Weinstein ist wegen mutmaßlicher sexueller Angriffe auf fünf Frauen zwischen 2004 und 2013 in Hotels in Beverly Hills und Los Angeles angeklagt.

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Los Angeles / New York – Zum zweiten Mal steht der frühere Filmmogul Harvey Weinstein wegen sexueller Übergriffe vor Gericht, nachdem bereits 2020 ein Prozess in New York mit einem Schuldspruch und langer Haft geendet hatte. Im Rollstuhl sitzend wurde der 70-Jährige zum Prozessauftakt am Montag in Los Angeles aus der Haftanstalt in den Gerichtssaal gebracht. Mit Mühe sei er aufgestanden, um neben seinen Anwälten auf einem Stuhl Platz zu nehmen, berichteten Journalisten.

Bei den Eröffnungsplädoyers erhob die Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe. Anklagevertreter Paul Thompson zeigte am Montag vor Gericht Fotos von Frauen, die bei dem Prozess über Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe Weinsteins aussagen sollen. Er zitierte vor den zwölf Geschworenen Auszüge aus Schilderungen dieser Frauen mit teils drastischen Details.

Vorwürfe von fünf "Jane Does"

Weinsteins Anwalt Mark Werksman wies die Vorwürfe kategorisch zurück und stellte Weinstein als Unschuldigen dar. Die Klägerinnen hätten einvernehmlichen Sex mit dem einflussreichen Produzenten gehabt, um ihre Karriere in Hollywood voranzubringen.

Es gibt elf Anklagepunkte, darunter Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe. Es geht um Vorwürfe von fünf Frauen im Zeitraum von 2004 bis 2013. Ihre Namen wurden als "Jane Doe" umschrieben und anonymisiert. Die meisten Übergriffe sollen in Hotels in Beverly Hills stattgefunden haben.

Die vierte Klägerin

Eine der fünf Klägerinnen hatte im Voraus ihre Identität enthüllt – es ist Jennifer Siebel Newsom, die Ehefrau des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom. Bei ihrer Begegnung mit Weinstein im Jahr 2005 habe sie versucht, als Schauspielerin in Hollywood Fuß zu fassen, sagte Thompson am Montag. Weinstein habe sie mit dem Versprechen, über ihre Karriere zu reden, in sein Hotelzimmer eingeladen. Dort sei sie von ihm vergewaltigt worden.

Thompson zeichnete ein erschreckendes Bild von dem Angeklagten – und das anhand von Aussagen mehrerer Frauen. Weinstein habe vor ihnen masturbiert, seine Opfer gewaltsam bedrängt und sie zum Oralverkehr genötigt. Im Lauf des Prozesses sollen mehrere Frauen die angeblichen Übergriffe im Zeugenstand schildern.

"Casting-Couch" sei in Branche üblich

Weinstein-Anwalt Werksman holte zum Auftakt gegen die Klägerinnen aus. Sie würden lügen, Begegnungen erfinden oder sie nun unter dem Eindruck der MeToo-Bewegung völlig anders darstellen. Die Frauen hätten damals mit seinem Mandanten einvernehmlich Sex gehabt, um in Hollywood weiterzukommen, sagte Werksman. Das sei in der Branche so üblich gewesen. Das sei die "Casting-Couch" gewesen, mit Sex als Ware, führte der Anwalt nach Angaben der Reporter im Gericht aus. Weinstein sei nicht Brad Pitt oder George Clooney, aber die schönen Frauen hätten sich auf ihn eingelassen, weil er mächtig war.

Der Auftakt am Montag war ein Vorgeschmack für das zu erwartende Prozessdrama, das sich nach Einschätzung von Beobachtern bis Dezember hinziehen könnte. Dutzende Zeugen werden erwartet, darunter Sachverständige, aber auch Prominente wie der Schauspieler Mel Gibson. In den vergangenen zwei Wochen war die Jury – neun Männer und drei Frauen – aus einem Pool von über 200 Kandidaten ausgewählt worden.

#MeToo-Bewegung

Am Montag trat bereits die erste Klägerin in den Zeugenstand. Ihrer Aussage nach war sie im Februar 2013 für ein Filmfestival aus Rom nach Hollywood gereist. Weinstein sei unter dem Vorwand, reden zu wollen, in ihr Hotelzimmer gekommen. Er habe sie dort zum Oralverkehr gezwungen, erzählte sie. Die Befragung sollte am Dienstag fortgesetzt werden.

Weinstein war im März 2020 in New York unter anderem wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Die Jury glaubte den Zeugenaussagen mehrerer Frauen entgegen Weinsteins Unschuldsbeteuerungen. Dieser Prozess markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte. Der Fall hatte die #MeToo-Bewegung maßgeblich mit ausgelöst. (APA, red, 25.10.2022)