Die Sitzung des UNO-Sicherheitsrates fand auf Initiative Russlands statt.

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Kiew (Kyjiw)/Moskau/New York – Der UNO-Sicherheitsrat hat am Dienstag auf einer nicht öffentlichen Sitzung über die wiederholten russischen Anschuldigungen beraten, die Ukraine plane den Einsatz einer "schmutzigen Bombe". Russland sagte, es "bezweifle", dass Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde beweisen könnten, dass dies nicht der Fall sei. Die Sitzung fand auf Initiative Russlands statt. Kiew und seine westlichen Verbündeten wiesen die Anschuldigungen erneut nachdrücklich zurück.

"Wir haben bei diesem privaten Treffen weder neue Beweise gesehen noch gehört", sagte der stellvertretende britische UNO-Botschafter James Kariuki nach der Sitzung und verurteilte die "Desinformation" Russlands. Die Ukraine habe "nichts zu verbergen", Inspektoren der IAEA seien auf dem Weg, fügte er hinzu.

Der stellvertretende russische UNO-Botschafter Dmitri Poljanskij bekräftigte nach der Sitzung indes den russischen Vorwurf, dass die Verwendung einer "schmutzigen Bombe" eine "sehr ernste Gefahr" sei, "eine ernsthafte Bedrohung". Die Ukraine habe "die Fähigkeiten" und "die Gründe dafür, weil das Regime von (Wolodymyr) Selenskyj eine Niederlage vermeiden und die NATO in eine direkte Konfrontation mit Russland verwickeln" wolle, sagte er.

Entsendung von Experten

Auf Antrag Kiews, das um die Entsendung von Experten gebeten hatte, hatte die IAEA am Montag einen Besuch der beiden betroffenen Einrichtungen "in den kommenden Tagen" bestätigt. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte Reportern, die Inspektoren würden vollen Zugang erhalten, und er forderte Moskau auf, die gleiche Transparenz wie die Ukraine zu zeigen. Die staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge handle es sich bei den beiden Anlagen um die östliche Mineralanreicherungsanlage in der zentralen Region Dnipropetrowsk und das Institut für Nuklearforschung in Kiew.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte entsprechende Vorwürfe gegen die Ukraine erstmals am Sonntag in Telefonaten mit seinen Kollegen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und der Türkei erhoben. Schoigu sprach dabei von "möglichen Provokationen seitens der Ukraine durch den Einsatz einer 'schmutzigen Bombe'".

USA waren Russland vor "schwerwiegenden Konsequenzen"

Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten bezeichneten die Anschuldigungen als "offenkundig falsch", und Washington warnte Russland vor "schwerwiegenden Konsequenzen" für jeden nuklearen Einsatz. US-Präsident Joe Biden sagte am Dienstag, Russland würde einen schweren Fehler begehen, wenn es eine Atomwaffe einsetzen würde.

Präsident Wladimir Putin hat sich nicht öffentlich zu den Vorwürfen der schmutzigen Bombe geäußert, sagte aber am Dienstag, Russland müsse die Entscheidungsfindung in Bezug auf seine so genannte "spezielle Militäroperation" zur Beseitigung von Extremisten in seiner Nachbarschaft intensivieren.

"Marshallplan" für die Ukraine

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier traf am Dienstag zu seinem ersten Besuch seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ein. Berlin war Gastgeber einer Konferenz über einen "Marshall-Plan" zum Wiederaufbau der Ukraine, eine Anspielung auf die US-Initiative zum Wiederaufbau Westeuropas am Ende des Zweiten Weltkriegs. Steinmeier sagte, Berlin arbeite daran, der Ukraine mit Luftverteidigungsausrüstung zu helfen und werde sich darauf konzentrieren, vor dem Wintereinbruch bei der Reparatur von Infrastrukturen wie etwa Stromnetzen zu helfen.

Selenskyi erklärte auf der Konferenz in Berlin per Videoschaltung, dass russische Raketen und Drohnen aus iranischer Produktion mehr als ein Drittel des Energiesektors seines Landes zerstört hätten, Kiew aber noch "keinen einzigen Cent" für einen Wiederaufbauplan im Wert von 17 Milliarden Dollar erhalten habe. Die Europäische Kommission forderte die EU-Länder und -Unternehmen auf, mehr für den Energiesektor der Ukraine zu spenden.

"Wenn wir diesen Krieg gewinnen, wird sich die Geschichte sowohl an diejenigen erinnern, die in unserer dunkelsten Stunde an unserer Seite standen, als auch an diejenigen, die den Aggressor offen unterstützt haben", erklärte das ukrainische Verteidigungsministerium in einem Tweet. "Aber vor allem wird sie sich an diejenigen erinnern, die untätig danebenstanden und so taten, als ob sie nicht sähen, wie mitten in Europa ein Völkermord stattfand." (APA, AFP, Reuters, 25.10.2022)