Plagiatsforscher Weber warf Innenminister Karner (hier im Bild) "umfangreiche Plagiate" in dessen Diplomarbeit vor.

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Das Projekt sei fertig geplant gewesen, von der Technischen Universität (TU) Wien und aus dem Bildungsministerium habe es grünes Licht gegeben. Doch der "Forschungsschwerpunkt Gute Wissenschaftliche Praxis" wird wohl nicht das Licht der Welt erblicken – zumindest nicht mit einer Beteiligung von Plagiatsforscher Stefan Weber. Nach mehrjähriger Vorbereitungszeit sei das auf sieben Jahre angelegte Projekt nun abgesagt worden, erzählt Weber. Er vermutet, dass sein unlängst publik gemachter Plagiatsvorwurf an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) den Ausschlag dafür gegeben habe.

Tatsächlich existieren Whatsapp-Nachrichten zwischen Weber und Elmar Pichl, Leiter der Hochschulsektion im Bildungsministerium, die diese Sicht unterstützen. Darin wird Weber vorgehalten, er habe versprochen, keine Politiker mehr zu thematisieren. Schuld am Aus sei die "Gesamtlage", wird weiter ausgeführt.

Nicht mehr über Politiker schreiben

"Wird ein politischer Verbündeter angegriffen, muss ein Forschungsschwerpunkt sterben", sagt Weber zum STANDARD. Laut dem Medienwissenschafter und Plagiatsgutachter habe es nach dem von ihm aufgedeckten Plagiatsverdacht gegen die damalige Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) ein kurzes Zeitfenster gegeben, um "Gute Wissenschaftliche Praxis" als Forschungsfeld zu verankern.

Im August 2021 sei es zu einem Treffen mit TU Wien-Rektorin Sabine Seidler gekommen, bei dem als Starttermin sogar November 2021 avisiert worden sei. Damals habe man ausgemacht, dass Weber künftig als dann angestellter Mitarbeiter der TU-Wien aus Compliance-Gründen nicht mehr zu wissenschaftlichen Arbeiten von Politikerinnen und Politikern bloggen könne. Der Beginn seiner Tätigkeit habe sich jedoch immer weiter verzögert, sagt Weber, bis es nun ganz abgesagt worden sei.

"Für Vertrauensaufbau kontraproduktiv"

Das Ministerium widerspricht dieser Darstellung: Seit dem Vorjahr werde an der TU Wien an der Konzeption dieses Projekts gearbeitet, in den kommenden Monaten solle es "in eine Realisierungsphase kommen". Die Uni selbst sagt ebenfalls, dass das Projekt weiterginge. "Der redliche, respektvolle Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Personen/Politiker_innen, die mit diesen Erkenntnissen im Zusammenhang gebracht würden, war Bestandteil der Gespräche zwischen Rektorat, Prof. Haslinger und Herrn Weber und wurde auch als Voraussetzung für eine etwaige Zusammenarbeit genannt", heißt es aus dem Büro von Rektorin Seidler.

Und was sagt Sektionschef Pichl zu seinen Whatsapp-Chats? "Auf Nachfrage habe ich Stefan Weber lediglich darauf hingewiesen, dass manche mediale Aktivitäten für einen Vertrauensaufbau in der scientific community kontraproduktiv sind".

"Politische Hintermänner"

Mit dem Ministerwechsel von Heinz Faßmann zu Martin Polaschek, dem früheren Rektor der Uni Graz, im Dezember 2021 hätten sich die Vorzeichen dann gewandelt. Weber führt das auch darauf zurück, dass er im Frühjahr 2021 die Diplomarbeit eines Nationalratsabgeordneten der ÖVP kritisiert hatte, die von Polaschek persönlich betreut worden war. Der Abgeordnete hatte als Reaktion den Titel zurückgelegt, die Uni Graz später jedoch das Verfahren eingestellt – und die ÖVP "politische Hintermänner" hinter Webers Arbeit vermutet.

Der Plagiatsforscher hat in der Vergangenheit wissenschaftliche Arbeiten oder andere Werke von Politikerinnen und Politikern fast aller Parteien kritisiert. Großes Aufsehen sorgten seine Vorwürfe gegen den damaligen Wissenschaftsminister und heutigen EU-Kommissar Johannes Hahn rund um dessen Doktorarbeit. Dem ÖVP-Politiker wurde der Titel zwar nicht aberkannt, laut dem damaligen Uni-Wien-Rektor Heinz Engl würde "eine solche Dissertation mittlerweile nicht mehr angenommen werden". In Hahns Kabinett war damals Pichl aktiv, der heutige Sektionschef.

Bangen um Lehrauftrag

Im deutschen Wahlkampf 2021 sorgten dann Plagiatsvorwürfe rund um das Buch der damaligen grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock für Aufruhr – sie nahm das Buch mittlerweile vom Markt. Weber fiel jedoch auch mit Kontroversen auf, etwa durch einen merkwürdigen Streit mit "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk rund um ungeschwärzte Akten und die Arbeit einer Mitarbeiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

"Ja, man darf nicht die Hand beißen, die einen füttert. Aber genau das ist ja das Problem", sagt Weber: "Würde sich die Politik, und hier die Hochschulpolitik, in Österreich um Probleme und Sachthemen kümmern, hätte sie sich eigentlich sagen müssen: Jeder weitere Plagiatsfall führt uns umso deutlicher vor Augen, wie wichtig dieser Forschungsschwerpunkt wäre". Er bangt nun auch um seinen Lehrauftrag an der TU, kündigt aber an, sich in seinem Blog nun "kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen". (Fabian Schmid, 26.10.2022)