Chinas starker Mann wird noch stärker: Xi Jinping.

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Was die chinesische Bevölkerung über die Ergebnisse des 20. Parteitags denkt, ist ungewiss. Investoren und Anleger gaben allerdings ein klares Votum ab: Der Hang-Seng-Index in Hongkong rauschte bei Eröffnung über sechs Prozent ins Minus. Die Aktie des Internetkonzerns Alibaba verlor sogar über zwölf Prozent. Viele Marktteilnehmer fürchten offensichtlich, dass die neue Zusammensetzung des Politbüros nichts Gutes bedeutet. Die Zeichen stehen auf Eskalation und mehr staatliche Kontrolle der Wirtschaft. Warum?

Die personelle Zusammensetzung des neuen Ständigen Ausschusses des Politbüros zementiert zunächst die persönliche Macht Xi Jinpings. Unter seinen Vorgängern war es üblich, das fünf- bis neunköpfige Gremium mit Vertretern verschiedener Fraktionen zu besetzen. Das Politbüro sollte so ein relatives Gegengewicht zur Macht des Präsidenten bilden. Dies fehlt nun. Der Ausschuss ist nun mit sieben Yes-Men, Jasagern, besetzt. Dies ermöglicht es Xi, Entscheidungen schneller umzusetzen, erhöht aber gleichzeitig die Fehleranfälligkeit: Notwendige Kritik dürfte nun noch schwieriger zu Xi hindurchdringen.

Beispiel Covid-Politik

Deutlich zeigt sich dies bei der Zero-Covid-Politik Chinas. Die rigorosen Maßnahmen, durch die immer wieder Teile von Millionenstädten lahmgelegt werden und Hunderttausende in Quarantänelagern gefangen gehalten werden, lassen sich rational kaum begründen. Eine Erklärung aber könnte sein, dass Informationen über die tatsächlichen Zustände im Land zu Xi schlicht nicht mehr durchdringen. Viele Beobachter hofften auf eine Abkehr von der Zero-Covid-Politik nach dem Parteitag. Dafür gibt es keine Anzeichen. Im Gegenteil: Li Qiang, Parteichef von Schanghai, war für den strikten Lockdown der Stadt zwischen März und Juni verantwortlich. Der 63-Jährige wurde für seine Loyalität belohnt und dürfte wohl die neue Nummer zwei der Volksrepublik werden und Premier Li Keqiang ersetzen.

Für Spekulationen sorgten Bilder, die zeigen, wie Xis Vorgänger Hu Jintao vor laufender Kamera abgeführt wird. Die staatliche Presse erklärte dies mit dem schlechten Gesundheitsstatus Hus. Allerdings passt dies ins Schema: Hu Jintao stand für eine andere Fraktion und Linie innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas.

Taiwan war Thema

In Xis Reden fiel auffallend oft das Wort "Anquan", "Sicherheit", während bei den Parteitagen zuvor öfter von "Reformen" und "wirtschaftlicher Öffnung" die Rede war. Dies deutet stark darauf hin, dass Xi in den kommenden Jahren seinen außenpolitisch aggressiveren Kurs beibehalten wird. Er betonte zudem, dass in der Taiwan-Frage militärische Optionen nicht vom Tisch seien.

Stattdessen strebt China in den kommenden fünf Jahren wohl mehr technologische Unabhängigkeit und Teilautarkie an. Schon länger ist der Begriff "Zwei Kreisläufe" ein Parteislogan: Während China weiter Rohstoffe wie Öl und Gas importiert und Waren exportiert, soll die Binnenwirtschaft weitgehend ohne äußere Einflüsse funktionieren können. Ob das gelingen kann, ist fraglich. Gerade erst hat Washington ein folgenschweres Chip-Embargo gegen die Volksrepublik verhängt, durch das China weitgehend von modernster Halbleitertechnologie abgeschnitten werden soll.

Auch dürfte dies nicht Xis letzte Amtsperiode gewesen sein. Beobachter gehen davon aus, dass Xi mindestens noch zweimal fünf Jahre im Amt bleiben wird. All dies deutet darauf hin, dass das ohnehin angespannte Verhältnis Chinas zu den USA und zum Westen nicht besser werden wird. Unter Xi Jinping ist China autoritärer, aggressiver und nationalistischer geworden. Der 20. Parteitag hat diesen Kurs nochmals unterstrichen. (Philipp Mattheis, 25.10.2022)