nimmt sich das zu Super Swarm gehörige Projekt "DEARLS" (Deployment and Employment of Autonomous Long-Range Systems) an. Ein ebenfalls autonom verkehrendes "Mutterschiff" soll hier eine "extrem hohe Anzahl" kleinerer Drohnen in Operationsdistanz bringen.

Ein weiteres Projekt, "MASS" (Manufacturing of Autonomous Systems at Scale), beschäftigt sich hingegen mit dem Kostenfaktor. Portable Drohnen lässt sich das US-Militär aktuell etwa 49.000 Dollar pro Stück kosten, was bei größeren erwartbaren Verlusten empfindlich ins Budget geht. Daher will man mit neuen Designtools Drohnen umsetzen, die sich großteils aus günstigen 3D-gedruckten Bauteilen bauen lassen.

Zudem soll hier auch die Grundlage dafür geschaffen werden, dass man die Designs schnell an den Bedarf des jeweiligen Einsatzes anpassen kann – je nachdem, ob man etwa Geräte für schnelle, unentdeckte Aufklärung braucht oder Kapazitäten für Beifracht wie Sensoren oder Waffen. Die Herstellung dieser Drohen, so der Plan, soll – zu Lande oder auf Schiffen – so nahe am Kampfgeschehen erfolgen wie möglich.

Eine weitere Initiative, MATES (Manned and Autonomous Teams), soll die Fernsteuerung von Schwärmen vereinfachen und sie blitzschnell in einen vollautonomen Modus umschalten, wenn etwa die Funkreichweite verlassen oder das Signal von Jammern gestört wird.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Ein Angriff mit tausenden Drohnen auf Überwachungs- und Verteidigungssysteme hat hohe Erfolgschancen, weil selbst die Ausschaltung hunderter Drohnen noch genug Raum für die Erreichung des Zieles ließe. Solche Attacken eigneten sich als Vorbereitung für den Einsatz von Raketen, bemannten Flugzeugen und anderen konventionellen Kampfmitteln.

Denkbar sind laut Kallenborn aber auch viele andere Szenarien, in denen Drohnenschwärme Sinn ergeben könnten. Beispielsweise Aufklärung, elektronische Störangriffe, aber auch der Transport verschiedener Nachschubgüter, jeweils zusammen mit herkömmlichen, bemannten Systemen.

Man sollte aber nicht erwarten, dass Super Swarms – oder vergleichbare Technologien, an denen auch in China, Russland, Indien und anderen Ländern geforscht werden soll – zwangsweise Schlachten oder Kriege entscheiden. Denn ebenso eifrig wird an der Abwehr von Drohnenschwärmen geforscht, etwa mit Mikrowellen, Lasern oder eigenen Maschinenschwärmen. Allerdings wird es einige Zeit dauern, ehe diese einsatzreif sind. Dass Drohnenschwärme Teil der modernen Kriegsführung werden, davon ist Kallenborn jedenfalls überzeugt. Wer dagegen argumentiert, "wird sich eines Tages vorkommen wie jene Leute, die einst Panzer, U-Boote und Flugzeuge als Träumerei abgetan haben". (gpi, 24.10.22)